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Politik

Das dunkle Erbe des NSU

Ben Knight kk
11. August 2018

Mit dem Prozess-Ende zu den Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ist ein weiterer Schritt der juristischen Aufarbeitung getan. Doch unter rechten Sympathisanten genießt die Zelle weiterhin Bewunderung.

Hooligan-Demo in Hannover 15.11.2014
Bild: Getty Images/A. Koerner

Die Nachricht ist alarmierend: Verbrechen, die mit der neonazistischen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zusammenhängen, sind einer am Freitag veröffentlichten Statistik der Bundesregierung zufolge gestiegen.

Seit Aufdeckung der Zelle im Jahr 2011 wurden fast 360 Straftaten registriert, bei denen sich die Täter auf die Morde des NSU beriefen und diese verherrlichten. In vielen Fällen wurden Gedenktafeln oder Bänke für die Opfer der Gruppe zerstört oder gestohlen. Dies war etwa in Zwickau der Fall, wo sich die Mitglieder der Zelle für mehrere Jahre unerkannt aufhielten. Im Februar 2017 wurde in Rostock ein Gedenkort mit Farbe überschüttet. 2018 malten Neonazis in Rostock am Ort eines NSU-Mordes ein Herzchen mit der Aufschrift "NSU".

Die Statistik listet weitere Verbrechen auf. So etwa Gewaltandrohungen, Hassreden und die Verleumdung der Erinnerung an Verstorbene, wie das Innenministerium in seiner Antwort auf eine offizielle Informationsanfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner erklärte.

Stärkerer Bezug auf den NSU

Sie beobachte seit geraumer Zeit, dass der NSU und seine Verbrechen in der Nazi-Szene aufgegriffen würden, sagt Caro Keller von NSU-Watch, einem gegen neonazistische Gruppen gerichteten Bündnis. "Bei rassistischen Angriffen hört man Sätze wie 'Dich wird der NSU als nächstes bekommen'", so Keller im Gespräch mit der DW. "Wir haben den Eindruck, die Szene sehe sich zunehmend ermutigt, sich auf den NSU zu beziehen."

Zweifel bleiben: Proteste in Berlin nach dem Urteil im NSU-Prozess, Juli 2018Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Auffällig sei, dass Verbrechen im Zusammenhang mit NSU-Morden meist anlässlich in der Szene bekannter Jahrestage oder im Umfeld neuer Gedenkstätten verübt würden.

Ministerium: NSU-Bewunderung ohne Auswirkungen

Auf Anfrage räumte das Ministerium zudem ein, dass die tatsächliche Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit dem NSU noch größer als bislang angenommen sein könnte. Der Grund: Es gibt keine spezifische "NSU"-Kategorie in den Statistiken. So kommt es darauf an, ob ein Polizist den Bezug einer rechten Straftat zum NSU meldet oder nicht. Die derzeit bekannten Zahlen sind damit in gewisser Weise ein Zufallsprodukt. Keines der im NSU-Kontext verübten Verbrechen führte in den Jahren zu einer Verurteilung.

Das Ministerium wies zudem alle Annahmen zurück, der NSU habe die Neonazi-Szene inspiriert oder Nachahmer animiert, vergleichbare Taten zu begehen.

Weder der NSU selbst noch der Prozess gegen die im vergangenen Monat verurteilte Beate Zschäpe, die einzig Überlebende des Nationalsozialistischen Untergrunds, hätten größere Auswirkungen auf das rechtsextreme Spektrum erkennen lassen, so das Bundesinnenministerium. Mit Ausnahme einiger isolierter Aussagen gebe es zudem keine Anzeichen für eine breite Akzeptanz der NSU-Verbrechen, so das Ministerium weiter. Die derzeitige Neonazi-Szene sehe den NSU-Prozess vielmehr als "kontraproduktiv" für ihre politische Arbeit.

Gedenken an die Opfer: Trauermarsch in München, Juli 2018Bild: picture-alliance/dpa/L. Mirgeler

"Realitätsferne Annahme"

Die Linken-Abgeordnete Martina Renner reagierte auf die Antwort des Bundesinnenministeriums deutlich. Sie beschuldigte die Regierung, den NSU "vorsätzlich herunterzuspielen". Tatsächlich habe die rechte Szene den Prozess sehr genau verfolgt. Die NSU-Verbrechen hätten zudem eine starke Resonanz unter den Neonazis in ganz Deutschland, so die Bundestagsabgeordnete in einer E-Mail an die DW.

Auch Caro Keller ist über die Antwort der Regierung erstaunt. Die Annahme, der NSU habe überhaupt keinen Einfluss auf die Neonazi-Szene, sei einfach realitätsfern, so Keller im DW-Gespräch. Es sei ihr unverständlich, wie man zu der Annahme kommen könne, dass sich die Neonazis sogar vom NSU distanziert hätten. Das Gegenteil sei richtig, so Keller: Der NSU werde in Texten von Neonazis oft erwähnt. Sie und ihre Gruppe hätten Demos gesehen, wo NSU-Maskottchen Eingang in Videos fänden, in denen die Auftretenden mit den Verbrechen des NSU prahlten.

Fatales Signal

Zudem sende die Tatsache, dass es im Zusammenhang mit den Verbrechen, über die ihre Gruppe in den vergangenen Jahren Auskunft erbeten habe, keine einzige Verurteilung gegeben hat, ein weiteres fatales Signal an die Neonazi-Szene, sagte Renner. Neonazis im ganzen Land hätten Unterstützung und Sympathie für die vier im vergangenen Monat ebenfalls verurteilten Unterstützer des NSU zum Ausdruck gebracht. Zudem habe die Neonazi-Szene Geld für die Familie von Ralf Wohlleben gesammelt. Er hatte die Waffe beschafft, mit der die meisten NSU-Opfer ermordet wurden.

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