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Das Massaker von My Lai

13. November 2009

Vor 40 Jahren erschütterte die Nachricht über das Massaker von My Lai die USA. Amerikanische Soldaten hatten fast alle Dorfbewohner ermordet. Die Mär vom sauberen Krieg in Vietnam war endgültig dahin.

Ein Reisfeld vor dem vietnamesischen Dorf My Lai (Foto: Michael Marek)
Ländliche Idylle: My Lai heuteBild: Michael Marek

My Lai, rund 550 Kilometer nordöstlich von Saigon: Die Landschaft ist geprägt von grün schimmernden Reisfeldern, begrenzt durch kleine Dämme und schmale Wasserläufe. Eine ländliche Idylle mit Kokospalmen und Wasserbüffeln. Mitten im Dorf liegt eine Gedenkstätte, die an eines der schwersten Massaker der US-Armee erinnert: Die Tragödie von My Lai.

Am Eingang steht Pham Thanh Cong. Er leitet die Gedenkstätte und ist einer der letzten Überlebenden des Massakers von 1968. Damals hatten US-Soldaten der "Charlie Company" das Dorf auf der Suche nach Angehörigen des Vietcong angegriffen, der südvietnamesischen Kommunisten. „Sie umzingelten die Dorfbewohner, teilten sie in drei große Gruppen ein und erschossen sie innerhalb von fünf Stunden“, erzählt der US-Journalist Seymour Hersh. Der renommierte US-Journalist hatte mit seinem Zeitungsartikel vor 40 Jahren das Massaker überhaupt erst aufgedeckt.

Leben ohne Mutter und Vater

Pham Thanh Cong, Überlebender des Massakers von My LaiBild: Michael Marek

"Meine Familie und ich wurden von amerikanischen Soldaten in einen Bunker getrieben“, erzählt Pham Thanh Cong. Elf Jahre war er damals alt. Dann eröffneten sie das Feuer, auch Handgranaten benutzten sie. "Alle waren total zerfetzt, aber mit ihren Körpern haben sie mich beschützt. Ich lag bewusstlos zwischen all den Leichen“, erinnert sich der heute 52-Jährige. Cong verbrachte eine Kindheit ohne Vater und Mutter. Er habe schrecklich darunter gelitten. Er musste bei Verwandten weit weg von My Lai leben. Die Regierung schickte ihn zur Schule und zur Universität. Schließlich betraute man Pham Thanh Cong mit der Leitung der Gedenkstätte. Seit 1992 arbeitet er nun hier.

Gewissensbisse überlebt zu haben

Pham Thanh Cong ist ein höflicher Mensch, mit einer fast militärischen Ausstrahlung. Seine Gesten sind auch bei großen Worten sparsam: "Es ist meine Pflicht, von den Verlusten und den Schmerzen unseres Volkes zu erzählen und von unseren Einzelschicksalen. Es ruft in mir Gewissensbisse hervor, überlebt zu haben.“

Ein weltberühmtes Bild

In der Gedenkstätte hängt ein Foto, auf der eine alte Vietnamesin zu sehen ist. Vom Rand her schiebt sich eine Gewehrmündung ins Bild, berührt die Schläfe der Frau. Die Kugel kann ihr Ziel nicht verfehlen. Die Frau wird sterben. Und sie starrt ins Objektiv der Kamera. Todesangst. Der Schütze ist unsichtbar. Anonym. Der US-Fotograph Ronald Haeberle hatte 1968 auf den Auslöser gedrückt. Das Bild gehört zu den bekanntesten des Krieges, millionenfach wurde es gedruckt und hängt in vielen Museen Vietnams. Auch am Tatort – My Lai.

Der Eingang zur GedenkstätteBild: Michael Marek

In der Gedenkstätte von My Lai hängt heute eine schwarze Tafel. Darauf die eingravierten Namen der 504 Ermordeten. Daneben liegen US-amerikanische Beutewaffen und zwei gläserne Behälter, in denen entstellte Föten schwimmen. Durch den US-Einsatz des hochgifttigen Entlaubungsmittels Agent Orange erkrankten zwei Millionen Vietnamesen. 500.000 Kinder kamen missgebildet zur Welt.

"Nach Kriegsende hassten wir die Amerikaner sehr", sagt Pham Thanh Cong, "aber heute, in der Zeit des Friedens und der Öffnung, pflegen wir freundschaftliche Beziehungen und hegen keinerlei Rachegefühle“. Heute fotografieren hier Touristen, Kriegsveteranen, Schüler und Journalisten. Eine US-amerikanische Organisation hat Geld für ein kleines Krankenhaus gespendet. In My Lai plant man jetzt den Bau eines Golfplatzes und eines Luxushotels.

Autor: Michael Marek

Redaktion: Benjamin Hammer/Miriam Klaussner