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Das erste Radrennen seit Corona

29. Mai 2020

Seit Mitte März dreht sich kein Rad. Nun startet an diesem Sonntag auf dem Sachsenring das erste Profi-Radrennen in Europa seit das Coronavirus den Sport lahmlegte - begleitet von einigen Fragen.

Radsport Deutsche Meisterschaft 2019 | Frauen
Bild: picture-alliance/Augenklick/Roth

Dietmar Lohr seufzt. "Geplant war das alles anders", sagt er in sächsischem Dialekt und seine Stimme verrät, dass die letzten Tage kraftraubend waren. Der Chemnitzer organisiert seit mehr als 16 Jahren Radrennen auf dem Sachsenring, einer Motorsport-Rennstrecke in Hohenstein-Ernstthal, nahe Zwickau. Doch dieses Jahr ist alles anders. Durch das Coronavirus erschien eine Austragung zunächst unmöglich, dann wieder möglich, bevor alles wieder auf der Kippe stand, ehe nun doch noch an diesem Sonntag Rennen gefahren wird. Aber der Reihe nach.

Seit dem 14. März und dem Ende der französischen Rundfahrt Paris-Nizza und dem Gran Premio de la Patagonia in Chile am Tag darauf, gab es weltweit kein Profi-Radrennen mehr. Der rasche Ausbreitung der Corona-Pandemie hat auch die Räder des Profiradsports stillstehen lassen. Bei einer Rundfahrt in den Vereinigten Arabischen Emiraten hatten sich im Februar Fahrer und Betreuer infiziert, einige Teams wurden für mehrere Wochen unter Quarantäne gestellt. Große Rennen wurden abgesagt oder wie die Tour de France verschoben. Mit den Lockerungen in einigen Staaten sind auch Sportereignisse teilweise wieder möglich: In der deutschen Fußball-Bundesliga sowie bald auch in anderen Ländern. Und jetzt zieht auch der Radsport nach.

Ein "Geisterrennen" auf der Motorsportstrecke

So verkündete Dietmar Lohr auf der Webseite des Vereins Internationales Radrennen Rund um den Sachsenring noch zu Beginn der Woche einen vollen Renntag inklusive Nachwuchsklassen, Senioren- und sogar Jedermannrennen - und das mit Verweis auf die geltende Sächsische Corona-Schutz-Verordnung. Die gab all das aber dann doch nicht her und Organisator Lohr musste den Plan zusammenstreichen: Nur Vertrags- und Kadersportler dürfen starten, das lokale Gesundheitsamt und die sächsische Landesregierung gaben für sie grünes Licht. "Für die Kinder und Jugendlichen der Region, die seit Wochen weiter trainieren, wäre es sicher ein sportliches Highlight gewesen. Aber das geben die Bestimmungen nicht her und wir wollen hier kein Harakiri betreiben", sagt er.

Im Vorjahr gewann Maximilian Schachmann (vorne) auf dem Sachsenring die Deutsche Meisterschaft - damals noch mit PublikumBild: picture-alliance/Augenklick/Roth

Der langjährige Radsportfunktionär war im Vorjahr noch an der Organisation der Rad-DM auf dem Sachsenring beteiligt, die BORA-hansgrohe-Fahrer Maximilian Schachmann gewann. Die Spitzenfahrer fehlen beim Rennen am kommenden Sonntag, sie sind bei diesem kleinen Rennen nicht startberechtigt. Dabei sind beim Wettkampf über 34 Runden Profis der dritten Kategorie und Kaderathleten wie zum Beispiel Jakob Geßner dabei. Der 20-jährige Sportsoldat fährt für den Rennstall Rad-net Rose, der junge Fahrer ausbildet und entwickelt. Für ihn kam der Neustart der Saison ziemlich überraschend: "Ich habe das Gerücht von einem Rennen erst vor ein paar Tagen gehört und war zunächst pessimistisch." So richtig glauben konnte er es erst, als die Meldebestätigung des Veranstalters im Email-Postfach lag. "Dass wir jetzt starten dürfen, ist großartig", freut sich der zweifache deutsche Juniorenmeister am Berg.

Lohr: "Warum soll das nur im Fußball gehen?"

Gemeinsam mit 50 anderen Athleten wird er zu etwas starten, das Organisator Dietmar Lohr ein "Geisterrennen" nennt: Keine Zuschauer, ein abgesperrtes Renngelände, nur Fahrer, sportliche Leiter und Betreuer sind zugelassen. Und die müssen sich an Hygiene-Regeln halten. "Die Startaufstellung erfolgt mit dem erforderlichen Abstand, es gibt keine Siegerehrung, kein Buffet und keine Schlangen an der Startnummern-Ausgabe. Überall wird Abstand gehalten." Überall? Nein. "Abstand im Rennen? Nein, das ist nicht möglich. Alles andere wäre eine Illusion", ergänzt Lohr und verweist auf die Fußball-Bundesliga, wo die Spieler ebenfalls Körperkontakt haben. "Warum soll das nur im Fußball gehen?"

Radprofi Jakob Geßner hofft auf eine "Initialzündung" für seinen SportBild: Rad-net Rose

Doch Zweifel bleiben: Durch den Windschatteneffekt wird im Straßenrennen dicht an dich gefahren, Schweiß, Atemluft und Speichel durch den Fahrtwind kann so Neben- und Hintermänner treffen. Eine viel diskutierte Studie von Forschern der Universitäten Leuven (Belgien) und Eindhoven (Niederlande) legte sogar nahe, beim Radfahren mit höherem Tempo 20 Meter Abstand zu anderen zu halten.

Geht das Konzept auf?

Jakob Geßner, der nebenbei International Management studiert, macht das dichte Gedränge im Peloton keine Sorgen: "Ich bin da pragmatisch. Die Infektionszahlen in der Region sind drastisch zurückgegangen. In meiner Stadt gab es zuletzt kaum Neuinfektionen. Deshalb habe ich auch im Rennen keine Angst, mich anzustecken." Außerdem gehe er davon aus, dass sich auf dem selektiven Kurs des Sachsenrings schnell kleinere Gruppen bilden, weil es nach der langen Pause große Leistungsunterschiede gebe.

So wird der internationale Radsport mit den in den Herbst verschobenen großen Rundfahrten Tour de France, Giro und Vuelta genau hinschauen, wie das kleine Rennen am Sachsenring ablaufen wird. Und ob das Konzept aufgeht. Jakob Geßner hofft auf "eine Initialzündung für den Radsport", die andere Rennveranstalter ermutigen soll. Dafür muss aber zunächst am Sachsenring alles gut gehen.

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