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Politik

Nawalny-Mitarbeiter zu den EU-Sanktionen

Viacheslav Yurin
26. Februar 2021

Iwan Schdanow, Leiter des Fonds zur Bekämpfung von Korruption (FBK), begrüßt die EU-Sanktionen gegen russische Regierungsmitarbeiter. Im DW-Interview erklärt er, warum Oligarchen vorerst nicht auf der Liste stehen.

Russland Moskau | Alexej Nawalny vor Gericht
Alexej Nawalny im Gerichtssaal in MoskauBild: Babushkinsky District Court of Moscow/REUTERS

"Dies ist ein großer Prozess, wir befinden uns erst in der ersten Phase, und ich denke, dass wir alles noch vor uns haben." Das sagte der Direktor des Fonds zur Bekämpfung von Korruption (FBK), Iwan Schdanow, zur Entscheidung der Europäischen Union, russische Regierungsmitarbeiter wegen der Verfolgung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny mit Sanktionen zu belegen. Zuvor hatte der von Nawalny gegründete FBK die USA und die EU aufgefordert, Maßnahmen gegen Personen aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin zu ergreifen. Doch die EU machte deutlich, dass Maßnahmen gegen russische Oligarchen vorerst ausgeschlossen werden.

DW: Herr Schdanow, die lang ersehnten EU-Sanktionen sind nun faktisch beschlossen, aber viele sprechen von "Mini-Sanktionen". Sind Sie enttäuscht?

Iwan Schdanow: Eine Enttäuschung sind die Sanktionen nicht. Erstens wissen wir noch nicht, wie die Sanktionen aussehen werden - wir werden die Entscheidung erst in einer Woche erfahren. Zweitens sind Sanktionen ein großer, komplexer Prozess. Es ist nicht so, dass Sanktionen gegen bestimmte Personen verhängt werden, und das war's. Dies ist der erste Schritt in einer langen Phase von Sanktionen, die die EU möglicherweise gegen Personen verhängen wird, die Rechte von Bürgern verletzen, und in Zukunft auch gegen Personen, die Geldwäsche - auch in Russland - betreiben, und das Geld dann in europäischen Ländern legalisieren.

Sie haben der EU Ihre eigene Sanktionsliste mit 35 Namen, einschließlich Oligarchen, vorgelegt. Doch die EU hat klar signalisiert, dass Oligarchen zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht unter die Sanktionen fallen werden. Wie erklären Sie sich das?

Oligarchen auf eine Sanktionsliste zu setzen, ist natürlich eine schöne Idee. Das Problem ist nur, dass sie gute Anwälte haben. Und sie würden sich viele nehmen, vor Gerichte ziehen, die in der EU unabhängig sind und diese Sanktionen anfechten. Daher ist die EU viel vorsichtiger, wenn es um Sanktionen gegen Reiche und Oligarchen geht. Im Falle eines Richters wären beispielsweise die Dinge klar: Es kann ein konkretes Urteil vorliegen, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgehoben wird, was anschließend entweder umgesetzt oder nicht umgesetzt wird. Bei Oligarchen ist es viel schwieriger, Verbindungen zwischen ihrem Geld und politischen Entscheidungen sowie zu Menschenrechtsverstößen festzustellen. Außerdem muss dieser Zusammenhang noch vor Gericht nachgewiesen werden. Daher ist die Vorsicht hier nachvollziehbar. Aber ich schließe entsprechende Sanktionen in Zukunft nicht aus.

Iwan Schdanow, Chef des Fonds zur Bekämpfung von Korruption, in einem früheren DW-Gespräch 2019Bild: DW

Glauben Sie, dass Oligarchen nur wegen Verstößen gegen Menschenrechte und nicht wegen Korruption mit Sanktionen belegt werden können?

