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Politik

Das Leid der Jemeniten

8. Mai 2017

Seit vier Jahren befindet sich der Jemen im Krieg. Nun droht dem Land eine Cholera-Epidemie. Um sie einzudämmen zu können, wäre zuerst ein Ende der Kämpfe nötig. Hoffnung ruht nun auf US-Präsident Donald Trump.

Jemen Sanaa Ausbruch der Cholera
Bild: Reuters/K. Abdullah

Seit Monaten wird in vielen jemenitischen Städten der Müll nicht regelmäßig oder überhaupt nicht mehr abtransportiert. Vor allem in den Vorstädten stapelt sich der Abfall, und dort machen sich die Folgen der Verunreinigung am stärksten bemerkbar. Bereits im vergangenen Oktober wurden im Jemen erste Fälle von Cholera-Erkrankungen registriert. 108 Todesfälle hat man bislang gezählt, in über 23.000 Fällen besteht der Verdacht einer Infektion. Die ersten Fälle treten meist in den Außenbezirken der Städte auf.

"Wir haben die Sorge, dass die Krankheit sich zu einer Epidemie ausweiten könnte", sagte Ghassan Abu Tschaar, Sprecher der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Nach zwei Jahren Krieg sei das Gesundheitssystem des Jemen zusammengebrochen, so der Sprecher weiter. Zudem seien viele Krankenhäuser zerstört.

Auch ein Sprecher des jemenitischen Gesundheitsministeriums bestätigte den Ausbruch der Cholera. Bereits in zehn Provinzen habe man Erkrankungen registriert, erklärte er gegenüber AFP.

Tödliche Gefahr: Müll in den Straßen von SanaaBild: Reuters/K. Abdullah

Weltweit größte Hungersnot befürchtet

Mehr und mehr ist die Bevölkerung neben den direkten nun auch den indirekten Folgen des Krieges ausgesetzt, so etwa infektiös übertragenen Krankheiten wie Cholera. Viele Menschen leiden aufgrund der Verunreinigungen an dauerhaftem Durchfall sowie an Erbrechen.

Seit Beginn des Krieges im Frühjahr 2013 starben nach UN-Angaben rund 10.000 Menschen. Fast 7,5 Millionen Kinder sind demnach dringend auf medizinische Hilfe angewiesen. 2,2 Millionen sind schlecht und fast eine halbe Million akut unterernährt. 

Insgesamt, warnten die Vereinten Nationen Ende April, sähen rund 17 Millionen Jemeniten einer Hungersnot entgegen. Die sei nur durch rasche und umfangreiche Hilfslieferungen abzuwenden. UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte vor wenigen Tagen, der Jemen sei Bühne der "weltweit größten Hungersnot".

Diese verschärft nun die ohne bereits schwierigen Lebensumstände in dem südarabischen Land. Laut Ärzte ohne Grenzen beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung dort 62 Jahre für Frauen und 59 für Männer. Zum Vergleich: In Deutschland werden Frauen im Durchschnitt 82 Jahre alt und Männer 77. Die Säuglingssterblichkeit liegt im Jemen bei 75 Promille (in Deutschland: 4 Promille).

Warnt vor humanitärer Katastrophe: UN-Generalsekretär Antonio Guterres (Mi.)Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Flauraud

Politische Lösung gefragt

Ein Ende der Krise sei ohne eine politische Lösung des Konflikts nicht absehbar, erklärte Shabia Mantoo, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, dem Fernsehsender Al-Jazeera. "Die Krise muss gelöst werden", so Mantoo. "Erst dann können wir helfen."

Doch noch ist ein Ende des Konflikts im Jemen mit erheblichen Fragezeichen verbunden. Nachdem sich Anfang 2015 schiitische Huthi-Rebellen gegen die Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi erhoben hatten, schaltete sich bald auch eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition mit Luftangriffen in den Konflikt ein. Sie unterstützt Präsident Mansur Hadi und fliegt auf dessen Seite Angriffe auf die Rebellen. Indirekt an dem Konflikt beteiligt sind auch dschihadistische Gruppen wie Al-Kaida und der sogenannte "Islamische Staat" (IS), die ihre Präsenz in dem Land zu festigen versuchen.

Ein Stellvertreterkrieg

Der Konflikt im Jemen sei ganz wesentlich ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, sagt der Islam- und Politikwissenschaftler Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Gespräch mit der DW. "Es ist in allererster Linie ein politischer und ein geostrategischer Konflikt", so Sons. Aus saudischer Sicht gründe er auf dem Umstand, dass Iran insbesondere seit 2003 - dem Jahr, als Saddam Hussein im Irak gestürzt wurde - in der arabischen Welt deutlich an Einfluss gewonnen habe.

Diese Wahrnehmung habe sich in den letzten Jahren noch einmal deutlich verstärkt. "Saudi-Arabien sieht sich in zahlreichen Ländern iranischen Verbündeten gegenüber. Das ist nicht nur im Irak der Fall, sondern auch in Syrien, in Bahrein, im Jemen, im Libanon. Diese Länder werden aus saudischer Sicht vom Iran kontrolliert. Meines Erachtens trifft das in vielen Punkten allerdings nicht zu. Eher folgt die Empfindung einer anti-iranischen Obsession."

Konstruktiver Dialog: der saudische Verteidigungsminister Mohammed bin Salman und US-Präsident Donald TrumpBild: picture alliance/dpa/M.Wilson

Hoffnung ruhen auf Trump

Jetzt richtet sich die Hoffnung auf die Reise von US-Präsident Trump Ende Mai nach Saudi-Arabien. Bereits Mitte März hatte Trump den stellvertretenden saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Washington empfangen. Das Gespräch markiere "eine bedeutende Veränderung der Beziehungen - und zwar auf politischer, militärischer und wirtschaftlicher Ebene wie auch in Sicherheitsfragen", erklärte ein Berater des saudischen Prinzen nach dem Treffen. 

Vor allem in einem Punkt seien sich Bin Salman und US-Präsident Trump einig gewesen, so der Berater damals: "Sie haben dieselben Ansichten über die iranische Expansion in der Region", so der saudische Berater.

Trump selbst gibt sich mit Blick auf die bevorstehende Reise optimistisch. Sie werde mit einem "wirklich historischen Treffen in Saudi-Arabien mit Führungspersönlichkeiten aus der ganzen muslimischen Welt" starten, sagte Trump. "Dort werden wir eine neue Grundlage der Kooperation und der Unterstützung mit unseren muslimischen Alliierten schaffen, um den Extremismus, Terrorismus und die Gewalt zu bekämpfen."

Gelingt es, bei diesen Gesprächen die Sorgen Saudi-Arabiens zumindest ein Stück zu verkleinern, könnte dies auch Auswirkungen auf den Krieg im Jemen haben. Nicht nur die Diplomaten in Washington und Riad, auch und vor allem die Jemeniten knüpfen hohe Erwartungen an das Treffen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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