Showdown für den Pfeile-Gott
14. Dezember 2017Als Phil Taylor im Januar 1990 seinen ersten Weltmeistertitel feiert, wartet Michael Schumacher noch darauf, erstmals in einem Formel 1-Rennen zu starten, Toni Kroos, heute Kicker-Idol, ist gerade ein paar Tage zuvor auf die Welt gekommen.
Mit diesem Titel im Rücken wurde Taylor zum Mittelpunkt der Dart-Welt. Er gewann 15 weitere Weltmeisterschaften, die meisten davon in einer unglaublichen Serie: von 1995 bis 2006 gab es nur einmal, 2003, einen anderen Sieger bei der WM. Auch wenn der bewegungsarme "Kneipensport" ähnlich wie Snooker, Golf oder Schach nur wenig körperliche Fitness voraussetzt, ist diese anhaltende Dominanz unübertroffen. Vor allem deshalb, weil mit steigendem Alter Kleinigkeiten schleichend verloren gehen - sei es die Nervenstärke, sei es die Fähigkeit jeden Tag stundenlanges Training durchzuhalten oder einfach der absolute Siegeswille.
Das trifft natürlich auch auf Taylor zu. Inzwischen wird er auf Rang sechs der Weltrangliste geführt. Der 57-Jährige mag nicht mehr die unbezwingbare "Power" von einst sein, aber bei dieser Dart-WM wird sich alles um den scheidenden Superstar drehen, so lange er dabei ist. Dass er durchaus noch in der Lage ist, jeden Gegner zu schlagen und um den Titel mitzuspielen, beweist sein Sieg bei der diesjährigen Matchplay-WM. Auf seinem Weg ins Finale bezwang er den aktuellen Superstar Michael van Gerwen aus den Niederlanden.
Während seiner Karriere hat Taylor auch schwierige Zeiten im professionellen Dartsport erlebt. Nach einem Boom in den 1980 Jahren verloren Sponsoren und TV-Sender das Interesse. Die Nachwuchsförderung wurde ausgedünnt. In der Folge spaltete sich die Sportart organisatorisch in zwei rivalisierende Weltverbände auf. Taylor hat größeren Anteil daran, dass die "Abtrünnigen" von damals Erfolg hatten. Gemeinsam mit anderen unterstützte er den neugegründeten Alternativ-Verband, der heute unter dem Label "Professional Darts Corporation" (PDC) firmiert.
Aus bescheidenen Verhältnissen
Aufgewachsen ist Taylor in einfachen Verhältnissen in Stoke-on-Trent. Diesem Milieu ist der zielsichere Brite längst entwachsen. In den rund 30 Jahren seiner aktiven Karriere hat Taylor rund acht Millionen Euro allein an Preisgeld gewonnen. Nicht schlecht für jemanden, der in der Jugend drei Jobs auf einmal ausfüllen musste. Tagsüber arbeitete er in einer Keramikfabrik, abends schweißte er an Autos herum und am Wochenende half er für ein Taschengeld im örtlichen Pub aus.
Die Leidenschaft für Darts teilte er mit seinem Vater, der ihn ermutigte, es als Profi zu versuchen. Richtig ernsthaft verfolgte er dieses Ziel allerdings erst nach einem Umzug 1986. Taylor war in die Nachbarschaft des "Craft Cockney" gezogen, einer Kneipe, die die Dart-Legende Eric Bristow gekauft und nach seinem Spitznamen genannt hatte. In diesem Jahr schenkte ihm seine Frau Yvonne die ersten Pfeile zum Geburtstag. Beim Sprung ins Profigeschäft erhielt Taylor später dann Unterstützung von Bristow. Dieser gewährte ihm ein Darlehen unter einer Bedingung: alle anderen Jobs aufgeben und sich ganz auf Darts konzentrieren.
Wie viele andere herausragende Sportstars gilt Taylor im persönlichen Umgang als schwierig. Das bekommen vor allem seine Gegner zu spüren. Seine Interviews nach den Duellen sind legendär. Ausdrücke aus der Gossensprache sind darin genauso zu finden wie überhebliche Angebersprüche, die man sonst nur von Boxern vor einem großen Kampf hört. Seine Abneigung gegenüber seinem letzten und aktuellen Rivalen van Gerwen ist dafür beispielhaft.
Aufbrausend, überheblich, nervenstark
Auf seinem Weg zum Matchplay-Titel im vergangenen Juli hatte Taylor gegen van Gerwen gewonnen, aber im Interview danach zeigte er wenig Sympathie für den Gegner: Er sei überheblich und es werde Zeit für van Gerwen endlich erwachsen zu werden, so Taylor. "Das Publikum hat sich gegen ihn gestellt und das ist er nicht gewohnt. Damit war er nicht glücklich. Er war nicht mehr in seiner Komfort-Zone aber das Publikum wirft auch nicht die Darts für dich", sagte Taylor nach dem Match und ergänzte schadenfroh: "Er saß da und hat sich die Augen ausgeheult. Er hat bekommen was er verdient."
Der geschlagene Niederländer hat eine Theorie, warum die Duelle mit Taylor meistens mit markigen Sprüchen abseits der Dartscheibe enden: "Das hat seinen Ursprung in der großen Rivalität. Keiner von uns will verlieren. Wir versuchen immer zweihundert Prozent Leistung abzurufen." Vor wenigen Tagen gab es beim Grand Slam of Darts erneut ein Wortgefecht zwischen Taylor und van Gerwen. Diesmal van Gerwen im Halbfinale und machte sich nach dem Match über Taylors besserwisserische Art lustig. Taylor hatte zuvor Daryl Gurney besiegt und sich anschließend darüber beschwert, dass der ihm während des Matches kein Glas Wasser nachgefüllt habe. Nun gab es von van Gerwen die Retourkutsche.
Der Konkurrenzkampf zwischen den beiden spiegelt auch die Rivalität zwischen Großbritannien und den Niederlanden wider, der beiden erfolgreichsten Länder im Dartsport der letzten Jahre. Und so bietet die kommende WM die größtmögliche Abschiedsbühne für Phil Taylor. Aufgrund der Setzliste kann er erst im Finale auf van Gerwen treffen. Es wäre ein denkwürdiges Endspiel vor dem Karriereende.