Bei Korruption gibt es einen separaten Mechanismus für EU-Sanktionen. Das Treffen der 27 EU-Außenminister befasste sich hauptsächlich mit Menschenrechtsverstößen in Russland - und wegen ihnen werden die Sanktionen verhängt. Sie werden nicht um ihrer selbst willen verhängt oder um EU-Unternehmen vor russischen Oligarchen zu schützen. Darum geht es nicht. Sollten aber Verbindungen zwischen russischer Geldwäsche und der Politik nachgewiesen werden, wird man meines Erachtens auch zu Sanktionen greifen.

Was Nawalny und die Forderungen nach seiner Freilassung betrifft, so hat die EU offenbar ihr Arsenal an Maßnahmen vorerst ausgeschöpft. Oder erwarten Sie noch ein Wunder?

Ich glaube nicht, dass die Druckmittel der EU ausgeschöpft sind. Russland hat jetzt Beschwerde gegen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) eingereicht, derzufolge Alexej Nawalny sofort freigelassen werden muss. Dies bedeutet, dass Russland den EGMR als Rechtssubjekt und auch seine Entscheidung bis zu einem gewissen Grad anerkennt. Russland wird in Zukunft beantworten müssen, warum die Entscheidung des Gerichts nicht oder nur unvollständig umgesetzt wird. Wir stehen also erst am Anfang dieses Mechanismus.

Die Entscheidung des EGMR haben wir vor anderthalb Wochen erhalten. Sie wird natürlich im Mittelpunkt aller Gespräche stehen. Es handelt sich um eine Entscheidung, die von allen Staaten des Europarates anerkannt wird, auch was die vom Gericht festgestellten Risiken für das Leben und die Gesundheit von Alexej Nawalny im Gefängnis angeht. Natürlich sollten alle zivilisierten Länder dies verstehen und unter diesem Gesichtspunkt ihre Gespräche mit Putin führen. Nämlich, dass Entscheidungen europäischer Gerichte, die auch für Russland gelten, umgesetzt werden müssen.

In diesem Fall sprechen Sie über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Aber was kann die EU tun?

Die Europäische Union kann die Umsetzung der Entscheidung des EGMR auf der Ebene des Ministerkomitees des Europarates, aber auch auf EU-Ministerebene fordern. Alle können ständig die Umsetzung verlangen. Natürlich ist das Instrumentarium der EU begrenzt, trotzdem sollte dies in Gesprächen und internationalen Verhandlungen immer wieder Thema sein. Sanktionen sollen die konkrete Folge einer fehlenden Umsetzung dieser Gerichtsentscheidung sein.

Nochmal zu der von Ihnen vorgelegten Sanktionsliste mit 35 Personen. Auf der EU-Liste werden wahrscheinlich vier oder ein paar mehr Namen stehen. Jetzt sagen die russischen Behörden, Nawalnys Mitarbeiter würden versuchen, Sanktionen gegen Russland zu erreichen. Haben Sie ihr Ziel verfehlt und sich mit dieser Sache eher selbst geschadet?

Dem ist nicht so. Die Sanktionen, die wir fordern, sind personenbezogen und richten sich gegen Menschenrechtsverletzer und nicht gegen Russland. Wir unterstützen keine sektoralen Sanktionen, auch keine, die das Leben der Russen irgendwie verschlechtern könnten. Wir unterstützen nur Sanktionen, die jeder Russe mit gesundem Menschenverstand begrüßt: Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen, wegen Geldwäsche und beispielsweise Sanktionen gegen gewisse Propagandisten. Bei ihnen stellt sich die wichtige Frage: Befassen sie sich mit Propaganda oder äußern sie ihre eigene Meinung? Ich glaube nicht, dass wir vom FBK uns selbst schaden, denn die meisten russischen Bürger und die meisten unserer Anhänger werden diese Sanktionen zweifellos begrüßen.

Iwan Schdanow leitet den vom Oppositionspolitiker Alexej Nawalny gegründeten Fonds zur Bekämpfung von Korruption (FBK). Das russische Justizministerium hat den FBK in die Liste der "ausländischen Agenten" aufgenommen - eine Bezeichnung für Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin

Übersetzung aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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