Labor für afrikanische Kultur
21. Juni 2015Ein Hauch von Afrika in der Richard-Wagner-Stadt Bayreuth: das Iwalewahaus. Eher Begegnungsstätte als Museum, eher Kulturzentrum als wissenschaftliches Institut ist es dennoch fester Bestandteil der Bayreuther Universität mit ihrem Forschungsschwerpunkt Afrika – ein Bindeglied zwischen Lehre, interessierter Öffentlichkeit und afrikanischen Künstlern. Das Iwalewahaus hat viele Gesichter.
Jung, frisch - nicht museal
1981 als Einrichtung der Universität gegründet, konnte das Haus vor kurzem ein neues, wesentlich größeres Domizil beziehen. Es liegt nur einen Katzensprung vom alten Standort entfernt. Das ehemalige Bankgebäude besticht durch steinernen Fassadenschmuck im barocken Jugendstil, wirkt mächtig und repräsentativ zugleich: ein Forum für den interkulturellen Dialog. Auf vier Stockwerken verteilen sich insgesamt 2300 Quadratmeter Nutzungsfläche. Genügend Platz für Ausstellungsräume, Konzerte, Gesprächsrunden, Büros und Depots.
Sogar eigene Ateliers für Artists in Residence gibt es. Sehr zur Freude von Maimuna Adam, die sich gerade wieder einmal in Bayreuth aufhält. Das veränderte Konzept, künftig keine museale Dauerausstellung mehr zu zeigen, sondern ausschließlich junge Kunst aus Afrika, lobt die aus Mozambique stammende Konzept-Künstlerin in höchsten Tönen. "Das Iwalewahaus überrascht mich immer wieder. Es gibt mir Raum, Energie und viel Liebe, von jedem, der hier arbeitet und von jedem, der vorbeikommt. Es gibt mir die Möglichkeit, mich selbst zu entdecken und weiterzuentwickeln und auch meine Arbeit."
"Lumumba Cut" und "Kennedy"
Ein Schatz, aus dem sich die Künstler frei bedienen dürfen, ist im Depot des neuen Iwalewahauses untergebracht: die größte Sammlung zeitgenössischer afrikanischer Kunst. In der herausragenden Kollektion befinden sich auch lackbemalte Friseurschilder, die vor einigen Jahrzehnten in Nigeria noch für Frisuren wie den "Lumumba Cut" oder den "Kennedy" warben. Originelle Gebrauchskunst, die ebenso zu den Beständen gehört wie wertvolle Masken, phantasievolle Aluminium-Reliefs oder Schuhmacherreklametafeln aus Mozambique mit dem Konterfei des Riesenaffen "King Kong". Ob Grafiken, Aquarelle, Ölbilder, Skulpturen, Batiken oder Stoffapplikationen – viele der gesammelten Objekte verraten den Einfluss europäischer Kolonialherren.
Andere spielen mit den Möglichkeiten einer neuen technisierten Welt. So hat Kevo Stero, der im Slum Kibera von Nairobi aufwuchs, von alten ethnologischen Aufnahmen ritueller Maskentänze aus Burkina Faso kurzerhand Filmstills angefertigt und diese dann grellbunt und figurativ übermalt. Der Bruch zwischen Tradition und Moderne rückt dadurch in den Fokus: Werke jenseits von zu Kitsch verkommener Touristenkunst und rührseliger Folklore.
Mashup zum Auftakt
Vielseitigkeit ist ein wichtiges Prinzip des Iwalewa-Hauses. Die Spannweite reicht von Vorträgen und Tagungen bis hin zu Trommelkonzerten und Workshops. Das umfangreiche Schallarchiv mit seiner riesigen Palette afrikanischer Musik wird gerne auch von angesagten Soundbastlern genutzt. Beispielsweise von DJ Raph aus Nairobi. Erst kürzlich legte der Kenianer bei der Eröffnung der aktuellen Ausstellung "Mashup" Platten auf.
Die von dem aus Kenia stammenden Sam Hopkins kuratierte Auftakt-Schau ist dabei eine Mischung aus Schaustücken der Sammlung wie geschnitzten alten Figuren und Neuinterpretationen ausgewählter Objekte aus dem Archiv durch Künstler Afrikas. Der aus Lagos kommende Uche Uzorka, Mitglied der berühmten "Nsukka School", einer Künstlerbewegung, die sich aus der nigerianischen Tradition der Körperbemalung entwickelte, hat in einer Installation Einmachgläser mit zerschnittenen alten Fotos und Zeitschriften befüllt, die aus dem Archiv stammen. Natürlich könne man in der Zerschredderung der Bilder einen Akt der Zerstörung sehen, "eine direkte Vernichtung der Originale", gibt der Künstler etwas augenzwinkernd zu. Aber eigentlich befänden sie sich bloß "in einem anderen Seinszustand - eine andere Form, eine andere Art der Aufbewahrung, eine andere Art der visuellen Wahrnehmung".
"Charakter ist Schönheit"
Apropos "Iwalewa": Der Name stammt von den Yoruba, einem Volk aus Nigeria. Übersetzt bedeutet das Sprichwort soviel wie "Charakter ist Schönheit", erklärt der Leiter der Einrichtung, Ulf Vierke. "Das ist nicht nur ein einzelner Begriff, sondern eigentlich ein großes philosophisches Konzept". Ein Motto, das dazu auffordert, hinter die glatte Oberfläche von Dingen oder Menschen zu schauen, bisher schon Programm war und auch künftig in dem neuen Gebäude für Qualität steht: eine frische Brise für den oberfränkischen Festspielort.