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PolitikAfrika

Darum boomen private Sicherheitsfirmen in Afrika

Bettina Rühl
5. Juli 2021

Der UN-Sicherheitsrat wirft russischen Söldnern Menschenrechtsverletzungen in der Zentralafrikanischen Republik vor. Auch westliche Söldner und Firmen operieren in Afrika - oft reichlich intransparent.

Symbolbild Söldner in Afrika
Bild: AFP/Getty Images/M. Longari

März 2020: In der Wüste Malis patrouilliert ein Regiment der französischen Fremdenlegion. Die gepanzerten Fahrzeuge bewegen sich im gefährlichen Grenzgebiet zum Niger. Die Region ist ein Rückzugsraum islamistischer Kämpfer. Plötzlich fallen Schüsse, zwei Männer sind die Schützen. Sie springen von ihrem Motorrad und suchen Deckung. Die Fremdenlegionäre zielen auf beide Angreifer, die ihren Verletzungen wenig später erliegen.

In der Sahelzone kommt es immer öfter zu solchen Angriffen. Allein in Mali, Niger und Burkina Faso starben vergangenes Jahr mindestens 4800 Zivilisten durch Terroranschläge und ethnische Gewalt - zehn Mal so viele wie noch 2014.

Auslaufmodell Fremdenlegion

Im Rahmen der "Opération Barkhane" kämpft die französische Armee seit August 2014 in der Region gegen den islamistischen Terrorismus. Im Frühsommer 2021 waren 5100 Soldaten und Söldner im Einsatz. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, dass die meisten von ihnen noch 2021 abziehen sollen.

Frankreich will einen Großteil seiner Kämpfer aus der Sahelregion abziehenBild: AP Photo/picture alliance

Dass Frankreich im Sahel nicht nur eigene Soldaten einsetzt, ist selten ein Thema. Die heute gut 10.000 Kämpfer der Fremdenlegion stammen aus rund 150 Ländern. Sie eint, dass sie gerne in den Krieg ziehen, das Töten nicht scheuen, und damit Geld verdienen. Sie werden dabei - anders als Soldaten - von einem Staat bezahlt, der nicht ihre Heimat ist.

Die Fremdenlegion wurde 1831 gegründet. Inzwischen gilt sie als Auslaufmodell. Seit dem Ende der 1990er Jahre boomt allerdings eine neue Branche: Militär- und Sicherheitsfirmen. Deren Angebot reicht von der Radarüberwachung über Spionageflüge bis zum Fronteinsatz. Andere Firmen unterstützen die Streitkräfte zahlreicher Länder eher logistisch: bei der medizinischen Versorgung, in den Küchen und Wäschereien oder beim Nachschub an Lebensmitteln und Munition.

Vom Panzer bis zur Kalaschnikow

Manche Regierungen setzten diese Firmen ein, um sich ein Stück weit aus der Verantwortung zu stehlen, meint der Politikwissenschaftler Herbert Wulff, der sich auf Friedens- und Konfliktforschung spezialisiert hat. Das passiere "zum Beispiel, wenn es - wie in den USA oder auch Großbritannien - aufgrund der gefallenen Soldaten in Kriegen und Konflikten nicht sehr populär ist, eigene Soldaten einzusetzen", so Wulff. "Oder auch, wie im Fall Russlands, wenn man Ziele erreichen will - wie in der Ukraine beispielsweise - aber nicht die Verantwortung dafür als formal verantwortliche Regierung übernehmen will."

Russland hat enge Verbindungen zur Zentralafrikanischen RepublikBild: Imago/TASS/Russian Presidential Press and Information Office/M. Klimentyev

Eine Strategie, die der russische Präsident Wladimir Putin auch in Syrien und Afrika nutzt - zum Beispiel durch den Einsatz der privaten russischen Militärfirma "Wagner" in dem erdölreichen Bürgerkriegsland Libyen und der rohstoffreichen Zentralafrikanischen Republik. Russland hat seine offene und seine verdeckte Militärpräsenz in Afrika in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut.

Dazu hat das Land 19 Militärabkommen mit verschiedenen afrikanischen Staaten geschlossen, sagt Benno Müchler, der das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Demokratischen Republik Kongo leitet. "Einerseits bietet Russland Militärexpertise, also Beratung bei Strategien, bei Fragen der Rüstung, bei Fragen militärischer Aktion, andererseits aber auch ganz konkret militärisches Material", so Müchler. Das könne von Hubschraubern über Panzer bis zu Kalaschnikow-Gewehren alles sein.

