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Kriminalität

"Kindesmissbrauch von besonderem Ausmaß"

7. Juli 2017

Die Kinderpornografie-Plattform "Elysium" wurde nach aufwendigen Ermittlungen des BKA abgeschaltet. Ihren Mitgliedern ging es um weit mehr als den Tausch von kinderpornografischen Videos und Bildern.

Symbolbild Misshandlung und Missbrauch von Kindern
Bild: Fotolia/Gina Sanders

Fast 90.000 Nutzer weltweit hatte die Kinderpornografie-Plattform "Elysium", dazu Chatrooms in fünf Sprachen. Und das, obwohl sie nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) überhaupt erst seit einem guten halben Jahr existierte - im Darknet, dem nicht öffentlichen Teil des World Wide Web.

Doch es sind nicht allein diese Zahlen, die das Ausmaß von "Elysium" beschreiben. So hoch sie sind - Plattformen mit ähnlichen Mitgliederzahlen gebe es im Internet immer wieder, erklärt der Leiter der Abteilung Cybercrime des BKA, Markus Koths, der Deutschen Welle (DW) im Interview.

Verabredung zu gemeinschaftlichem Kindesmissbrauch

Das Besondere an dieser Kinderpornografie-Plattform sei gewesen, dass es nicht nur um den Tausch und das Teilen von Missbrauchs- und Gewaltbildern gegangen sei, sondern auch um den Missbrauch selbst. In speziell eingerichteten Chatrooms hätten sich Mitglieder verabredet, um Kinder gemeinschaftlich zu missbrauchen, so Koths. Das Ausmaß an Gewalttaten sei "von besonderer Qualität" gewesen, berichtet der BKA-Kriminalist.

Markus Koths, Leiter der Cybercrime-Gruppe beim BKABild: BKA

Außer in Deutschland und Österreich habe es Festnahmen in Italien, Australien und Neuseeland gegeben. Insgesamt wurden 14 Verdächtige gefasst, zwölf von ihnen wird sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen; sie sitzen in Untersuchungshaft. Beteiligt an den Ermittlungen war nach Angaben von BKA-Cybercrime-Chef Koths ein Team aus speziell geschulten BKA-Fahndern, Technikern, Informatikern und IT-Forensikern. Letztere sind für die Auswertung und Verifizierung der riesigen Datenmengen zuständig. Unterstützt wurden die weltweiten Ermittlungen außerdem von der europäischen Polizeibehörde Europol.

Nicht nur Nutzer, auch Betreiber gefasst

Auf "Elysium" aufmerksam geworden sei man durch Informationen aus bereits laufenden Ermittlungsverfahren, so Koths. Denn auch die Fahnder sind im Darknet aktiv. Die Suche nach Tätern in diesem nicht öffentlichen Teil des Internets, im dem die Nutzer so gut wie keine Spuren hinterlassen, sei extrem aufwendig, erklärt der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Andreas May. Oft hangelten sich die Ermittler mühsam von Person zu Person, bis sie zu den eigentlichen Verdächtigen vordrängen.

Da die Kinderpornografie-Plattform erst seit einem guten halben Jahr existierte, ist es also ein rascher Fahndungserfolg, den die Behörden an diesem Freitag präsentierten. Und ein besonders wichtiger dazu, sagt May. Denn oft würden bei der Aufdeckung von Kinderpornografie-Ringen nur die Konsumenten der Bildern und Videos ermittelt. Dieses Mal sei es aber auch gelungen, den Betreiber der Kinderporno-Plattform zu fassen. Ein 39 Jahre alter Mann aus Hessen soll "Elysium" aufgebaut und im Darknet platziert haben sowie als Administrator tätig gewesen sein.

Die eigenen Kinder missbraucht und "geteilt"?

Viel Zeit lassen, um die Betreiber der Plattform ausfindig zu machen, durften sich die Ermittler laut BKA-Cybercrime-Chef Koths auch deswegen nicht, weil man den weiteren Missbrauch von Kindern verhindern musste. So habe man zugeschlagen, als sich in Österreich ein neuer Missbrauchsversuch abzeichnete. Die österreichische Polizei nahm zwei 28 und 40 Jahre alte Männer wegen Beteiligung an den Machenschaften der Kinderporno-Plattform fest. Der 28-Jährige Verdächtige soll seine beiden fünf- und siebenjährigen Kinder über Jahre hinweg schwer sexuell missbraucht und anderen zum Missbrauch zur Verfügung gestellt zu haben.

Den entscheidenden Hinweis auf ihn lieferte eine Volksschullehrerin aus Wien. Die Frau hatte auf einem Foto ein sieben Jahre altes Missbrauchsopfer erkannt - die Tochter des Verdächtigen, wie die österreichische Polizei in Wien bekanntgab. Insgesamt konnten die Ermittler 29 der missbrauchten Kinder identifizieren und ihren Missbrauch beenden, berichtet BKA-Mann Koths - Kinder im Alter von zwei bis acht Jahren. 

BKA fordert Vorratsdatenspeicherung

Dass die Missbrauchsopfer immer jünger und die Taten immer gewalttätiger würden, beobachtet Julia von Weiler vom Verein Innocence in Danger, der unter anderem Lobbyarbeit für Internetsperren von kinderpornografischen Inhalten betreibt. Damit stellten die Täter sicher, dass sich ihre Opfer gegen die steigende Gewalt nicht wehren und davon berichten könnten, sagte von Weiler der DW. 

Julia von Weiler, Vorstand Innocence in Danger e.V.Bild: Innocence in Danger

Auch für die Fahnder seien die Bilder von missbrauchten und misshandelten Kindern jüngsten Alters sehr belastend, sagt BKA-Cybercrime-Chef Koths. Der Einsatz erfolge daher freiwillig, die Ermittler würden psychologisch unterstützt und könnten jederzeit einen anderen Arbeitsplatz wählen. Dennoch gebe es keine erhöhte Fluktuation. Daher griffen Forderungen nach mehr Personal für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie, wie sie nach Bekanntwerden von Fällen wie "Elysium" immer wieder gestellt würden, zu kurz. Dringend erforderlich seien dagegen rechtliche Rahmenbedingungen, die mit den digitalen Neuerungen mithielten, wie Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und die Überwachung verschlüsselter Kommunikation. Weiterhin müssten die Ermittler technische Mittel erhalten und entwickeln, um das rechtlich Erlaubte auch durchzusetzen, so Markus Koths.

Webcrawler "Arachnid" sucht Kinderpornobilder

Auf andere Weise als das BKA versucht auch die kanadische Kinderhilfsorganisation Canadian Centre for Child Protection die Verbreitung von Kinderpornografie einzudämmen. Sie setzt dazu ein Programm namens Arachnid ein. Dieser sogenannte Webcrawler durchkämmt das Internet nach Bildern und sendet dem Provider die Aufforderung, das Material sofort zu löschen. In nur sechs Wochen fand Arachnid mehr als fünf Millionen Internetseiten mit kinderpornografischem Material.

Mag die reine Löschung für Kriminalbeamte eine unzureichende Lösung sein - viele der Missbrauchsopfer dürfte sie nach Ansicht von Julia von Weiler freuen. Denn neben dem Trauma, das die Schmerzen, die schreckliche Angst und die Ohnmacht verursachten, sei es für Missbrauchsopfer besonders schlimm, zu wissen, dass es Bilder von den Taten gibt. "In gewisser Weise ist das so, als ob der Missbrauch immer weiter geht."

Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima- und Umweltthemen
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