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Das Dilemma von Nationaltorwart Marc-André ter Stegen

Stefan Nestler
12. August 2025

Der Streit zwischen dem FC Barcelona und Marc-André ter Stegen ist vorerst beigelegt, der deutsche Torwart lenkt ein. Einen echten Gewinner gibt es nicht. Beide Seiten haben ihre eigentlichen Probleme nicht gelöst.

Ter Stegen hält - wieder mit Kapitänsbinde - die Ansprache an die Fans des FC Barcelona
Ter Stegen durfte - wieder mit Kapitänsbinde - die Ansprache an die Fans haltenBild: Urbanandsport/NurPhoto/IMAGO

Wenige Tage zuvor sah es noch aus, als sei der Riss zwischen dem FC Barcelona und dem deutschen Nationaltorwart Marc-André ter Stegen nicht mehr zu kitten. Der spanische Verein hatte die große Keule geschwungen: Disziplinarverfahren, Entzug der Kapitänsbinde, nicht einmal eine Rückennummer hatte der 33-Jährige noch. Das sei "Mobbing am Arbeitsplatz", kommentierte die spanische Sportzeitung "Marca".

Dann die Kehrtwende: Ter Stegen stimmte am Freitag zu, dass Barça seine Krankenakte an die medizinische Kommission der spanischen Liga weiterleiten dürfe. Und schon verwandelte sich die Wut der Vereins-Oberen nach außen hin in Friede, Freude, Eierkuchen. Ter Stegen durfte am Sonntag anlässlich des bevorstehenden La-Liga-Saisonstarts sogar die obligatorische Ansprache des Kapitäns an die Fans halten.

"Für mich persönlich war es wichtig, die Angelegenheit zwischen dem Verein und mir zu klären - und jetzt ist es an der Zeit, nach vorne zu schauen", sagte der Torwart. Und auch Vereinspräsident Joan Laporta gab sich versöhnlich. "Marc ist unser Kapitän, die Angelegenheit ist geklärt", sagte Laporta, der nach spanischen Medienberichten zuvor geradezu vor Wut geschäumt hatte.

Barcelona setzt auf langen Ausfall ter Stegens

Was war geschehen? Zunächst hatte Barcelona für eine Ablöse von 25 Millionen Euro den 24 Jahre alten Torwart Joan Garcia vom Stadtrivalen Espanyol als neue Nummer eins zwischen den Pfosten verpflichtet und außerdem den Vertrag mit dem polnischen Torwart Wojciech Szczesny bis 2027 verlängert. Barças deutscher Trainer Hansi Flick hatte durchblicken lassen, dass ter Stegen künftig nur noch die Nummer drei sei.

Dann verkündete der Torwart - wohl ohne Rücksprache mit dem Verein - via Social Media, dass er wegen einer neuerlichen Rückenoperation drei Monate lang nicht spielen könne. Damit bremste der 33-Jährige seinen Arbeitgeber aus. Denn der FC Barcelona hat mehr als eine Milliarde Euro Schulden, dazu kommt noch der teure Umbau des Stadions. Die Folge: Der Verein darf wegen der "Financial Fair Play”-Regeln der Liga nur begrenzt Geld für neue Spieler ausgeben.

Damit der Liga-Verband den Transfer Garcias genehmigt, hatte Barcelona darauf gesetzt, dass ter Stegen nicht nur drei, sondern mindestens vier Monate ausfällt. In diesem Fall darf der Verein die Hälfte des Gehalts, das der Verletzte verdient, für einen neuen Spieler ausgeben. Fällt jemand fünf Monate oder länger aus, erhöht sich dieser Prozentsatz sogar auf 80 Prozent.

Und genau das steht im Attest der Vereinsärzte. Mit anderen Worten: Barcelona wollte ter Stegens Ausfall nutzen, um dessen auserkorenen Nachfolger unter Vertrag nehmen zu können. Da sich der Schlussmann zunächst jedoch weigerte, seinen Verletzungsbericht an La Liga weiterzugegeben, lag der Garcia-Transfer auf Eis.

Nagelsmann fordert: Ter Stegen braucht Spielpraxis

Diese Kuh ist nun vom Eis. Garcia kann am Samstag beim La-Liga-Eröffnungsspiel von Barça bei RCD Mallorca wahrscheinlich wie geplant das Tor des spanischen Meisters und Pokalsiegers hüten. Doch das grundsätzliche Problem bleibt: Der Verein würde ter Stegen, der bereits seit 2014 für den Klub spielt, gerne von seiner Gehaltsliste streichen. Doch dessen gut dotierter Vertrag läuft noch bis 2028.

Auf der anderen Seite kann es sich der deutsche Nationaltorwart aus sportlicher Sicht nicht leisten, seinen Vertrag beim spanischen Renommierklub einfach nur "auszusitzen". 

Bundestrainer Julian Nagelsmann versicherte, dass er mit ter Stegen für die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko plane. Aber nur unter Bedingungen: "Er ist die Nummer eins, wenn er gesund und im Verein die Nummer eins ist. Das weiß er."

Da sich an ter Stegens eher schlechten sportlichen Perspektive bei Barcelona wohl nichts mehr ändert, wird sich der Nationaltorwart wohl spätestens im Winter einen neuen Klub suchen müssen, will er seinen WM-Start nicht aufs Spiel setzen.