1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jochen Kürten29. Dezember 2005

Auch wenn viele Filmliebhaber inzwischen die heimische Couch dem Kinosessel vorziehen und das Popcorn gegen eine DVD eintauschen, gab es 2005 genügend Gründe, sich von der Leinwand verführen zu lassen.

Szenenfoto aus "King Kong" mit Adrien Brody und Naomi WattsBild: dpa

Blickt man auf das Kinojahr 2005 zurück, könnte man damit beginnen - wie in jedem Jahr - aufzuzählen, welche Filme eine wichtige künstlerische oder auch kommerzielle Rolle gespielt haben. Das große Hollywood-Kino präsentierte sich mit den üblichen Mammutproduktionen von "Star Wars III" bis zu "King Kong". Aber es zeigte sich auch von seiner starken Seite. Und das wurde belohnt: Clint Eastwoods meisterlicher Film, das ergreifende Boxerdrama "Million Dollar Baby", war der große Gewinner beim wichtigsten Filmpreis der Welt, dem Oscar.

24 mal in der Sekunde

Die Gebrüder Dardenne beim Filmfestival in CannesBild: AP

Das europäische Kino machte unter anderem mit starken Werken aus klassischen Filmländern wie Frankreich, Spanien und Italien auf sich aufmerksam. Aber auch kleinere Nationen feierten Erfolge. Die gemeinsam Regie führenden Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne heimsten für ihr Sozialdrama "L´Enfant" ihre zweite Goldene Palme beim Festival in Cannes ein. Michael Haneke bewies mit seinem neusten Werk "Caché", das die meisten Europäischen Filmpreise gewann, dass er zu den führenden Filmemachern des Kontinents zählt. Dazu ist der Österreicher ein kluger Kopf, der sich Gedanken macht über den Zusammenhang von Kunst, Kino und Wirklichkeit: "Es gibt einen berühmten Spruch von Godard, Film ist 24 mal die Wahrheit in der Sekunde. Und ich hab mal gesagt, Film ist 24 mal die Lüge in der Sekunde im Dienste der Wahrheit."

Überraschung aus Afrika

Asiatisches Kino aus China, Japan und Korea präsentierte sich - wie schon in den vergangenen Jahren - ungemein stark und vielfältig. Sympathisch waren auch viele Filme aus Lateinamerika oder aus dem arabischen Sprachraum, die erfreulicherweise den Sprung in die internationalen Lichtspielhäuser schafften.

Die Schauspieler-Crew von "U-Carmen"Bild: AP

Schließlich machte auch ein Kino-Kontinent auf sich aufmerksam, von dem man normalerweise kaum etwas hört: Afrika. Bei der Berlinale ging der Goldene Bär an "U-Carmen" von Mark Dornford-May. Eine überraschende, aber zu begrüßende Entscheidung der Berlinale-Jury für eine Carmen-Version aus Südafrika mit viel Musik und Esprit inszeniert.

Silberner Bär bei der Berlinale für Julia JentschBild: AP

Auch der deutsche Film hatte Grund zum Feiern: Die Geschichte der deutschen Widerstandskämpferin Sophie Scholl mit dem jungen Shootingstar Julia Jentsch gewann einen Silbernen Bären in Berlin, dazu mehrere europäische Filmpreise. Gleichzeitig stand "Sophie Scholl" für das nach wie vor starke Interesse deutscher Filmregisseure an der eigenen Historie.

Strukturelle Probleme

Man könnte die Liste fortsetzen - und doch würde man damit nicht zum Kern des Filmjahres 2005 vordringen. Dieser Kern - so meinen manche Beobachter der internationalen Filmszene - beginnt zu faulen. Oder anders ausgedrückt: das Kino als Medium der Unterhaltung und des künstlerischen Anspruches ist möglicherweise grundsätzlich gefährdet. Die starken Umsatzeinbrüche in den USA, Europa und auch Deutschland sind dabei nur das sichtbarste Zeichen der Krise. Und was ist der Auslöser? Es gibt mehrere Gründe: Die zunehmende Digitalisierung bei der Produktion gefährdet zumindest die klassische Form des Films, begünstigt vor allem computeranimierte Streifen für ein zumeist ganz junges Publikum.

Der anhaltende Siegeszug der DVDs wird zwar von vielen Filmliebhabern auch begrüßt, verringert aber gleichzeitig die Einnahmen der Kinobetreiber. Auch ein verändertes Freizeitverhalten und eine sinkende Kaufkraft vieler Jugendlicher machen der Branche zu schaffen. Statt ins Kino zu gehen, schauen viele lieber DVDs in den eigenen vier Wänden oder beschäftigen sich mit Computerspielen.

 

Fehlende Impulse aus Hollywood

Schließlich trägt die Filmindustrie selbst einen Teil der Schuld am derzeitigen Niedergang des Kinos. Der "Motor Hollywood" ist ins Stottern geraten. Die großen amerikanischen Studios bringen mehr und mehr langweilige, misslungene und künstlerisch uninspirierte Produkte in den Umlauf. Das Kino aus Nordamerika ist die wichtigste Triebfeder der globalen Kinoindustrie. Kriselt es in Hollywood, hat das Auswirkungen auf die ganze Welt.

Thomas Negele, Vorstandsvorsitzender des Hauptverbandes Deutscher Filmschaffender, versuchte sich vor kurzem auf der Jahres-Pressekonferenz der deutschen Kinowirtschaft in Zweckoptimismus: "Das entspricht dem, was Kino schon immer war, nämlich ein zyklisches Geschäft. Das hängt halt auch sehr davon ab, was für Material man kriegt, zu welcher Zeit man das Material kriegt und ob der Besucher es auch wirklich im Moment gerade sehen will."

Der Ausgang dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Das Kino hat schon so manche Talsohle beschritten, meist hat es den Weg nach oben wieder geschafft. Das muss aber nicht für alle Zeiten so bleiben!