Das Berliner Stadtschloss
6. Januar 2009Viele Fragen blieben offen, als am 19. September 1990 die Volkskammer der ehemaligen DDR den Palast der Republik geschlossen hat. Die Schließung des Palastes wegen Asbestbelastung führte zu einer regen Diskussion über die Zukunft des einstigen "Haus des Volkes" und seinen Standort auf der Spreeinsel im Zentrum von Berlin.
Sollte das Prestigeobjekt der DDR erhalten bleiben oder sollte das barocke Residenzschloss der preußischen Könige wieder aufgebaut werden? Welche Nutzung wäre an diesem Ort sinnvoll? Wie legitim wäre ein Schlossnachbau? Pro oder Kontra Wiederaufbau des Schlosses, das war die Frage.
1992 gründete Wilhelm von Boddien den Förderverein Berliner Schloss. Ein Jahr später ließ er eine Attrappe im Maßstab Eins zu Eins als Werbung für das Schloss errichten. Mit der Schlosskulisse erreichte die Diskussion um den Wiederaufbau des Schlosses 1993/1994 ihren ersten Höhepunkt. Befürworter äußerten, dass sie erst mit der Anschauung der Schlosskulisse die Umgebung verstanden hätten: das Zeughaus, das Alte Museum, der Berliner Dom. "Die Leute haben kapiert, wie das Schloss den Stadtraum prägte", erläutert Goerd Peschken, Autor des Buches Das Berliner Schloss (1982).
Wiederbelebung des historischen BerlinsNach der Wiedervereinigung spielte der Standort der Spreeinsel eine wichtige Rolle im Umzugskonzept der Bundesregierung von Bonn nach Berlin. Um Vorschläge zur städtebaulichen Weiterentwicklung der historischen Stadtmitte Berlins einzuholen, richteten Bundesregierung und Berliner Senat im Oktober 2000 ein Expertengremium ein, das anschließend Empfehlungen für die Nutzung, Gestaltung und Finanzierung eines neues Gebäudes auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Schlosses erarbeiten sollte.
Im Juli 2002 stimmte der Bundestag der Empfehlung der Expertenkommission mit deutlicher Mehrheit zu: An der Stelle des 1950 gesprengten Berliner Schlosses und des Palasts der Republik (Abriss 2006-2008) sollte ein den außereuropäischen Kulturen gewidmetes Zentrum entstehen. Der Neubau sollte sich an der Stereometrie des ehemaligen Schlosses orientieren und die barocken Fassaden an je drei Seiten außen und im Schlüterhof wieder aufnehmen. Die Gestaltung der Ostfassade des Neubaus Richtung Fernsehturm wurde den Architekten frei überlassen, der Wiederaufbau der Schlosskuppel dagegen später in die Vorgaben einbezogen. Die Kostengrenzen wurden vom Bundestag auf 552 Millionen Euro festgesetzt. Ende 2007 wurde aus den Kernpunkten der Expertenempfehlungen der Auslobungstext des Architektenwettbewerbs für das Schlossareal in Berlin.
Der Architektenwettbewerb für das Schlossareal
Am 28. November 2008 gab Bundesbauminister und Jurymitglied Wolfgang Tiefensee gemeinsam mit dem Juryvorsitzenden, Professor Vittorio Lampugnani, die Entscheidung der Preisrichter bekannt: Gewinner des zweistufigen Wettbewerbs für das Berliner Schlossareal war das Architekturbüro Francesco Stella aus dem italienischen Vicenza.
"Die architektonische Herausforderung bestand darin, unter Einhaltung der Vorgaben des Bundestags die Rekonstruktion der barocken Fassaden des 1950 gesprengten Schlosses mit einer zukunftsweisenden, zeitgemäßen Nutzung an diesem bedeutsamen Ort zu verbinden", sagte Tiefensee. Nur der Siegerentwurf entspreche "der hohen Anforderung, die wir mit dem Wettbewerb gestellt haben. Die weiteren Preisträger bieten zu einzelnen Aspekten interessante Teillösungen".