Die Konkurrenz ist groß

Dabei stoßen Russland und russische Militäranbieter auf starke westliche Konkurrenz. Wobei deren Aktivitäten nicht transparenter sind als die Russlands. Im Mai 2018 tauchten in US-amerikanischen Medien Aufnahmen einer Drohne auf. Sie zeigen einen Vorfall aus dem Oktober 2017: Im westafrikanischen Niger gerieten US-Spezialkräfte und Soldaten der nigrischen Armee in einen Hinterhalt islamistischer Kämpfer. Vier US-Militärs und fünf nigrische Soldaten kamen uns Leben.

Vier US-Soldaten kamen 2017 im Niger ums LebenBild: picture alliance/AP Photo/L. Hiser/U.S. Army

Nur deshalb kam die starke Präsenz der US-Streitkräfte im Sahel überhaupt ans Licht - genauso wie die enge Verflechtung zwischen der US-Armee und privaten Militärunternehmen. Wie das US-Verteidigungsministerium berichtete, waren die zehn US-Soldaten mit einem sogenannten "intelligence contractor" im Einsatz gewesen, einem privaten Anbieter von Geheimdienstinformationen. Zu dessen Identität und Nationalität machte das Pentagon keine weiteren Angaben.

Wie die Drohnenaufnahmen zeigten, wurden die verwundeten Soldaten von einem zivilen Hubschrauber geborgen. Er gehörte dem Sicherheitsunternehmen Erickson. Allein für AFRICOM, das US-Miltärkommando für Afrika mit Sitz in Stuttgart, arbeiten in Nordafrika und im Sahel 21 amerikanische militärische Dienstleister. Dort verdienen außerdem etliche weitere Sicherheits- und Militärunternehmer ihr Geld.

Private Firmen als neue Auftraggeber

Ihre Auftraggeber sind immer häufiger keine Staaten, sondern private Unternehmen, für die sie beispielsweise Grundstücke, Ölanlagen oder Bergwerke sichern. Der Markt ist in den letzten Jahren immer unübersichtlicher geworden - trotz internationaler Bemühungen, den Einsatz solcher Firmen zu kontrollieren. Deren Ziel: Kriegsverbrechen durch mögliche Sanktionen zu verhindern, das Leben von Zivilisten zu schützen. Dabei sei die Lage gar nicht so kompliziert, meint der Völkerrechtler Marco Sassòli.

Auch die US-Armee hat eine große Präsenz in AfrikaBild: Emidio Josine/AFP/Getty Images

"Zumindest die Amerikaner haben als offizielle Politik, dass diese Firmen nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen sollen. Das Problem ist die Auslegung des Begriffes: Was ist eine direkte Teilnahme an den Feindseligkeiten?", so Sassòli. Die Firmen aber würden sagen: "Wir führen keinen Krieg, wir üben nur das individuelle Selbstverteidigungsrecht aus, oder Notwehr-Hilfe: Wenn Sie angegriffen werden, darf ich Sie auch verteidigen."

Derzeit gibt es auf internationaler Ebene zwei Ansätze, das Verhalten privater Gewaltanbieter zu regulieren: Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen bemüht sich schon länger um eine Konvention, die den Einsatz von Militärdienstleistern generell verbieten möchte. Völkerrechtler Marco Sassòli ist skeptisch: "Das ist so wie mit dem Krieg. Der Krieg ist ja auch verboten. Aber ich glaube nicht, dass man den durch eine Konvention, und dass man den durch Regeln des humanitären Völkerrechts nun eliminiert. Und damit ist eher die Frage, dass man einen regulatorischen Rahmen schaffen muss."

Auch daran wird gearbeitet. Auf Initiative der Schweiz wurde vor gut zehn Jahren mit dem sogenannten Montreux-Dokument ein internationaler Verhaltenskodex ins Leben gerufen. Private Sicherheitsanbieter sollen sich zertifizieren lassen, zur Einhaltung bestimmter Regeln verpflichten und sich gegebenenfalls einem Beschwerdeverfahren unterwerfen. Der Kodex bezieht Vertreter aus dem Sicherheitssektor, Nichtregierungsorganisationen und Regierungen mit ein. Bisher sind aber nur knapp hundert Unternehmen dem Kodex beigetreten. Und: Chinesische oder russische Firmen sind nach Angaben des Völkerrechtlers Sassòli gar nicht erst dabei.