Das Klima und die neue Regierung: Gas statt Wärmepumpen?
22. Mai 2025
Als die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor gut zwei Wochen das Amt von ihrem Vorgänger Robert Habeck übernahm, fand sie warme Worte für den Grünen-Politiker. Etwas überraschend war das, war Habeck doch zuvor im Wahlkampf zur Bundestagswahl von konservativen Politikern mit Kritik überschüttet worden. So schimpfte etwa CSU-Chef Markus Söder gleich mehrfach über den "schlechtesten Wirtschaftsminister aller Zeiten".
Nicht so Reiche. Die CDU-Politikern erinnerte daran, wie Habeck nach der Corona-Zeit und beim Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Frühjahr 2022 die folgende Energiekrise gemanagt habe: "Ich möchte Ihnen danken für diese fast übermenschliche Leistung", sagte Reiche. Habeck habe dazu beigetragen, dass "dieses Land durch diese Krise kam", und dabei auch unpopuläre Entscheidungen getroffen. Die Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums quittierten das mit langem Applaus, Habeck war die Rührung anzumerken.
Reiche will Habecks wichtigstes Gesetz abschaffen
Mittlerweile macht sich Reiche aber daran, Habecks wichtigstes Gesetz, das "Gebäude-Energiegesetz" (im Volksmund kurz Heizungsgesetz genannt) so zu ändern, dass von seiner Substanz wenig übrigbleibt. So steht es auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD: "Wir werden das Gebäudeenergie-Gesetz abschaffen", heißt es dort klipp und klar.
Habeck, zuständig auch für den Klimaschutz, hatte während seiner Regierungszeit von 2021 bis Anfang Mai 2025 versucht, eine der entscheidenden Schwachstellen der deutschen Klimapolitik anzugehen: Während der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind voranschreitet, heizen die Deutschen noch überwiegend mit klimaschädlichem Gas. Das Gesetz sollte den Einbau neuer, umweltschonender Wärmepumpen in Häusern fördern und setzte Enddaten für den Betrieb alter Gasheizungen. Aber das Gesetz sorgte für viel Unmut, den Grünen wurde vorgeworfen, in die Heizungskeller der Deutschen hineinzuregieren.
Reiche will das Gesetz nun ändern. Sie sagte im Podcast „Table.Today", das Gesetz in seiner jetzigen Form schreibe mehr oder weniger eine Technologie vor, nämlich die Wärmepumpe. "Es gibt de facto ein Betriebsverbot für Gasthermen, die vor 1991 eingebaut wurden", so die CDU-Politikerin. "Zunächst müssen wir dieses Betriebsverbot abschaffen, um wieder Ruhe in den Markt zu bekommen."
Dabei zog der Einbau von Wärmepumpen nach anfänglichen Problemen gerade zuletzt stark an. In den ersten drei Monaten dieses Jahres stieg der Absatz in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 35 Prozent auf 62.000 Stück. Das teilte der Bundesverband Wärmepumpe in einer Presseerklärung mit. Der Geschäftsführer der Organisation, Martin Sabel, sprach von "Licht am Ende des Tunnels". Die staatliche Förderung von bis zu 70 Prozent der Kosten sei mittlerweile "etabliert", im gesamten Jahr erwarte der Verband einen Absatz von 260.000 Wärmepumpen.
Habeck hatte von 500.000 neuen Wärmepumpen geträumt
Hier zeigt sich allerdings auch, wie kühn die ursprünglichen Ideen Habecks waren: Zu Beginn, im Jahr 2022, hatte er den Einbau von rund 500.000 neuen Wärmepumpen pro Jahr als Ziel angegeben. Aber, so Sabel im Nachrichtenmagazin "Spiegel": "Der Markt kommt allmählich in Schwung, weil sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Abschied von fossilen Energieträgern sinnvoll ist."
Die neue Ministerin Reiche teilte außerdem mit, neben dem Klimaschutz habe ab sofort auch die Versorgungssicherheit Vorrang bei der Regierung. Dazu gehöre, dass neue Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 20 Gigawatt gebaut werden sollten. Gas ist umweltfreundlicher als Kohle, aus dessen Verstromung Deutschland bis 2038 aussteigen will und die derzeit noch etwa 20 Prozent des deutschen Stroms liefert. Auch die alte Regierung hatte deshalb den Bau von Gaskraftwerken befürwortet, allerdings nicht in dem von Reiche genannten Umfang.
Energie-Expertin: Pläne "völlig überdimensioniert"
Reiches Gaspläne brachten die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf den Plan. In den Zeitungen der Mediengruppe Bayern sagt Kempfert, die Gaspläne seien "völlig überdimensioniert". Und weiter: "Auch die Wasserkraft, die Flexibilisierung des Energiesystems und der Einsatz von immer kostengünstigeren Großbatterien wären gangbare Alternativen." Und Martin Kaiser, Klima-Experte der Umweltgruppe Greenpeace, sagte der DW: "Deutschland sollte endlich die fossilen Ketten sprengen, die das Land an teure fossile Importe fesseln. Statt Deutschland mit einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren unabhängiger zu machen, will Katherina Reiche uns in neue fossile Abhängigkeiten steuern."
Spielt also der Klimaschutz in der neuen Regierung keine so große Rolle mehr? Auch wenn Kritiker das argwöhnen, gelang noch vor der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler ein entscheidender Schritt für den Klimaschutz in Deutschland in den nächsten Jahren: Die neue Regierung beschloss ein gigantisches Investitionsprogramm für die Infrastruktur von 500 Milliarden Euro. Dafür musste aber das Grundgesetz geändert werden, weswegen CDU, CSU und SPD auch die Stimmen der Grünen brauchten. Und die setzten durch, dass 100 der 500 Milliarden Euro für den Klimaschutz ausgegeben werden. Manch ein Beobachter sprach vom größten Erfolg der Grünen, ganz am Ende ihrer Regierungszeit.
Hohe Erwartungen an den neuen Umweltminister
Weniger im Zentrum der Debatte steht dabei der neue Umweltminister Carsten Schneider, der in der neuen Regierung nun auch für den internationalen Klimaschutz verantwortlich ist. Martin Kaiser hat klare Erwartungen an den SPD-Politiker: "Richtigerweise versteht er die deutsche Klimaaußenpolitik als wichtigen Teil der Sicherheitspolitik. Schneider will und muss außenpolitisch den globalen Klimaschutz trotz Trump retten. Jetzt muss der Umweltminister bis Ende des Jahres ein Klimaschutzprogramm auflegen, das seine Kolleginnen und Kollegen im Kabinett mit Sofortmaßnahmen in die Pflicht nimmt." Ob Schneider innerhalb des Kabinetts gegen die starke Wirtschaftsministerin Reiche dazu die Chance bekommt, bleibt allerdings abzuwarten.