Tiefensee und Lampugnani würdigten an Stellas Gewinnerentwurf insbesondere die platzartige Eingangshalle, die Wiedergewinnung des Schlossplatzes, die Belvedere an der Ostseite und die neue städtebauliche Authentizität, die durch die Verbindung des Lustgartens mit der Stadt entstehe. Als Kontrast zu den historischen Fassaden hat Stella die Ostfront als schlichte Lochfassade überarbeitet und damit die Abgrenzung von Neu und Alt sichtbar gemacht.
Ein Forum für den Dialog der Kulturen
Das alte Schloss wird nun zum "Humboldt-Forum", einem Zentrum für den kulturellen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Austausch. Nach den Brüdern Wilhelm und Alexander von Humboldt benannt – einem intellektuellen Staatsmann und einem Naturwissenschaftler – soll das Humboldt-Forum seinen Namen zum Programm machen.
Die Hauptnutzfläche von 40.000 m² soll von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Humboldt-Universität und der Zentral- und Landesbibliothek genutzt werden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird im Humboldt-Forum ihre außereuropäischen Sammlungen aus den Museen in Berlin-Dahlem unterbringen. Außerdem ist ein zentraler Eingangs- und Veranstaltungsbereich im Erd- und Untergeschoss, eine so genannte Agora, für bis zu 15.000 Besucher täglich vorgesehen.
Die Bauarbeiten für das Humboldt-Forum sollen 2010 beginnen und spätestens 2015 abgeschlossen werden. Nach dem Abriss des Palastes der Republik soll zunächst die Fläche begrünt werden. Eine temporäre Kunsthalle, der internationalen Kunst gewidmet, wurde bereits im Oktober 2007 am Platz eröffnet.
Kritik am Siegerentwurf
Als einziger Vertreter der Opposition saß der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland als geladener Gast mit Beobachter-Status in der Jury. Im Interview mit der Deutschen Welle erklärte Wieland, die "herkömmlich gemachten Fassaden des Entwurfs" mit flexiblen Innenräumen und damit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten hätten viele überzeugt, inklusive der Schlossfreunde, die erhofften, dass am Ende die historischen Innenräume wieder errichtet würden.
Für Wieland selbst aber geht in Stellas Entwurf der Agora-Bereich fast vollständig unter, ebenso "die Begehbarkeit von West nach Ost oder von Ost nach West". Insgesamt sei der Gewinnerentwurf eine sanfte Ergänzung des alten Schlosses, ohne ihn in der Innengestaltung zu überzeugen.
Das neue Schloss: Schein oder Sein?
Laut der Abteilung Stadtentwicklung der Stadt Berlin war das Stadtschloss nie der herausragende politische Entscheidungsort Preußens. Die Macht war, wo der Monarch war. Dem König stand ein ganzer Fächer von Residenzschlössern in und um Berlin zur Verfügung. Als Ort der Inszenierung königlicher Macht aber hatte das Berliner Schloss einen hohen symbolischen Wert.
Seit Mitte des 15. Jahrhunderts war das Schloss durch Erweiterungen und Innenausbauten zu einem Labyrinth aus 1210 Räumen gewachsen. Vor allem die barocke Erweiterung durch den Hofarchitekten Andreas Schlüter um 1700 prägten seine Gestalt. Der damalige Umbau habe vor allem auf absolutistische Repräsentation gezielt, erklärt die Berliner Behörde.
Das Vorhaben, die drei barocken Fassaden und den Schlüterhof originalgetreu wiederherzustellen, wurde von den Gegnern des Wiederaufbaus als "reine Kulissenarchitektur" des neuen Schlosses kritisiert. Adrian von Buttlar, Vorsitzender des Landesdenkmalrats und Professor für Kunstgeschichte an der TU Berlin, sprach von einem "geklonten Schloss", das zu einer "bereinigten Version" der preußischen Geschichte zur Identitätsstiftung benutzt werde. Der Wissenschaftler hatte den Abriss des Palastes der Republik kritisiert und sich für die Bewahrung der jüngeren geschichtlichen Spuren in der Hauptstadt ausgesprochen.