1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Holocaust im Comic

Stuart Braun
5. August 2024

Seit den 1940er-Jahren haben vor allem jüdische Künstler und Geschichtenerzähler die Schrecken des Holocaust in Comics illustriert - selbst in Superhelden-Klassikern von Captain Marvel bis Superman.

Cover-Bild von Art Spiegelmans "Maus", einer mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Graphic Novel auf der ein Hakenkreuz und eine Ratte mit Hitler-Gesicht zu sehen ist.
Art Spiegelmans "Maus" ist eine mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Graphic Novel, die den Holocaust thematisiertBild: Stephanie Pilick/dpa/picture alliance

In einem Comic mit dem Titel "How Superman Would End the War" (dt. etwa: Wie Superman den Krieg beenden würde) aus dem Jahr 1940 sagt Superman zu Hitler: "Ich würde dir gerne eine nicht-arische Socke ins Gesicht schlagen." Nach Angaben des Holocaust Center of Pittsburgh soll Josef Goebbels, Propagandaminister im Nazi-Deutschland, die Comic-Figur Superman daraufhin als Juden bezeichnet haben.

Superhelden nehmen es mit den Nazis auf

Captain America, eine US-amerikanische Comicfigur und Superheld, der ein Kostüm in den Farben der Flagge der Vereinigten Staaten trägt, traf bereits in den frühen 1940er-Jahren in Comics auf bedrohliche Nazi-Figuren. Faschistische Bösewichte tauchten während des Zweiten Weltkriegs (1939 - 1945) auch in Zeichentrickbüchern von Dr. Seuss (eigentlich Theodor Seuss Geisel) auf, einem US-amerikanischen Karikaturisten, Kinderbuch-Autor und Cartoon-Zeichner. In Europa ist er vor allem als Erfinder des weihnachtshassenden "Grinch" bekannt. 

Superman in einem Comic von 1938 Bild: Heritage Auctions/HA.com

Geschichten über den jüdischen Widerstand in Konzentrationslagern wurden auch zum Comic-Thema in Superman und Captain Marvel. Captain Marvel war der erste Superhelden-Comic, der den Holocaust tatsächlich aufgriff, wie der Holocaust-Forscher Rafael Medoff in dem Buch "We Spoke Out: Comic Books and the Holocaust" feststellt. Und es war gewiss kein Zufall, dass die Marvel-Comics oft von jüdischen Künstlern verfasst und illustriert wurden, darunter auch das erfolgreiche jüdische Autoren- und Illustratorenteam Stan Lee und Jack Kirby.

Medoff beschreibt wie Captain Marvels Partner Rick Jones einen Auschwitz-Überlebenden trifft. Später muss er sich mit einem geistesgestörten Wissenschaftler auseinandersetzen, der versucht, Menschen mit Nazi-Methoden zu manipulieren. Medoffs 2018 erschienenes Buch, das er gemeinsam mit Neal Adams und Craig Yoe verfasste, verhalf vor allem jungen Amerikanern, die in den 1960er- und 1970er-Jahren aufwuchsen, zu einem besseren Verständnis des Holocaust. Denn dieses Kapitel der Menschheitsgeschichte war zu dieser Zeit noch kein Unterrichtsthema in den Schulen. Und auch heute noch haben viele Jugendliche hier Wissenslücken.

"Master Race" - Angst eines Holocaust-Überlebenden

Das Goldene Zeitalter der Comics wurde durch den Klassiker "Master Race" von 1955 gekrönt. Der Autor Al Feldstein und der Illustrator Bernard Krigstein erzählen die Geschichte von Carl Weismann, einem Deutschen, der aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen entkommen ist und in die USA übersiedelt. Doch auch dort verfolgen ihn die Gespenster der Vergangenheit.

"Du wirst dich immer fürchten, du wirst dich immer erinnern ... an das Grauen ... an den Hass ... an das Leiden", sagt der Erzähler, als Weismann in einem Zug sitzt und in Gedanken schon bald seinen Peinigern aus dem Todeslager gegenübersteht.

Reporter - Holocaust: Bilder gegen das Vergessen

12:35

This browser does not support the video element.

"Maus" macht den Holocaust für die Massen greifbar

Art Spiegelmans "Maus" ist eine mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Graphic Novel und eine kaum verhüllte Metapher für den Holocaust, denn darin werden Juden als Mäuse, die Nazis als blutrünstige Katzen und Polen als Schweine dargestellt.

Der US-amerikanische Cartoonist Art Spiegelman erzählt die Geschichte seiner Eltern, die als polnische Juden NS-Verfolgung und das KZ Auschwitz überlebt haben. Wie reagiert ein Sohn, der kurz nach Kriegsende in Schweden zur Welt kam, auf die schrecklichen Erinnerungen des Vaters? Was macht es beruflich und persönlich mit ihm? Spiegelmans Antwort hieß "Maus", veröffentlicht als "A Survivor's Tale" (Die Geschichte eines Überlebenden). 

Eine Zeichnung aus den berühmten "Maus"-Büchern von Art SpiegelmanBild: Artie/Jewish Museum New York/picture alliance

 

"Maus" basiert auf stundenlangen Interviews, die der Künstler in den 1970er-Jahren mit seinem Vater Vladek aufnahm - seine Mutter beging 1968 Selbstmord. Seine Comics wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren in Fortsetzungen veröffentlicht und schließlich 1991 als Graphic Novel herausgegeben.

Spiegelman wurde für die Wahl seiner Symbolik heftig kritisiert - und dafür, dass er die Geschichte als Graphic Novel präsentierte. Die Kritiker sagten, er breche Tabus, die komplexe Geschichte des Holocaust könne nicht einfach in Form eines Comics erzählt werden. Spiegelman entgegnete, dass er diese Geschichte nur durch seine Kunst verarbeiten könne.

Ironischerweise wurde das Buch im Jahr 2022 in einem Schulbezirk im US-Bundesstaat Tennessee verboten. Spiegelman nannte das in einem Interview mit MSNBC "ein Echo der Bücherverbrennungen der 1930er-Jahre in Deutschland".

Aus dem Englischen adaptiert von Stefan Dege.

Dieser Artikel wurde am 6. August 2024 aktualisiert. 

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.