Wer wird am Ende die Hände hochreißen? Das ist die große Frage beim 29. Europäischen Filmpreis. In der Königs-Kategorie "Bester Spielfilm" sind fünf Filme nominiert - unter anderem Ken Loach und sein Sozial-Drama "Ich, Daniel Blake".

Werden diese beiden wieder das Nachsehen haben? Bei den Filmfestspielen in Cannes hatte Maren Ades Komödie "Toni Erdmann" noch den Kürzeren gezogen im Rennen um die Goldene Palme und war Ken Loach unterlegen. Bei den Europäischen Filmpreisen gilt sie nun als Favoritin. Peter Simonischek und Sandra Hüller würde es vermutlich freuen.

Nummer drei unter den fünf nominierten Filmen in der Königsdisziplin ist Pedro Almodóvars "Julieta". Allgemein erwartet wird ein Zweikampf zwischen Ken Loach und Maren Ade. Doch Almodóvar ist immer für eine Überraschung gut. Das Melodrama "Julieta" gilt als sein stärkster Film seit langem.

Außenseiterchancen hat Paul Verhoevens Thriller "Elle" mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle. Die Französin spielt im Vergewaltigungsdrama des holländischen Regisseurs eine resolute Geschäftsfrau, die nach einem sexuellen Übergriff versucht, den Täter selbst zur Strecke zu bringen.

Schließlich bewirbt sich auch noch das irisch-kanadische Drama "Room" um einen Europäischen Filmpreis. "Room" ist hierzulande vor allem bekannt durch die überraschende Oscarauszeichnung für Hauptdarstellerin Brie Larson. Der Film erzählt von einer Mutter und ihrer kleinen Tochter, die jahrelang in einem kleinen Zimmer eingesperrt sind.

Wie bei den Golden Globes gibt es auch beim Europäischen Filmpreis eine Unterscheidung zwischen "Bester Spielfilm" und "Beste Komödie". In dieser Kategorie sind drei Werke europäischer Filmemacher nominiert. Deutschland wird von der Hitler-Persiflage "Er ist wieder da" in der Endauswahl vertreten. David Wnendts Film tritt gegen Konkurrenz aus Schweden und Frankreich an.

Falls "Toni Erdmann" beim Hauptpreis unterliegen sollte, hat Schauspielerin Sandra Hüller noch eine zweite Sieg-Chance. Die Deutsche ist in der Kategorie "Beste Darstellerin" nominiert und tritt u.a. gegen Isabelle Huppert und die Dänin Trine Dyrholm an, Letztere hatte für ihren Auftritt in "Die Kommune" in diesem Jahr den Silbernen Bär bekommen.

Auch bei den Schauspielern hat ein Deutscher gute Chancen. Burghart Klaußner ist für seinen überzeugenden Auftritt als Staatsanwalt und NS-Jäger im Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" nominiert. Dort sind Hugh Grant und der Spanier Javier Cámara seine Hauptkonkurrenten.

Bei den 29. Europäischen Filmpreisen werden aber nicht nur Spielfilme prämiert. Auch Dokumentarfilme stehen zur Auswahl. Als Favorit gilt hier die italienische Dokumentation "Fuocoammare" über das Flüchtlingselend im Mittelmeer. "Seefeuer" (dt. Titel) hatte im Februar schon den Goldenen Bären gewonnen.

Während in den Hauptkategorien die Sieger erst am Abend des 10. Dezember bekanntgegeben werden, stehen einige Gewinner schon fest. Zwei Europäische Filmpreise sicher hat bereits das deutsch-dänische Kriegsdrama "Unter dem Sand", das in den Kategorien bestes Masken - und bestes Kostümbild gewonnen hat.

Auch dieser Herr darf sich schon im Vorfeld der Verleihung freuen. Der irische Schauspieler Pierce Brosnan wird in diesem Jahr mit dem Ehrenpreis fürs Lebenswerk ausgezeichnet. Brosnan ist natürlich vor allem als James-Bond-Darsteller weltberühmt. Gespielt hat er aber auch vor- und nachher - und das in allen Genres. Auch als Komödiant bewies er Talent - wie hier in Tim Burtons "Mars Attacks!".

Der zweite Ehrenpreis fürs Lebenswerk geht an den französischen Drehbuchautor Jean-Claude Carrière. Das europäische Kino wäre ohne diesen ungemein phantasiereichen eleganten Schriftsteller anders verlaufen. Carrière verfasste die literarischen Vorlagen für viele berühmte Filme, vor allem für Luis Buñuel, schrieb aber zum Beispiel auch das Drehbuch für Volker Schlöndorffs "Blechtrommel"-Verfilmung.

In diesem Jahr findet die Preis-Gala in der europäischen Kulturhauptstadt, dem polnischen Breslau, statt. Der Europäische Filmpreis wird seit 1988 von der Europäischen Filmakademie an wechselnden Orten vergeben. Auch im 29. Jahr kann er es in Sachen Popularität nicht mit dem Oscar aufnehmen - was nicht an der Qualität der Filme liegt!