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Hässliches Netz

Anne Le Touzé17. April 2014

In den sozialen Netzwerken werden nicht nur witzige Katzenvideos und interessante Artikel geteilt. Auch Neonazis und andere Extremisten nutzen die Dienste für die Verbreitung ihrer Propaganda.

Montage von NPD-Website und Facebook (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Susanne W. mag Hunde. Das zeigt nicht nur ihr Profilbild auf Facebook, sondern auch ihre "Likes" auf Seiten, die sich für den Tierschutz einsetzen, ja sogar für "Rumäniens Hunde". Asylbewerber mag Susanne W. dagegen nicht. Sie hat sich mehreren virtuellen "Bürgerbewegungen" gegen Asylantenheime angeschlossen und schlägt auf deren Seiten beispielsweise vor, dass man öffentliche Gelder "besser für Tierheime" ausgeben sollte.

Hunderte Hetzseiten

Vor ein paar Jahren hätte Susanne W. ihre Meinung womöglich nur im privaten Bekanntenkreis geäußert. Seitdem sie im sozialen Netz unterwegs ist, hat sie jedoch mehr als genug Gelegenheiten dazu: Etwa auf der Facebook-Seite "Mut zur Demokratie". Die hat mehr als 20.000 Fans. Unter den meist kommentierten Themen geht es um "Asylmissbrauch" und "Überfremdung", aber auch über den "Stolz, Deutsch zu sein".

"Allein in Deutschland gibt es hunderte von solchen Seiten auf Facebook, meistens von der organisierten rechtsextremen Szene", weiß Felix M. Steiner, einer der Autoren von Publikative.org. Das Watchblog beobachtet rechtsextreme Aktivitäten im Internet und berichtet über Themen wie Alltagsrassismus und Rassismus in den Medien. 2013 gewann es den Publikumspreis der Bobs, dem DW-Preis für Online-Aktivismus, in der Kategorie "Best Blog in deutscher Sprache".

Von der Straße ins Netz: Hetze gegen AsylbewerberBild: picture-alliance/dpa

"Diese Seiten sind dafür da, Propaganda zu verbreiten, sie dienen als Plattformen, auf denen man in übelster Weise gegen Asylbewerber oder Migranten hetzt" erklärt der Journalist. Zwar gebe es viel mehr Leute, die eine Seite "liken" als welche, die auf die Straße gehen, es vermittle aber den Eindruck einer massiven Unterstützung.

Moderner Auftritt

Die Verlagerung von rechtsextremistischen Inhalten hin zu den sozialen Netzwerken beobachtet Jugendschutz.net bereits seit einigen Jahren. In ihrem letzten Jahresbericht, der im Sommer 2013 veröffentlicht wurde, verzeichnete die staatlich finanzierte Organisation eine erhebliche Zunahme der rechten Aktivitäten auf interaktiven Plattformen, besonders auf den von jungen Usern genutzten Diensten Facebook und YouTube. "Der Trend nimmt weiter zu", sagt Christiane Schneider, Leiterin des Bereichs gegen politischen Extremismus.

"Schwarzer Humor" sei ein gängiges Mittel, um Hetze "salonfähig" zu machen, beklagt unter anderem Jugendschutz.net. Satire ist in Deutschland nur bis zu einer gewissen Grenze durch das Grundgesetz geschützt: Sie darf Menschengruppen nicht in ihrer Würde angreifen. In den USA, wo die großen Netzwerkdienste beheimatet sind, ist die Gesetzgebung anders. Deshalb sei die Zusammenarbeit mit Netzwerkbetreibern wie Facebook manchmal schwierig, wenn es darum ginge, bestimmte Inhalte zu löschen, so Christiane Schneider.

Unterschwelligen bis offenen Rassismus betreibt die "Identitäre Bewegung"Bild: http://identitaere-bewegung.de/

#Hasstag

Die meisten Dienste haben zwar inzwischen einen Button, um Inhalte oder Konten zu melden, bzw. zu sperren, aber viele Inhalte bleiben veröffentlicht. So hat in Frankreich auf Twitter ein Hashtag für Aufregung gesorgt: Im Oktober 2012 wurde #unbonjuif ("ein guter Jude") gestartet, womit sich blitzschnell antisemitische Witze und Parolen auf der Mikroblogging-Plattform verbreiteten. Innerhalb kürzester Zeit erreichte der Hashtag den dritten Platz im französischen Ranking.

Nach monatelangem juristischem Streit zwischen Twitter und der Union der jüdischen Studenten Frankreichs (UEJF) gab der Dienst den Namen des Urhebers an die Justiz weiter. Im Januar 2014 wurde Grégory P. wegen Volksverhetzung angeklagt: Eine Premiere in Frankreich, wo bisher niemand für diskriminierende Tweets verurteilt worden ist. Der Hashtag #unbonjuif ist unterdessen nicht verschwunden, im Gegenteil: Zurzeit ist er wieder im Aufmarsch. Dabei berufen sich viele Nutzer auf das Recht auf Humor und freie Meinungsäußerung und bestreiten, antisemitisch oder rassistisch zu handeln.

Rassist, ich?

Meinungsfreiheit steht in einem Land wie den USA über alles. Dort geht man mit diskriminierenden Inhalten anders um als in Europa. So schreibt ein User auf Twitter: "Wen kümmert's, ob Leute Rassisten sind? Rassistische Witze sind doch am witzigsten!" Sein Tweet ist einer von etwa 8.550, die vom Account @YesYoureRacist retweetet wurden.

Der Twitterkanal @yesyoureracist seziert rassistische TweetsBild: twitter.com

Der Journalist und Social Media-Experte Logan Smith hat den Account vor anderthalb Jahren gestartet. Er retweetet jede rassistische Äußerung, besonders, wenn deren Autoren behaupten, "ich bin kein Rassist, aber…" oder ihre Tweets mit dem Hashtag #notracist kennzeichnen. "Ich will zeigen, wie verbreitet Alltagsrassismus in Amerika ist, besonders unter jungen Menschen, obwohl man davon ausgehen könnte, dass sie toleranter sind". Inzwischen hat der Account mehr als 46.000 Follower.

Rassismus sichtbar machen

Eine ähnliche Idee wie Logan Smith in Amerika hatten deutsche Blogger, als sie den Hashtag #schauhin im September 2013 auf Twitter starteten. "In Deutschland spricht man nur über Rassismus, wenn ein Mord geschieht oder wenn eine neue Studie veröffentlicht wird", erklärt Bloggerin Kübra Gümüşay. "Wir wollten auf die erfolgreicheAufschrei-Aktion gegen Alltagssexismus aufbauen, um ein Phänomen, das jeder kennt, sichtbar zu machen."

In den ersten Wochen haben sich viele Nutzer an der Aktion beteiligt und ihre Erfahrungen in 140 Zeichen mitgeteilt. Inzwischen wurde der Hashtag allerdings von Rassisten übernommen, so dass heute 80 Prozent des Inhalts rassistisch sei, gesteht die Bloggerin. "Es ist aber keine Niederlage, ganz im Gegenteil: Das Internet zeigt damit sein hässlichstes Gesicht".

Gümüşay beklagt, dass die Gesellschaft beim Thema Rassismus immer so tue, als sei das Problem ganz weit weg. Aber: "All diese Tweets zeigen, dass er mitten unter uns ist. Wir müssen als Gesellschaft über Rassismus reden, um ihn besser zu bekämpfen".

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