1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Duell der Xhaka-Brüder

Sarah Wiertz10. Juni 2016

Am 11. Juni spielt die Schweiz gegen Albanien. In beiden Teams spielen Doppelstaatsbürger, die für beide Teams hätten auflaufen könnten. Für die Xhaka-Brüder Granit und Taulant ist die Partie besonders emotional.

Schweiz Fußballer Taulant Xhaka und Granit Xhaka in Basel
Die Xhaka-Brüder Granit (r.) und Taulant (l.) stehen bei der EM für zwei verschiedene Nationen auf dem PlatzBild: picture alliance/KEYSTONE/G. Kefalas

Granit Xhaka hätte das Duell am liebsten vermieden. Er, im Trikot der Schweiz, trifft bei der Fußball-Europameisterschaft auf seinen Bruder Taulant, der für Albanien aufläuft. "Das ist das Letzte, was wir uns gewünscht haben - dass wir gegeneinander spielen", so der Kapitän des Bundesligaklubs Borussia Mönchengladbach. Es ist gleich das erste Vorrundenspiel der beiden Teams, am 11. Juni.

"Am besten fliegen wir beide nach zwei Minuten vom Platz und dann wird's einfacher", scherzt Granit. Sowohl er als auch Bruder Taulant sind als Hitzköpfe bekannt, die auch mal vorzeitig vom Platz geschickt werden. Im März 2012 haben die beiden schon einmal in unterschiedlichen Teams gegeinander gespielt. Aber das war in der Schweizer Liga. Damals spielte Granit noch für den FC Basel, Taulant war an Grashopper Zürich ausgeliehen. "Das war schon ein komisches Gefühl", meint Xhaka rückblickend. "Aber jetzt ist es noch spezieller. Bei der EM gegen seinen eigenen Bruder zu spielen, ist nicht einfach."

Flucht vor dem beginnenden Bürgerkrieg

Für die ganze Familie ist diese Partie etwas ganz Besonderes. Vater Ragip saß als Student drei Jahre im Gefängnis von Pristina, weil er sich Protesten gegen die sozialisitische Regierung Jugoslawiens angeschlossen hatte. 1990 flohen die Eltern dann vor dem beginnenden Bürgerkrieg aus dem Kosovo in die Schweiz. "Wir sind beide in Basel geboren und aufgewachsen, haben den Kosovo erst mit zwölf Jahren zum ersten Mal gesehen", erklärt Granit.

Seit der Krieg zu Ende ist, hat die Familie Xhaka "eigentlich jeden Sommer und Winter Urlaub im Kosovo gemacht. Bei meinen Großeltern und anderen Familienangehörigen." Eine doppelte Staatsbürgerschaft - wie Granit und Taulant Xhaka - besitzen viele Sportler, viele Fußballer. Wenn sie ihren Sport für ein Land ausüben wollen, müssen sie irgendwann eine Entscheidung treffen.

Im Nati-Dress: Granit XhakaBild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

"Ich bin ja nicht der einzige Albaner, der im Nationalteam der Schweiz spielt. Es gibt auch sechs andere und für die ist das Spiel auch sehr speziell", sagt Granit, die Schweizer Nummer zehn. Er hat während der WM-Qualifikation 2014 bereits zweimal gegen Albanien gespielt, zweimal ging die "Nati" als Sieger vom Platz. Taulant, anderthalb Jahre älter, war damals noch nicht für Albanien dabei.

"Es tat weh, von meinen Landsleuten ausgepfiffen zu werden"

"Mein Bruder kennt das Gefühl nicht, wie es ist, wenn man gegen eine Nation spielt, der man viel zu verdanken hat. Ich kenne das. Es ist ehrlich gesagt ein Scheißgefühl", erzählt Granit. Es sei sehr emotional gewesen und viele Leute hätten nicht verstehen können, warum er sich damals für die Schweiz entschieden habe. "Es tat weh, von meinen Landsleuten ausgepfiffen und teilweise sogar beleidigt zu werden."

Taulant Xhaka (vorne, 2. v. l.)hat sich für das albanischen Team entschieden, das erstmals bei einer EM dabei istBild: picture-alliance/dpa/A. Babani

Verwunderlich ist, dass der eine Bruder für das eine und der andere für das andere Land spielt. Das hat allein pragmatische Gründe, erklärt Granit: "Bei mir war es so, dass Albanien damals kein Interesse hatte und die Schweiz schon. Und bei meinem Bruder war es genau anders herum. Deshalb haben wir uns so entschieden."

WM 2010: Jerome gegen Kevin-Prince Boateng

Bei Fußball-Weltmeisterschaften hat es schon einige Brüder-Duelle gegeben. So trafen beispielsweise bei der Weltmeisterschaft 2010 in der Vorrunde Deutschland und Ghana aufeinander - Jerome Boateng spielte für das deutsche Team, Halbbruder Kevin-Prince trat für Ghana an. Bei einer Europameisterschaft mussten jedoch bisher nie Geschwister gegeneinander spielen.

Dass es nun erstmals bei der EM zum Bruder-Duell der Xhakas kommt, ist auch ein Symbol für die politischen Verwerfungen in Europa während der vergangenen 25 Jahre. Die Ironie dabei ist, dass die beiden Xhakas vermutlich schon sehr bald in ein und derselben Nationalmannschaft spielen werden: der des Kosovo.

Kosovo - neues Fußballmitglied

Nach der Europäischen Fußball-Union (UEFA) hat nun auch der Weltverband (FIFA) etwa einen Monat vor der EM in einem umstrittenen Urteil beschlossen, den Kosovo als Mitglied aufzunehmen und als eigenständigen Fußballverband anzuerkennen. Alle Kosovo-Albaner sind damit für ihre Nationalmannschaft spielberechtigt, unabhängig davon, für welche Nation sie bislang aufgelaufen sind. Eventuell könnte das Team bereits an der Qualifikationsrunde zur Weltmeisterschaft 2018 teilnehmen, die im September beginnt.

Bald wieder zusammen, wie einst beim FC Basel?Bild: Imago/EQ Images/R. Aeschbach
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen