Das Kaufhaus lebt!
20. Oktober 2009
"Das Kaufhaus tot?", darüber kann Hans Dieter Lehnhoff aus Dormagen nur lächeln. Seinem Ringcenter geht es gut. Seit er das Haus vor einigen Jahren von der Kaufring-Gruppe übernommen hat, konnte er den Umsatz um über zehn Prozent steigern. Gerade investiert Lehnhoff 200.000 Euro in eine neue Sport- und Reiseabteilung. "Ich muss den Menschen hier in Dormagen das bieten, was sie aus den nahen Großstädten Düsseldorf und Köln kennen, dann bleiben sie hier im Ort", erklärt er einen Teil seines Erfolges.
Erfolgsgeheimnis Kundennähe
Der zweite, vielleicht noch wichtigere, ist die Kundennähe: "Wenn Frau Schmidt mir abends auf dem Tennisplatz sagt, bei uns fehlen Röcke in Größe 46, dann weiß sie: Ich kümmere mich am nächsten Tag darum." Eine Nähe, die große Konzerne nicht bieten können. Lehnhoff hat sein Kaufhaus konsequent auf die Bedürfnisse vor Ort ausgerichtet. Als nebenan zwei Drogerie-Märkte eröffneten, trennte er sich jedoch von Drogerieartikeln. Auch CDs führt er nicht, weil ein Elektromarkt in der Nähe preiswerter sein kann. Bei Mode ist er mit Marken wie Esprit oder Adidas dagegen gut aufgestellt, weil es die sonst in Dormagen nicht gibt.
Billig-Kaufhäuser
In Jörg Marins Kaufhäusern sieht es ganz anders aus als bei Lehnhoff. Statt auf Luxus und Shoppingerlebnis setzt er auf den Preis. In seinen Joker Outlets gibt es genauso wie im Ringcenter in Dormagen eine große Auswahl vom Toaster über den Anzug bis zu Schuhen. Doch alles drei bis vier Kategorien billiger. Innerhalb eines Jahres hat Marin 19 Discount-Kaufhäuser eröffnet. Unter anderem in Gebäuden, die Hertie und Wal Mart geschlossen haben, weil sich ihre Geschäfte dort nicht lohnten. Eins haben Marin und Lehnhoff trotz der völlig unterschiedlichen Sortimente gemeinsam: Auch Marin steht tagtäglich in einer seiner Filialen, um das Ohr am Kunden zu haben.
Management-Fehler der Konzerne
Schätzungsweise 150 dieser unabhängigen Kaufhäuser gibt es in Deutschland. Ihre Namen sind nur in der Region bekannt, ihre Konzepte völlig unterschiedlich: "Die Kaufhäuser sind so verschieden wie die Unternehmerpersönlichkeiten, die dahinter stehen", erklärt Dirk Funk von der EK Servicegroup, einer Einkaufsgemeinschaft für unabhängige Händler. Dank des gemeinsamen Einkaufs können die Kaufhäuser auch im Preiskampf mithalten. Auch Funk ist überzeugt: "Das Kaufhaus ist nicht tot. Das sieht man an den vielen Häusern, die uns angeschlossen sind, aber auch an Kaufhof-Filialen, die ebenfalls gute Geschäfte machen." Auch wenn Funk sich um eine deutliche Antwort drückt, durch die Blume gibt er zu verstehen, woran Karstadt und Hertie gescheitert sind: An einem Management, das aus den Konzernzentralen Ware geordert hat, statt vor Ort nachzufragen, was die Kunden kaufen möchten.
Die Mitte verteidigen
"Natürlich müssen auch wir uns in der Krise strecken", gibt Wolfgang Gassmann zu, der in NRW sieben Kaufhäuser führt. PVC-Böden, eng bepackte Regale, keine modernen Erlebniswelten - Gassmanns Häuser sind traditionelle Gemischtwarenläden, die den Charme der 70er-Jahre versprühen. Teure Markenware und billigen Ramsch sucht der Kunde bei ihm vergeblich. Er hat sich preislich in der Mitte zwischen Luxus und Discounter positioniert. Genau dort, wo Karstadt und Hertie gescheitert sind. "Auch dass die Mitte tot sein soll, ist Quatsch", erklärt Dirk Funk: "In der Mitte werden immer noch 60 bis 70 Prozent der Geschäfte gemacht."
Interesse an Hertie-Häusern
In Zukunft könnte die Bedeutung der unabhängigen Kaufhäuser noch einmal steigen. Die Pleite von Hertie hinterlässt eine Lücke, in die mittelständische Kaufhaus-Unternehmer springen wollen. In München hat einer bereits ein Hertie-Haus übernommen, Jörg Marin hat ein Auge auf drei weitere Standorte geworfen. Auch Hans Dieter Lehnhoff wurde bereits ein Hertie-Haus angeboten. Er hat dankend abgelehnt: "Ich muss hier vor Ort sein, sonst verliere ich den Kontakt zum Kunden." Und damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Autor: Michael Westerhoff
Redaktion: Klaus Ulrich