Das Ende einer Ära in der tschechischen Politik
16. August 2006Klaus beauftragte Topolanek am Mittwoch (16.8.2006) mit der Bildung einer Regierung. Diese muss jedoch noch vom Parlament bestätigt werden. Zuvor hatte er den Rücktritt des sozialdemokratischen Kabinetts von Ministerpräsident Jiri Paroubek von der CSSD angenommen.
Der Entscheidung war ein wochenlanges Gerangel im Parlament vorausgegangen, das seit der Wahl im Juni durch ein Patt zwischen linken und konservativen Parteien weitgehend gelähmt war. Die ODS war zwar als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen, kam mit ihren potenziellen Partnern aber nur auf 100 Mandate. Genauso viele hatten die Linksparteien.
Widerwillige Einigung
Ein Kompromiss zeichnete sich erst am Montag ab: Nach mehreren Anläufen wählten die Abgeordneten den Sozialdemokraten Miloslav Vlcek zum Parlamentspräsidenten und machten damit den Weg zu einer Machtaufteilung frei: Die Sozialdemokraten erhalten Schlüsselpositionen im Parlament, dafür akzeptieren sie eine ODS-Regierung.
Die neue Regierung soll nach den Vorstellungen von Paroubek aber nur zwei Jahre bis zu vorgezogenen Wahlen im Jahr 2008 regieren. Auf diesen Vorschlag reagierte Topolanek allerdings zurückhaltend und verwies auf die für 2009 geplante Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Tschechien, was solide vorbereitet werden müsse.
Wackeliger Kompromiss
Die zeitliche Befristung der Regierung bis 2008 könnte nach Ansicht von Beobachtern zur Bruchstelle des Kompromisses werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Sozialdemokraten doch noch versuchen würden, eine Mehrheit im Parlament zu gewinnen, wenn Topolanek darauf nicht eingeht.
Topolanek räumte schon vor Erhalt des Regierungsauftrages ein, dass bis zu seiner Bestätigung im Parlament noch viel Arbeit bevorstehe. Um eine Vertrauensabstimmung zu überstehen, benötigt sein Kabinett zusätzlich zur Zustimmung der Sozialdemokraten auch die Unterstützung der Christdemokraten und der Grünen im Parlament.
Politisch ohnmächtig?
Offen bleibt auch, was Topolanek als Ministerpräsident mit Duldung der Sozialdemokraten von seinem Wahlprogramm umsetzen kann. Er hatte eine Senkung der Steuern auf eine einheitlich niedrige Rate von 15 Prozent versprochen. Außerdem kündigte er an das Renten- und Gesundheitssystem zu reformieren. In all diesen Punkten haben die Sozialdemokraten andere Vorstellungen.
Erfolge der CSSD
Mit dem Wechsel an der Spitze der tschechischen Regierung geht in Prag eine Ära zu Ende. Seit der Parlamentswahl 1998 hatte die sozialdemokratische CSSD an der Moldau die Geschicke des Landes gelenkt. Nun muss Tschechiens älteste Partei, gegründet 1878, wohl aus der Opposition heraus Politik machen. Unter der Regierungsverantwortung der CSSD schaffte Tschechien bei den historischen Schritten der NATO-Mitgliedschaft 1999 und des EU-Beitritts 2004 einen insgesamt gelungenen Übergang in beide Bündnisse. Dementsprechend hoch liegt nun die Messlatte für ihre mutmaßlichen Nachfolger von der ODS.
Und Klaus?
Die ODS strebt erstmals ohne Vaclav Klaus ins Regierungsamt. Er war ihre Galionsfigur der ersten demokratischen Jahre nach der politischen Wende von 1989. Der Neoliberale sitzt seit März 2003 als Staatspräsident in der Prager Burg und verfolgt von seinem Amtssitz aus nicht ohne Eigeninteresse die Regierungsbildung: Sollte die Einigung von ODS und CSSD Bestand haben, würde dies die Chancen von Klaus auf eine Wiederwahl 2008 erhöhen. In Tschechien wird das Staatsoberhaupt vom Parlament gewählt. (mas)