Das Ende des Endlager-Streits?
9. April 2013Nach rund 35 Jahren Streit um die Eignung des niedersächsischen Salzstocks Gorleben als mögliches Atommüll-Endlager ist ein Durchbruch in Sicht: Vertreter von Bund und Ländern zeigten sich optimistisch, dass an diesem Dienstag bei einer Spitzenrunde in Berlin die Entscheidung über einen Neustart bei der Endlagersuche fällt. Gelingt ein Durchbruch tatsächlich, soll ein Endlagersuchgesetz bis spätestens Anfang Juli von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
Vor dem Spitzentreffen machte Bundesumweltminister Peter Altmaier deutlich, dass er auf einen parteiübergreifenden Konsens setzt. Im ARD-Morgenmagazin sagte er am Dienstag, die vereinbarte Enquete-Kommission, die Kriterien für ein mögliches Endlager festlegen soll, solle "einvernehmlich besetzt" werden. Ihr sollten Wissenschaftler, Aktivisten der Anti-Atombewegung, Gewerkschafter und Abgeordnete angehören: ein "breiter Querschnitt der Bevölkerung".
Die Kommission solle sich mit einer Zweidrittelmehrheit "zusammenraufen" und werde dann "durch ihre politische Autorität wirken". Angestrebt sei, "dass am Ende das Ergebnis von der Bevölkerung mit getragen wird". Außerdem solle die Endlagersuche aus dem Bundestagswahlkampf herausgehalten werden.
1.000.000 Jahre!
Seit 1977 gab es in Deutschland eine einseitige Konzentration auf Gorleben, nun soll - ausgehend von einer "weißen Landkarte" - bundesweit gesucht werden. Im entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums heißt es: "Ziel des Standortauswahlverfahrens ist, in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren für die im Inland verursachten (...) radioaktiven Abfälle den Standort für eine Anlage zur Endlagerung (...) in der Bundesrepublik Deutschland zu finden, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet."
Bis Ende 2015 könnte eine Enquete-Kommission die Grundlagen erarbeiten, wo und wie gesucht werden soll. Bundesweit könnten dann - wie es heißt - mehrere Standorte miteinander verglichen werden. Bis zum Jahr 2031 soll ein Lager für hochradioaktiven Müll schließlich gefunden sein.
Der Standort Gorleben selbst soll eine Option bleiben, aber wie jede andere behandelt werden. Die niedersächsische Landesregierung und Umweltschützer sind hingegen der Ansicht, dass der dortige Salzstock aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit für eine Endlagerung von Atommüll nicht infrage kommt.
Weitgehender Konsens herrscht unter Experten, stark strahlenden Atommüll in tiefen Schichten zu lagern - in Gorleben wäre das in 860 Metern Tiefe. Salz hat den Vorteil größerer Hitzebeständigkeit. Abgebrannte Brennstäbe müssen hier nicht so weit auseinander gelagert werden wie in Tongestein. Zudem "fließt" Salz, es schließt die Atommüllbehälter ein. Daher können sie aber bei Problemen kaum geborgen werden. Das größte Risiko sind beim Salz unkontrollierte Wassereinbrüche.
Frankreich und die Schweiz setzen stattdessen auf Tongestein, das als wasserundurchlässig gilt. Finnland und Schweden favorisieren eine Endlagerung in Granitgestein. In Deutschland könnten am Ende besonders Ton- und Salzgesteine infrage kommen, mit Abstrichen auch Granit in Bayern. Mögliche Endlagerregionen in Salz oder Ton gibt es laut Studien in Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
2.000.000.000 Euro!
Die Kosten für das Suchverfahren, die sich auf rund zwei Milliarden Euro belaufen sollen, müssten laut Gesetzentwurf die "Abfallablieferungspflichtigen" tragen, also die Energiekonzerne. Da sie aber bereits rund 1,6 Milliarden Euro in die Erkundung Gorlebens investiert haben, ist fraglich, ob sie diese Mehrbelastungen ohne weiteres akzeptieren werden. Um keine weiteren Fakten zu schaffen, sollen noch anstehende Atommülltransporte nicht mehr in das nah beim Salzstock gelegene oberirdische Zwischenlager Gorleben gehen. Es ist denkbar, dass sie stattdessen in Zwischenlager in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gebracht werden.
wa/se/kle (dpa, afp)