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Das Laster ewige Jugend und die ausgefallene Rebellion

Soraia Vilela, zurzeit in Frankfurt am Main15. Mai 2006

Was macht die Jugend von heute aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Schirn Kunsthalle Frankfurt in einer aktuellen Ausstellung. Mit 160 Kunstwerken von 50 Künstlern nähert sich das Museum dem Thema.

Skaten oder Beim-Skaten-Zuschauen als LebensstilBild: Kunsthalle Schirn

Die "rebels without a cause" sind endgültig out. Die Teenager, so glauben die Ausstellungsmacher, haben den Außenseiterstatus längst verloren. Der Generationskonflikt gilt, zumindest auf dem ersten Blick, als gelöst. Wie die eigenen Eltern zu werden, scheint kein Albtraum mehr zu sein. Rebellische Gestalten wie die aus der 1968er-Generation sind eine historische Kuriosität. Heftige Widerstände jeglicher Couleur werden als sinnlos betracht, weil alle Symbole des rebellischen Teenager-Verhaltens schon lange "von der Popkultur dekonstruiert und aufgesogen worden sind", so steht es im Katalog zur Ausstellung.

Gavin Turk: CheBild: Kunsthalle Schirn

In der Schau ist dieser Blickpunkt unter anderem in der Skulptur "Che" des britischen Künstlers Gavin Turk zu finden. Die Rebellions-Ikone der 1970er wird hinter eine Glasvitrine positioniert, unbeweglich und musealisch wie im Wachsfigurenkabinett.

Wenn überhaupt noch ein Rest vom Protest unter der Jugend von heute zu finden sei, dann als "introvertierte Privatsache", hinter verschlossenen Türen und nur für "Erwählte", die "Bescheid wissen". Hierfür sei die Techno-Szene ein gutes Beispiel.

Eine Frage des Copyrights?

João Onofre: CastingBild: Kunsthalle Schirn

Das Szenario: Ein System, das sich nicht verändern will, integriert die Veränderung als stabilisierenden Faktor. Modetrends und neue Technologien, von den Jugendlichen in hohem Maße konsumiert, füttern die Bedürfnisse des Markts. Man wird gecastet und soll einem bestimmten Profil dienen, wie die leeren Wiederholungen im Video des portugiesischen Künstlers João Onofre sichtbar machen.

Oder der jugendliche Körper zum Austragungsort verborgener Gesellschaftskonflikte. Wie im visuellen Code des türkischen Mädchens mit dem Kopftuch, der "als Sexualisierung des politischen Vorbehalts und als Politisierung des sexuellen Vorbehalts" benutzt wird. Irgendwann stellt sich schließlich die Frage: "Wem gehört die Jugend, wer hat das Copyright?

Die post-adoleszenten 30-Jährigen

In der jugendlichen Musikszene, die seit Anfang der 1990er durch die Elektronik bestimmt wird, sei das Phänomen am besten erkennbar: Die so genannte Jugend von heute wird immer weiter ausgedehnt. Man zieht sich jung an, lebt in einer WG, ist zwar 30, aber macht immer noch ein Praktikum. Das Erwachsensein fällt einem schwer und es sei nichts Außergewöhnliches, mit 40 die ganze Nacht im Club (eigentlich im Jugendclub) zu verbringen. "Das Erreichen des 30. Lebensjahres führt nicht mehr zu einer unsichtbaren Durchtrennung der Nabelschnur unserer Jugend", lautet das Verdikt.

Akteure im öffentlichen Raum

Obwohl man sich zunehmend in Transiträumen befindet, wie Ferienanlagen, Flughäfen oder Einkaufszentren, wird die "traditionelle" Stadt in der Schau als zentraler Lebensraum gesehen, in dem Szenen, Sounds und Stilrichtungen miteinander in Berührung kommen.

In diesem urbanen Raum wird - zur Erleichterung des Ausstellungsbesuchers - der Jugend ein restliches Bewusstsein zugeschrieben. Durch Graffiti oder das Parkour (eine Mischung aus Skateboard-Akrobatik und Spiderman-Animation, in den Banlieues Frankreichs erfunden, wobei die Akteure, so genannte Traceurs oder Yamasaki, bloß mit Sportkleidung bewaffnet, über Balkone, Mauern, Geländer und selbst Hausdächer rennen) wird die Jugend von heute wieder als Subjekt betrachtet.

Leider ist dies das einzige Ausstellungskapitel, das sich von der gut genährten, schön ausgebildeten und halb gelangweilten Jugend ein wenig distanziert und den Blick in eine andere Richtung lenkt. Auch wenn es dabei kein Anzeichen von der revoltierenden Jugendlichen gibt, die sich vor gar nicht langer Zeit in den Straßen von Paris oder in Berliner Schulen bemerkbar gemacht haben. Von Unterschieden oder Andersartigkeit ist in der Frankfurter Schau leider überhaupt nicht die Rede.

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