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50 Jahre Jazz

Silke Wünsch30. Oktober 2014

Als im Herbst 1964 die ersten "Berliner Jazztage" stattfanden, ahnte keiner, dass hier ein Stück Jazz-Geschichte entstehen würde. Vom 30.10. bis 2.11. feiert das Jazzfest nicht nur sich selbst, sondern auch die Freiheit.

Joe Henderson (l.) und Johnny Griffin 1987 beim Jazzfest Berlin (Foto: dpa)
Joe Henderson (l.) und Johnny Griffin 1987Bild: picture-alliance/dpa

Alle großen Jazzer waren dabei: Miles Davis, Herbie Hancock, Ornette Coleman, Charles Mingus, Klaus Doldinger, die Reihe großer Namen ist fast unendlich fortzusetzen. Angefangen hatte alles als eine Idee des damaligen Intendanten der Berliner Festwochen, Nicolas Nabokov, der den Musikjournalist und Jazzkenner Joachim-Ernst Berendt darum bat, ein Jazzfestival zu organisieren.

Berendt, der exzellente Kontakte zur Szene - vor allem in den USA - hatte, lud berühmte Musiker ein und sorgte direkt im ersten Jahr für ein legendäres Konzert: Das Miles Davis Second Great Quintet spielte damals in der Philharmonie das Album "Miles in Berlin" ein, eine auf Vinyl gepresste Demonstration dessen, was fünf herausragende Musiker live zustande bringen können.

Viele solcher erhebender Momente hat es in den vergangenen 50 Jahren gegeben - und der ganz besondere Spirit dieses Festivals soll auch vom 30. Oktober bis 2. November wieder aufleben.

Im Rückblick nach vorne schauen

Berlin 1964: Martin Luther King (l.) an der Berliner MauerBild: picture-alliance/akg-images

In vielen Konzerten verweist das Jubiläumsprogramm auf die Anfänge des Jazzfests. So widmet sich der New Yorker Avantgardemusiker Elliott Sharp dem Grußwort Martin Luther Kings zur Eröffnung der ersten Jazztage: "Tribute: MLK Berlin '64" erinnert an die mitreißende Rede des Bürgerrechtlers und schlägt eine Brücke von damals in die Gegenwart. Auch die WDR Big Band hat ein Programm zum Thema entwickelt. Zusammen mit dem US-Jazzsänger Kurt Elling tritt das Orchester mit "Freedom Songs" in der Berliner Gedächtniskirche auf.

Freiheit ist eines der zentralen Themen des diesjährigen Festivals. Vor 50 Jahren war Berlin eine geteilte und eingemauerte Stadt, in der die Worte Martin Luther Kings, eines Kämpfers für Freiheit und Gerechtigkeit eine ganz besondere Sprengkraft hatten. Vor 25 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen, auch dieses Jubiläum geht an dem Jazzfest nicht vorbei. So werden zwei ehemalige DDR-Musiker eine Komposition präsentieren, die noch während des Honecker-Regimes entstanden war.

Der Pianist Alexander von Schlippenbach bringt mit seiner Partnerin Aki Takase ein Tributkonzert für den 1964 in Berlin auf tragische Weise verstorbenen Jazzer Eric Dolphy, auch die Saxophonistin Silke Eberhard erinnert mit ihrem Ensemble an den US-Musiker. Der Pianist Jason Moran tritt mit einer Hommage an den in den 20er und 30er Jahren berühmten Pianisten Fats Waller auf und freut sich darauf, das Berliner Publikum wieder zu sehen: "Während meiner ersten Europa-Tour 1996 habe ich schon dort gespielt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie sehr das Publikum mit dieser Musik vertraut war, und dass die Leute bereit sind, mit den Musikern auf eine Reise zu gehen."

Bis in die letzten Winkel des Jazz

Günter Kieser war viele Jahre für das Plakatdesign verantwortlich: hier 1996Bild: Jazzfest

Festivalleiter Bert Noglik hat bei all den Rückbesinnungen die aktuelle Rolle des Jazz in der Musikszene fest im Blick: "Das Wechselspiel zwischen Tradition und Avantgarde, das uns im Jazz ständig begleitet, ist eine ständige Kraftquelle für neue Entwicklungen", sagte er im DW-Gespräch. Für ihn ist bei der Auswahl der Künstler nicht der große Name wichtig, sondern wie sich alle beteiligten Musiker zu einem Gesamtkonzept zusammenführen lassen. Und das heißt: Den Jazz mit all seinen Möglichkeiten und Spielarten bis in die letzten Winkel ausloten. Von Anfang an wollten die musikalischen Leiter, von Joachim-Ernst Berendt über George Gruntz, Albert Mangelsdorff, Nils Landgren und anderen bis hin zu Bert Noglik dem Festival einen einzigartigen Stempel aufsetzen.

Was dem Publikum nicht immer gefallen hat. Wenn in den Anfangsjahren etwas Experimentelles zu hören war, etwa ein Orchester, das freie Improvisationen vorgeführt hatte, war das selbst dem intellektuellen Berliner Jazzpublikum zuweilen zu viel. Die Buhrufer gehörten bis in die 70er Jahre zum Festival dazu.

Überschaubar

Andere große europäische Festivals wie etwa das JazzBaltica, das Breda Jazzfestival, das Montreux Jazzfestival oder auch die Leverkusener Jazztage schauen weit über den Tellerrand des Jazz hinaus, sind musikalisch sehr breit aufgestellt. Man hört viel Tanzbares, Hip Hop, Funk, Soul, bis hin zu Electro-Dance und DJs, die nach den Konzerten das Publikum bespielen.

Berlin aber bleibt beim originären Jazz und seinen vielfältigen Spielarten. Acid-Jazz-Pioniere wie die Band Incognito sind bei allen großen Jazzfesten zu sehen, die Funk'n'Soul-Truppe Tower of Power ebenfalls. In Berlin standen sie noch nie auf dem Programm.

Der Jazzpublizist Bert Noglik war drei Jahre FestivalchefBild: Sergej Gavrilov

Und so wird sich das Publikum auch in diesem Jahr an vielen Bands und Musikern des Jazzfests die Zähne ausbeißen - Avantgarde im Jazz ist nichts für den Mainstreamer. Das will das Berliner Festival auch nicht. "Berlin versucht, den Jazz in seiner Gesamtheit abzubilden", erklärt Noglik. "Wir wollen Akzente setzen, auch mit unbekannten Musikern, von denen wir aber glauben, dass sie richtungsweisend sind."

Das 50. Berliner Jazzfest wird das letzte für Bert Noglik sein, der die künstlerische Leitung 2012 übernommen hat. Er gehe mit einem guten Gefühl, sagt er, weil er in den drei Jahren sämtliche Freiheiten, die das Festival bietet, ausschöpfen konnte. Mit ihm geht ein sehr alter Hase: Ihno von Hasselt ist seit 1981 Produktionsleiter des Berliner Jazzfests. Mit dem Jubiläum gönnen sich die beiden einen würdigen Ausstand.

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