Das Weiße Album der Beatles
1. Februar 2010
Eigentlich hieß das Doppel-Album, das am 22. November 1968 erschienen war, schlicht "The Beatles", doch das war irgendwie kein Titel für eine Schallplatte, also bürgerte sich schnell der Name "The White Album" ein. Nach den überbordend bunt gestalteten Artworks von "Sgt Pepper's" und "Magical Mistery Tour" war das Cover schlicht weiß gehalten: darauf der Schriftzug "The Beatles" und zumindest in den Anfangsjahren eine Seriennummer. Fünf Monate teils zermürbender Studioarbeit zwischen Mai und September 1968 ergaben 30 Songs, die die Beatles auf dem Höhepunkt ihres Schaffens zeigten und gleichzeitig das Ende der berühmtesten Band der Welt ankündigten.
Stilvielfalt statt Identität
Die Beatles zu Zeiten des Weißen Albums, das waren längst nicht mehr die vier Jungs, die in den Clubs von Liverpool und Hamburg gemeinsam Nacht für Nacht um ihr Leben spielten. Auch die Zeiten der Pilzköpfe, die die Welt im Sturm eroberten waren längst vorbei. Spätestens seit 1967 und dem Album Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band hatte es sich gezeigt, dass da vier Solo-Künstler am Werk waren, die nicht nur höchst unterschiedliche Charaktere hatten, sondern auch musikalisch immer mehr auseinander drifteten. Live traten die Beatles ohnehin nicht mehr zusammen auf. Das Weiße Album ist dementsprechend voll von Songs, denen man anhört, welcher Beatle sie geschrieben hat.
Längst waren nicht mehr immer alle Bandmitglieder gleichzeitig im Studio. Trommler Ringo Star blieb zeitweise den Sessions sogar fern. Auch beim berühmtesten Komponistenduo der Popgeschichte, Lenon/McCartney, hatte es inzwischen Krach gegeben. Gemeinsam Songs schreiben, das Geheimrezept des Beatles-Erfolges, war unmöglich geworden. In den Songtexten wurde sich sogar hin und wieder gegenseitig beleidigt. Schon seit Längerem experimentierten die Beatles mit verschiedenen Musikstilen doch mit dem Weißen Album begann die Sache allmählich zu zerfallen. Es gab Country-Songs wie "Rocky Raccoon", episches mit "Happiness is a warm gun", die raffinierten Harmonien von "Blackbird", die Erfindung des Hardrock bei "Helter Skelter" oder die avantgardistische Ton-Collage "Revolution 9".
Revolution bitte nur musikalisch
"Du sagst Du willst ´ne Revolution... Wir wollen doch alle die Welt verändern. Du erklärst mir, das sei der natürliche Gang der Dinge…. Aber wenn du von Zerstörung sprichst, weißt Du denn nicht, dass Du dann auf mich nicht zu zählen brauchst? Weißt Du denn nicht, dass schon alles irgendwie gut wird?"
Was John Lennon da auf dem weißen Album in dem Lied "Revolution 1" singt, macht deutlich: Die Beatles waren weit weg von den politischen Entwicklungen des Jahres 1968. Während in der westlichen Welt Studenten auf die Straße gingen und Parlamente besetzt wurden, weilten John, Paul, George und Ringo zum Meditieren in Indien. Die Beatlemania war kein Aufruhr, sondern nur ein Entertainment-Phänomen. Das Revolutionäre der Beatles geschah in der Musik, in den unsterblichen Melodien und ausgeklügelten Arrangements und nicht auf der Straße. Für den Straßenkampf waren die Stones zuständig.
Autor: Matthias Klaus
Redaktion: Sabine Oelze