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Politik

Das Internet und die Proteste im Irak

Nermin Ismail
8. Oktober 2019

Reformversprechen, Ausgangs- und Internetsperren änderten nichts an der Wut der Menschen im Irak. Sie dokumentieren das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte in den sozialen Medien und zeigen wie notwendig das ist.

Irak Proteste Sicherheitskräfte
Bild: picture-alliance/dpa/AP/H. Mizban

Mehr als 100 Menschen sollen getötet und über 6000 verletzt worden sein seit Beginn der Unruhen im Irak. Bei den Protesten gegen Korruption und Arbeitslosigkeit in zahlreichen irakischen Städten kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Auf Videos, die eine Zeit lang in sozialen Netzwerken kursierten, ist eine beispiellose Härte bei der Niederschlagung der Proteste zu sehen: Scharfschützen schießen von Dächern auf Zivilisten, maskierte Bewaffnete stürmen Fernsehstationen und Artilleriegeschosse schlagen in Wohnviertel. Sind es irakische Sicherheitskräfte, die mit roher Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten vorgehen oder handelt es sich um ausländische Milizen, wie die Regierung behauptet?

Ein Land geht vom Netz

Entzündet hatte sich die Protestwelle an der weit verbreiteten Korruption in den staatlichen Institutionen des Irak. Innerhalb kurzer Zeit blockierten die irakischen Behörden Aktivisten zufolge erst den Zugang zu Facebook und einer Reihe von Social-Networking-Sites, bevor sie das Land komplett vom World Wide Web abschnitten. Die Organisation "Netblocks" meldete schon am Donnerstag eine flächendeckende Blockade des Internets im Irak. Den Demonstranten blieb nur noch die Kommunikation per SMS. Auch heute noch seien etwa drei Viertel des Landes "offline", inklusive der Hauptstadt, wie mehrere Bewohner Bagdads der DW bestätigten.
Aktivisten, die sich trotz der Sperrung per VPN-Zugang über ausländische Server doch Zugang zum Netz verschaffen konnten, berichten auf sozialen Netzwerken davon, dass die irakische Regierung den Internetzugang blockiere, um die Gewalt, die die Sicherheitskräfte beim Auflösen der Proteste anwenden, vor der Welt zu verheimlichen. Außerdem soll es Demonstranten schwerer gemacht werden, sich zu organisieren. Einer der Aktivisten, der namentlich nicht genannt werden möchte, erklärte der DW via Twitter: "Wir brauchen das Internet, um Ereignisse vor Ort zu dokumentieren, insbesondere Fälle von Übergriffen auf friedliche Demonstranten, zum Beispiel durch Scharfschützen." Sie twittern die Geschehnisse unter arabischen Hashtags wie "Wir wollen unser Land zurück" oder "Demonstrationen im Irak". Auch englische Hashtags wie #save_the_iraqi_people oder #revolution_now_in_iraq gingen viral.

Regierung contra Aktivisten

Die irakische Regierung bestreitet, dass ihre Sicherheitskräfte Waffen gegen Demonstranten einsetzen. Vielmehr bezichtigt die Regierung "bislang nicht identifizierte Agitatoren", Demonstranten und Sicherheitspersonal gleichermaßen zu erschießen, um Chaos auszulösen und das Land zu destabilisieren. Es ist irakischen Aktivisten jedoch gelungen, Bilder und Videos hochzuladen, die das Gegenteil belegen sollen. Darauf sollen irakische Sicherheitskräfte zu sehen sein, die an mehreren Orten im Land direkt in die Menge schießen, um diese zu vertreiben. Aktivisten berichten in den sozialen Medien außerdem davon, dass sich "einige ausländische Personen" als Demonstranten getarnt hätten, in die Menge gegangen seien und mehr als eine Person aus dem Zentrum der Demonstrationen entführt hätten. 

Die Proteste im Irak hatten sich zunächst an der Absetzung des stellvertretenden Kommandanten einer Eliteeinheit entzündet, der von vielen Irakern aufgrund seines Einsatzes gegen den IS wie ein Held verehrt wird. Doch schnell ging es bei den Protesten um viel mehr: um Korruption, Armut, fehlende grundlegenden Dienstleistungen und die Unfähigkeit der Regierung, Reformen umzusetzen.

 

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