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Politik

Das Klima und die Populisten

Jefferson Chase
2. Dezember 2018

Rechtspopulistische Parteien wie die AfD torpedieren den Multilateralismus, von dem gerade die Klimapolitik lebt. Schaden sie damit dem Weltklima? Und wie gehen Umweltschützer mit den Klima-Leugnern um?

Klimawandel | Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/Geisler-Fotopress

Karsten Hilse von der "Alternative für Deutschland" (AfD) ist kein Mann, der laute Reden schwingt oder mit einem schneidenden Tonfall auf sich aufmerksam macht, so wie die führenden Köpfe seiner Partei, Alice Weidel und Alexander Gauland, es gerne tun. Ganz zu schweigen vom lautesten Klimawandel-Leugner unter den globalen Populisten: US-Präsident Donald Trump. Als klimapolitischer Sprecher der Rechtspopulisten im Bundestag ist Hilse deshalb aber nicht weniger radikal.

Sein Ziel ist es, dass Deutschland das Pariser Klima-Abkommen der Vereinten Nationen verlässt. Am besten gleich auf der UN-Klimakonferenz in Kattowitz, die in diesem Monat beginnt. Er stellt sich hinter die verbliebenen Braunkohle-Betriebe in den neuen Bundesländern, die bald geschlossen werden sollen, weil sie dem Klima schaden. Und er möchte, dass die Deutschen aufhören, darüber nachzudenken, was man gegen den von Menschen verursachten Klimawandel tun kann. Denn er meint: Nicht der Mensch ist schuld an den steigenden Temperaturen. Dem  53-Jährigen zufolge haben die etablierten politischen Parteien gemeinsam mit den Medien eine irrationale Umwelt-Religion geschaffen, die die Bürger dazu zwingt, für imaginäre Klima-Sünden zu büßen - und zwar auf der ganzen Welt. "Gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vergeht kein Tag, an dem auf die Menschen nicht eingeredet wird, dass sie für die kommende Katastrophe verantwortlich sind und dass sie deswegen brav ihre Unterstützung für die erneuerbaren Energien zahlen müssen", sagt Hilse der Deutschen Welle. So wie er das sieht, ist der Klimawandel eine Ersatz-Religion geworden, und Karsten Hilse und seine Partei sind in diesem Weltbild die rationalen, atheistischen Aufklärer. Mit seinem Versuch, andere von dieser Sichtweise zu überzeugen, fordert Hilse nicht nur die Politik und Medien heraus, sondern auch die Wissenschaft.

"Die Menschheit ist nicht schuld an Klimawandel": AfD-Abgeordneter Karsten HilseBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die Logik von Kopernikus

Vom Deutschen Bundestag aus erreicht man die Parteizentrale der Partei Bündnis 90/Die Grünen in wenigen Minuten mit dem Rad. Auf der wöchentlichen Pressekonferenz dort sagt die Ko-Vorsitzende Annalena Baerbock, die Skepsis der AfD gegenüber dem Klimawandel sei nichts weiter als eine zynische Infragestellung von Wissenschaft. "Die AfD steht nicht hinter der Forschungsfreiheit in unserem Land. Sie akzeptiert nicht, dass wir in den gesamten Umweltbereichen, auch in der Klimadebatte, wissenschaftliche Ergebnisse haben, die von allen Wissenschaftlern dieser Welt getragen werden, sondern sie versucht, die Wissenschaft in Frage zu stellen."

Baerbocks Aussage stimmt nicht ganz: Es gibt in der Tat Wissenschaftler, die das Konzept eines von Menschen verursachten Klimawandels ablehnen, aber sie sind nur wenige und keine Klima-Spezialisten. So wie die Unterzeichner der "Oregon Petition" von 2007, in der einige Forscher den Klimawandel anzweifelten und die als unseriös gilt. Die überwiegende Mehrheit der Experten befürwortet die Vorstellung, dass die Menschheit ihre Lebensweise ändern muss, um den Klimawandel zu bremsen. Für Karsten Hilse von der AfD aber ist Wissenschaft  "keine Demokratie", in der "die Mehrheit" bestimme. "Schauen Sie Kopernikus an, der als erster gesagt hat, dass nicht die Erde in der Mitte unseres Sonnensystems steht, sondern die Sonne", sagte Hilse. "Wieviel Prozent der damaligen Experten haben gesagt, 'Du spinnst?'", fragt er. "Wissenschaft hat nichts mit Demokratie zu tun." Tatsächlich ist Hilses Argumentation aber fehlerhaft: Die Theorie des Kopernikus stellte sich als richtig heraus, weil er ein besserer Wissenschaftler war als seine Verleumder, nicht weil man Experten grundsätzlich nicht glauben sollte.

Unnütze Abkommen oder unnütze Änderungen?

Obwohl die Rechtspopulisten gegen alle Klima-Verträge sind, argumentieren sie auch, dass Maßnahmen wie das Pariser Klimaabkommen bislang wirkungslose Erklärungen seien. Das haben sie mit Nationalisten auf der ganzen Welt gemein: Deshalb kündigte der US-Präsident das Abkommen Mitte 2017 auf. Und auch die neuen nationalistischen Machthaber in Brasilien wollen mit dem Klimaschutz nichts mehr zu tun haben. Auch die populistische Regierung Italiens hält nicht viel vom Paris-Vertrag.

"Die AfD will die Wissenschaft in Frage stellen". Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die Tatsache, dass selbst Deutschland voraussichtlich seine eigenen Klima-Ziele bis 2020 nicht erfüllen wird, ist für Hilse ein Zeichen der Schwäche dieser "nichtbindenden Abkommen". Das Fazit der AfD ist deshalb: Warum also mitmachen? Für die Grünen ist es dagegen ein Grund, die deutsche Bundesregierung dazu zu bewegen, mehr Klimaschutz zu betreiben, statt die Energie auf Diskussionen mit der AfD zu verschwenden.

"Die AfD möchte diese ganze politische Debatte kaputtmachen, deswegen bringt es nichts, sich ständig mit denen auseinanderzusetzen", sagte Baerbock. "Sondern wir müssen die Bundesregierung vor uns hertreiben, die leider zur Zeit nicht die Klimaschutz-Ziele von Paris einhält."

Neue politische Fronten

Zwar ist die AfD in erster Linie eine Anti-Einwanderungspartei. Man könnte Hilse als chancenlosen Einzelkämpfer abstempeln, dessen verquere Weltsicht getrost ignoriert werden kann. Doch Hilse ist nicht allein innerhalb der AfD. Zwar ist die Skepsis der AfD am Klimawandel bislang wenig beachtet worden, aber sie verändert mit ihrer Herangehensweise die Spielregeln der Politik. Hilse erklärt, er wolle nur alternative Perspektiven repräsentieren und "die Menschen selbst sich eine Meinung bilden lassen", aber Baerbock sieht darin etwas Bedrohliches: eine Zerstörung der demokratischen Grundfesten moderner Ökologie. Und das wäre ein doppelter Gewinn für die Rechtspopulisten: "In der FDP und Teilen der Union wird jetzt plötzlich gesagt: Aus Rücksicht auf die AfD sollen wir nicht so viel über die Klimapolitik reden", erklärt Baerbock der Deutschen Welle. "Das ist absolut falsch. Damit geht man den Rechtspopulisten auf den Leim."

Und so trägt der Populismus der AfD dazu bei, dass die deutsche Klimapolitik, die so schon viel an Elan verloren hat, noch weiter geschwächt wird.