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Das lange Ende der D-Mark

Rolf Wenkel17. Dezember 2004

Heimlich und für sich rechnet fast drei Jahre nach der Euro-Einführung so mancher in Deutschland Euro-Preise immer noch in D-Mark um. Warum fällt ihnen der Abschied nur so schwer?

In Frankfurt wacht die EZB über den D-Mark-NachfolgerBild: AP

Den Deutschen ist der Abschied von der D-Mark 2002 viel schwerer gefallen als manch anderem Europäer - was vor allem etwas mit der Erfolgsgeschichte der D-Mark zu tun hatte. Die Währungsreform nach dem zweiten Weltkrieg, als die ersten, noch in Amerika gedruckten, D-Mark-Scheine verteilt wurden, löste einen ungeheuer dynamischen Wachstumsschub im zerstörten Nachkriegsdeutschland aus. Die Währungsreform, die D-Mark und das schon sprichwörtliche Wirtschaftswunder in den 1950er und 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind untrennbar miteinander verbunden.

Erfolge und Stürme

Natürlich kam den Deutschen am Anfang zu Hilfe, dass die D-Mark von anderen Nationen misstrauisch beäugt wurde, dass sie jahrelang chronisch unterbewertet war, was der deutschen Wirtschaft zu enormen Exporterfolgen verhalf - und nicht nur zeitweise zur Vollbeschäftigung führte, sondern sogar zu einem Arbeitskräftemangel, der in die Anwerbung von Gastarbeitern aus Griechenland, Portugal, der Türkei und anderen Ländern des südlichen Europas mündete - heute fast schon unvorstellbar.

Schwerer Abschied: D-Mark- Scheine mit MünzenBild: Illuscope

Und natürlich hat die D-Mark in rund 50 Jahren auch manchen Sturm überstanden. Unvergessen sind die Ölpreisschocks der 1970er Jahre, unvergessen auch die exorbitanten, zweistelligen Lohnforderungen der Gewerkschaften, die für die Arbeitnehmer so viel wie möglich vom neuen Wohlstandskuchen abschneiden wollten. So etwas tut keiner Währung gut. Und trotzdem hat die deutsche Bundesbank es immer verstanden, die Währung stabil zu halten, die Inflation einzudämmen. Dank ihrer verfassungsrechtlich geschützten Unabhängigkeit - übrigens auch ein Vorbild für die Europäische Zentralbank - hat sie die D-Mark nicht nur stabil gehalten, sondern zu einer weltweit anerkannten Leitwährung gemacht, neben dem Dollar natürlich.

Stolz einer Nation

Ja, die Deutschen waren stolz, nicht auf ihre schwarz-rot-goldene Fahne, nicht auf den Bundesadler, sondern auf ihre D-Mark. Vielen anderen Europäern ist es da viel leichter gefallen, auf ihre nationale Währung zugunsten des Euro zu verzichten, vermutlich, weil sie insgeheim die Hoffnung hegten, etwas von der legendären Stabilität der D-Mark zu erben. Und wenn man ehrlich ist, dann ist der Euro ja auch tatsächlich seit seiner Bargeldeinführung erstaunlich stabil geblieben. Der Euro hat für die Deutschen weder das Auto noch die Waschmaschine teurer gemacht - höchstens das Essen und Trinken und einige Dienstleistungen.

Billiger Urlaub dank der DollarschwächeBild: Bilderbox

Im Gegenteil. Dank der momentanen Dollarschwäche spüren die Europäer die enormen Preissteigerungen bei Rohöl, Stahl und anderen Rohstoffen viel weniger als die Menschen in anderen Regionen dieser Welt. Und sie können in Ländern mit Dollar oder an den Dollar gebundenen Währungen viel billiger Urlaub machen. Dies liegt aber weniger am starken Euro als am schwachen Dollar. Nein, alles in allem werden die Deutschen, wenn man sie nach der D-Mark fragt, heute nur noch mit der Schulter zucken. Das ist Geschichte, und mit dem Euro kommen sie auch ganz gut klar.

Billiglohn-Konkurrenz

Bis auf eine Kleinigkeit: Früher waren die deutschen Unternehmen gezwungen, ihre hohen Weltmarktpreise, verursacht durch die hoch bewertete D-Mark und die hohen Löhne, durch Innovationen, Effizienz, Qualität und Liefertreue zu rechtfertigen. Die starke Mark ist eine "Innovationspeitsche", sagte man früher. Heute stecken die europäischen Unternehmen mit dem starken Euro und dem vergleichsweise hohen europäischen Lohnniveau in einer ähnlichen Rolle. Doch statt auf Innovationen, Qualität und Effizienz zu setzen, scheinen sie den Konkurrenzkampf zu verlagern - auf die Löhne, auf die Arbeitszeiten, auf die Arbeitsbedingungen.

Genau diese Erfahrung machen die Deutschen zur Zeit. Immer öfter wird von ihnen verlangt, für weniger Geld länger zu arbeiten, damit ihr Arbeitsplatz nicht verschwindet. Dabei müsste doch klar sein, dass kein Westeuropäer den Konkurrenzkampf gegen die niedrigen Löhne und die schwachen Währungen der Billiglohn-Konkurrenz in Osteuropa und Asien gewinnen kann. Diesen aussichtslosen Kampf kann man auch nicht dem starken Euro anlasten. Stattdessen wären Innovationen und Qualität gefragt - wie früher, zu Zeiten der starken D-Mark.

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