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Glaube

Das Feuerzeug

13. Juli 2024

In großer Dunkelheit reicht manchmal ein kurzer Lichtschein, der die Angst nimmt. Ein Beitrag der evangelischen Kirche.

Feuerzeug Hand Flamme
Bild: Ramiz Dedakovic/Wirestock/IMAGO

Die Nacht war außergewöhnlich dunkel. Schon am Nachmittag hatten schwere Wolken das Zeltlager beschattet, in dem ich mit meiner Familie campierte. Die Wolken hatten an Dichte nicht nachgelassen; jedenfalls war kein Stern zu sehen, und außerdem war es Neumond. Leichter Regen tröpfelte auf das Zeltdach. Aber das störte uns nicht besonders. In den Zelten war es trocken, und wir schliefen ruhig in unseren Schlafsäcken.  

„Es machte Klack!“ 

Da schrillte eine Stimme durch das Dunkel: „Ich bin blind, ich bin blind!“ Es war die panisch erregte Stimme meines kleinen Sohnes. Ich krabbelte aus meinem Zelt und kroch in der pechschwarzen Dunkelheit zu dem Zelt, in dem die Kinder schliefen. Das Geschrei wurde noch größer, meine beruhigenden Worte fruchteten nichts. Ich griff in die Tasche meines Schlafanzuges. Richtig, da war das Feuerzeug, das ich aus Sicherheitsgründen immer bei mir habe. Es machte Klack, die Flamme leuchtete auf und sofort hörte das Geschrei auf. Mein Sohn kniete auf seinem Schlafsack, sah das Licht, legte sich hin und schlief augenblicklich ein. Eine halbe Sekunde Licht von meinem Feuerzeug hatte genügt, um ihn davon zu überzeugen, dass er nicht blind war und sehr wohl sehen konnte.  

Jede Dunkelheit hat ihren eigenen Charakter 

Viele Menschen machen die Erfahrung, dass Dunkel über sie hereinbricht. Das kann eine Krankheit sein, eine Ehe, die in die Brüche geht, der Verlust des Arbeitsplatzes und vieles mehr. Wie man es auch dreht und wendet, es gibt kein Licht mehr in dieser Dunkelheit.  

Dabei hat jede Dunkelheit ihren eigenen Charakter. Jeder Mensch, über den sie hereinbricht, hat seine eigene Art, damit umzugehen. Manche Menschen fangen an zu schreien. Der Schrei kann lautlos sein wie bei einer Depression. Spätestens dann ist fachliche Hilfe notwendig. Fromme Sprüche nützen jetzt nichts mehr und machen das Elend oft noch größer. Denn man hat das Gefühl, dass es gerade die Mitmenschen sind, die daran schuld sind, dass es einem so schlecht geht. Von ihnen und ihrem leichtfertigen Trost ist nichts zu erwarten. 

Kerze und Geistesblitz 

Wie gut aber hat es ein Mensch, in dessen Dunkelheit das Licht Gottes aufscheint. Das kann im stillen Licht einer Kerze geschehen, plötzlich, ungeplant. Das kann ein Geistesblitz sein, der in einem Augenblick die Dinge erleuchtet. Ich bin überzeugt: Es gibt keine Situation, in die das Licht Gottes nicht hineinscheinen kann. Wenn dann die Kerze erloschen ist, wenn das helle Licht des Blitzes nicht mehr zu sehen ist, wenn es wieder dunkel ist – die Erfahrung bleibt: Gott ist da, der selbst das Licht ist und der selbst in unser Leben das Licht bringen will.  

Es ist nicht immer angenehm, im Licht Gottes zu stehen. Denn es leuchtet nicht allein in meine Lebenskrisen und erhellt sie. Es leuchtet auch dorthin, wo ich selbst eigentlich nicht hinsehen möchte und wo doch die Ursache für meine Dunkelheit liegen könnte. Offenbar wird zum Beispiel die Schuld, die ich trage und die mich zu meinem Dunkel geführt hat, mein Versagen, mein Zynismus und vieles mehr, für das ich eigentlich blind sein möchte.  

Es werde Licht! 

Ich erkenne in diesem Licht, dass ich Vergebung brauche – dass Menschen mir vergeben, an denen ich schuldig geworden bin; dass ich mir manche Fehlleistung selbst vergeben muss, dass Gott mir vergibt, den ich aus meinem Leben hinausdrängen wollte. Doch gerade dann leuchtet das Licht Gottes wohltuend in mein Leben. Der da einst gesagt hat: „Es werde Licht!“, sagt es wieder und wieder im Leben derer, die ihm vertrauen. Und wenn doch wieder die Dunkelheit hereinbricht – es bleibt die Erfahrung: In allem Dunkel ist Gott, der mich erleuchtet hat und wieder erleuchten kann.  

 

Zum Autor 

Pastor Diederich Lüken, 1952 in Veenhusen/Ostfriesland geboren, studierte Theologie in Münster, Reutlingen, Tübingen und Marburg. Seine beruflichen Stationen führten ihn nach Essen, Bebra, Velbert, Stuttgart-Weilimdorf (Rundfunkarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche) und Stuttgart-Bad Cannstatt. Er lebt heute in Balingen, ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. 

Bild: Evangelischen Kirche Deutschland

Der Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.