Das Geheimnis des ewigen Lebens
24. Januar 2011Brigitte Galliot ist Molekularbiologin an der Universität Genf. Sie ist fasziniert von ihrem Forschungsobjekt: Süßwasserpolypen, auch Hydra genannt. Die winzigen Tiere leben in Teichen, Flüssen und Seen auf Blättern und Stängeln.
In Europa gibt es fünf Arten dieser Wasserbewohner. Sie ernähren sich von winzigen Wassertieren. Unter dem Mikroskop kann man die besonderen Merkmale der Tiere genauer erkennen: Ein Kopf mit Tentakeln und ein Körper, den das Tier fortwährend zusammenzieht und streckt.
Hydra – ein Überlebenskünstler im Wasser
Das Faszinierende für die Wissenschaftlerin ist, dass der Polyp seinen gesamten Körper immerfort erneuert. "Die Hydra scheint nie zu altern. Sie kann sich aber gleichzeitig auch ständig fortpflanzen." Sie tue dies auf asexuelle Weise. Wenn das Tier genügend Nahrung findet, sagt Brigitte Galliot, wächst am Elternkörper ein Babypolyp wie eine Knospe.
Ein bunter Strauß Methusalem-Tiere im Labor
Im Labor von Brigitte Galliot werden die Süßwasserpolypen jeden Tag mit einem Wasserstrahl gereinigt, um die Tiere von Essensresten und Kot zu befreien. Nur so können die Forscher sie später untersuchen. Galliots Labor ist voller Polypenkulturen. Einige Polypen ernähren sich von Algen. Deswegen sind die sonst farblosen Tiere grün gefärbt. Andere Polypen haben eine rosarote Farbe, weil sie Crevetten fressen. Galliot versucht herauszufinden, wie die Winzlinge es schaffen, ihren Körper immer jung zu halten. Denn sie hat herausgefunden, dass Hydra jeden Teil ihres Körpers in zwei bis vier Tagen ersetzen kann, egal um welchen Körperteil es sich handelt.
Zauber der Natur
Um den Regenerationsprozess zu beobachten, schneidet Galliot den Körper der Hydra auf Bauchhöhe in zwei Teile. Die Spezialistin hat dabei eine wichtige Entdeckung gemacht. Einen Mechanismus, der dafür sorgt, dass aus dem verstümmelten Tier zwei komplett neue Polypen entstehen.
"Wenn man die Hydra in der Körperhälfte seziert, wird ein massiver Zelltod ausgelöst", sagt die Wissenschaftlerin. "Das heißt, die Hälfte der Zellen der obersten Schicht stirbt. Die Zellen senden bei ihrem Tod ein Signal an die Nebenzellen. Das ist das Schlüsselsignal im Regenerationsprozess." Denn die Nebenzellen könnten die Botschaft lesen und regen die schnelle Produktion der jeweils notwendigen neuen Zellen an, um die fehlenden Körperteile zu ersetzen.
Der unsterbliche Polyp – Vorbild für den Menschen?
Die Molekularbiologin betreibt Grundlagenforschung. Doch sie ist davon überzeugt, dass ihre Ergebnisse irgendwann auch für Menschen nutzbar werden. Denn Polyp und Mensch haben ähnliche Gene. Bei den Krankheiten allerdings gibt es Unterschiede. Krebs bekommt die Hydra beispielsweise nicht. Warum, das versucht Brigitte Galliot herauszufinden. Denn sie ist überzeugt, bei den Untersuchungen des einzigartigen Tieres wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, die helfen können, Krankheits - und Alterungsprozesse des Menschen besser zu verstehen.
Autoren: Biljana Gogic, Andreas Neuhaus
Redaktion: Judith Hartl