"Das eigentliche Ziel ist der Sturz Gaddafis"
21. März 2011Die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" kommentiert am Montag (21.03.2011), dass sowohl die USA als auch Europa zu unentschlossen im Libyen-Konflikt agiert hätten:
"Die Art und Weise, wie sich die westliche Welt von Beginn dieses Konflikts an verhalten hat, macht perplex. US-Präsident Barack Obama hat mit seinem Schwanken in den Wochen vor der jetzigen Intervention eine peinliche strategische Unentschlossenheit an den Tag gelegt. Der Führer der westlichen Welt dürfte sich so etwas nicht erlauben. Und Europa ist wie gewöhnlich in Augenblicken der Krise vorgegangen, es ist in Stücke zersprungen. Deutschland ist nicht Luxemburg. Und die Tatsache, dass es sich außen vor hält, macht nun endgültig klar, dass Europa nicht über eine Führungskraft verfügt, die angesichts der Tragweite der Herausforderungen auf der Höhe der Zeit wäre."
Für die "Neue Zürcher Zeitung" hat sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy als Krisenmanager positiv hervorgetan:
"Die Tatsache, dass Frankreich und nicht die USA mit den Luftschlägen begann, hat praktische, symbolische und politische Bedeutung. Symbolisch ist sowohl für Europa als auch für die arabische Welt wichtig, dass das französisch-britische Gespann ziehen kann und nicht immer hinter den USA hertrotten muss. Innen- und außenpolitisch ist es Sarkozy schliesslich gelungen, sich als Hüter humanitärer Rechte, Mann der Tat und - erneut - als Europas Krisenmanager ins Licht zu rücken. Noch vor wenigen Wochen lag seine Nordafrika-Politik wegen verschlafener Entwicklungen in Tunesien und Ägypten in Scherben. Mit Verantwortungs- und Spürsinn hat er Frankreich, Europa und sich selber eine bessere Rolle verpasst."
Die britische Zeitung "The Times" sieht es als essentiell an, Gaddafi so schnell wie möglich zu stoppen:
"Es wird schwierig sein, das letzte Ziel dieser Militäraktion zu erreichen. Gaddafi hat gezeigt, dass er bereit ist, seine Bevölkerung brutal und blutig zu unterdrücken. Die UN-Entschließung ist eine humanitäre Mission mit dem Ziel, eine Ablösung des Regimes zu erreichen. Gaddafis Verhalten zeigt, dass eine humanitäre Mission nicht möglich ist, solange er an der Macht bleibt und weiterhin Gewalt anwendet. Am besten wäre es, wenn die Rebellen in Libyen einen Rücktritt Gaddafis erreichen könnten, während die Luftstreitkräfte der Alliierten die Kampfflugzeuge und die Artillerie Gaddafis in Schach halten. Es darf keine Zeit verschwendet werden, Gaddafi muss so schnell wie möglich gestoppt werden."
Die Pariser Zeitung "Le Figaro" schreibt, dass es wohl erst eine einhellige Zustimmung für den Militäreinsatz in Libyen geben wird, wenn er erfolgreich beendet ist:
"Je mehr Zeit verstreicht, desto größer wird das Risiko, dass durch die Luftangriffe der Alliierten auch Zivilisten getötet werden können. Frankreich zeigt im Schulterschluss mit Großbritannien die größte Entschlossenheit. Die USA sind vorsichtiger und sagen, man wolle nicht Gaddafi von der Macht vertreiben. Und die Arabische Liga kritisiert bereits, dass man sich auf eine Flugverbotszone beschränken sollte. Letztendlich wird es erst allgemeine Zustimmung für diesen Krieg geben, wenn er gewonnen wird. Um eine Versandung des Konflikts und eine Gefahr der Spaltung des Landes zu vermeiden, sollten die Aufständigen die Unterstützung nutzen, um sich zu organisieren, eine Offensive zu starten und selbst ein neues Regime in Tripolis installieren. Hoffentlich sind sie dazu in der Lage."
Die Zeitung "El Mundo" aus Madrid kritisiert, dass jeder die UN-Resolution so interpretiere wie es ihm passt:
"Es dürfte niemanden überraschen, dass die USA und ihre Verbündeten es bei der Schaffung einer Flugverbotszone nicht bewenden lassen. Dieser Begriff ist längst zu einem Euphemismus geworden. Die militärischen Aktionen gehen über den Schutz der Zivilbevölkerung weit hinaus. Das eigentliche Ziel ist der Sturz Gaddafis. Allerdings ist es fraglich, ob dies ohne den Einsatz von Bodentruppen erreicht werden kann. Russland und die Arabische Liga beklagen, es habe bei den Bombardements viele Opfer in der Zivilbevölkerung gegeben. In Libyen droht ein echter Krieg. Jeder interpretiert die UN-Resolution nach seinen Interessen."
Zusammengestellt von Marco Müller
Redaktion: Diana Hodali