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Das Blaue vom Himmel

Bahaeddin Güngör3. November 2002

Wenn bloße Worte ein Käseschiff antreiben, wie der türkische Volksmund sagt, dann könnte das Käseschiff "Türkei" bald wie ein Schnellboot davonbrausen: An aberwitzigen Wahlversprechen haben die Parteien keinen Mangel.

Politiker reden viel, wenn der Tag lang ist ...Bild: AP

Am 3. November wird sich zeigen, ob sich das türkische Wahlvolk tatsächlich von marktschreierischen Parolen verführen lässt. Beispiele gibt es genug: Die frühere Ministerpräsidentin Tansu Ciller kündigt an, ihre konservative Partei des Rechten Weges (DYP) komme "mit 225 Milliarden Dollar an die Macht". Eine Summe, die die In- und Auslandsschulden der Türkei auf einen Schlag begleichen und zusätzlich eine stattliche Rücklage ermöglichen würde. Der frühere Istanbuler Bürgermeister Recep Tayyip Erdogan verspricht, seine reformistisch-islamistische Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) würde "15.000 Kilometer Straßen mit jeweils zweispurigen Fahrbahnen in beide Richtungen bauen".

Bei einer einfachen Rechnung, nach der ein Kilometer einer solchen Straße rund eine bis 1,5 Millionen US-Dollar kostet, wären dafür 15 Milliarden Dollar zu berappen. Erdogan gibt potentielle Geldquellen dafür ebenso wenig preis wie Deniz Baykal von der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP) für sein tollkühnes Projekt, sofort eine Million Arbeitsplätze zu schaffen. Nach den Statistiken des türkischen Staatsplanungsamtes kostet ein Arbeitsplatz etwa 60.000 Dollar.

Worthülsen und Begriffsgeklingel

Im Reigen der utopischen und unseriösen Versprechen verdienen die des Medienmoguls Cem Uzan besondere Aufmerksamkeit: Wenn Uzans nationalistisch-islamistisch angehauchte Junge Partei (GP) die Regierungsverantwortung übernehmen sollte, dann würde die Zahl der Provinzen von 81 auf 250 erhöht und die Mehrwertsteuer ersatzlos gestrichen.

Und es kommt noch besser: Wer kein Haus oder kein Wohnungseigentum hat, dem soll mit staatlichen Geldern dazu verholfen werden. Schulbücher an Grundschulen sollen umsonst sein, und der Internationale Währungsfonds (IWF) werde mitsamt seines Sparkorsetts "davongejagt". Ob ein solcherart "davon gejagter" IWF vor lauter Angst dann auch auf die bisher an die Türkei vergebenen rund 30 Milliarden Dollar verzichten würde? Dazu sagt Uzan natürlich nichts. An glaubwürdigen Rezepten zur Überbrückung der Wirtschaftskrise herrscht in der Türkei in Wahlkampfzeiten noch größerer Mangel als ohnehin schon.

Die 42 Millionen Stimmberechtigten, einschließlich der vier Millionen Jungwähler, erfahren nicht, wie die Arbeitslosigkeit tatsächlich abgebaut, die Korruption bekämpft und Verarmungsprozesse gestoppt werden sollen. Kein Wunder, dass eine echte Modernisierungsstrategie gar nicht erst vorgelegt wird, sondern immer wieder bloß von einer "zeitgenössischen Türkei" die Rede ist. Der Begriff bleibt schwammig in der Luft hängen. Die Parteien präsentieren sich zwar in Form ihrer gewieften charismatischen Führer, aber vertrauenswürdige Köpfe mit Fachkompetenz sind weit und breit nicht in Sicht.

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