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Das Nachbeben des Urknalls

Dirk Lorenzen18. März 2014

Wer weiß, was vor 14 Milliarden Jahren war? Die Beobachtungen einiger Astronomen stützen die Theorie, dass sich das Universum direkt nach dem Urknall explosionsartig ausgedehnt hat.

Weltall Erdumlaufbahn
Bild: REUTERS

Das Echo des Urknalls

01:11

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Das älteste Licht im Universum ist die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist das Nachleuchten des Urknalls, der nicht laut, sondern vor allem hell war - Urblitz wäre die bessere Bezeichnung. Das Nachleuchten ist allerdings mittlerweile so schwach, dass die Astronomen es nur mit speziellen Teleskopen erkennen. In diesen erscheint der Himmel nicht als Ansammlung von Sternen, Planeten und Galaxien - das Nachleuchten des Urknalls sieht aus wie ein himmlischer Flickenteppich.

Unterschiedlich große Flecken reihen sich aneinander, manche etwas heller, andere etwas dunkler. Das Team um John Kovac von der Harvard-Universität hat nun entdeckt, dass die Flecken in der Hintergrundstrahlung nicht ganz gleichmäßig verteilt sind, sondern viele kleine Wirbel bilden. Das sei, so behaupten die Forscher, ein Nachweis für die kosmische Inflation, das rasante Ausdehnen des gesamten Kosmos einen Sekundenbruchteil nach dem Urknall.

Aberwitzige 10 hoch minus 34 Sekunden

Nach der gängigen Theorie ist das Universum im Urknall entstanden und hat begonnen, sich auszudehnen. Doch schon unvorstellbare 0,000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 1 Sekunden nach dem Urknall - ein Wimpernschlag dauert daran gemessen eine Ewigkeit - hatte die normale Ausdehnung ein Ende. Plötzlich blähte sich das Universum viel schneller auf. Es wuchs fast schlagartig von nicht einmal Atomgröße auf die Ausmaße eines Basketballs. Danach ging die Ausdehnung des Weltalls im normalen Tempo weiter. Sie hält bis heute an.

Diese kosmische Inflation ist seit über 30 Jahren eine sehr populäre Theorie. Denn sie hilft den Forschern, den heutigen Aufbau des Universums zu erklären. Allerdings war die Inflation bisher eine rein theoretische Spielerei, die sich nicht überprüfen ließ. Nun scheinen John Kovac und sein Team zumindest einen indirekten Hinweis auf die Inflation gefunden zu haben: "Dieses Signal zu entdecken, war eines der größten Ziele der Kosmologie", schwärmt der Forscher.

Das Echo des Urknalls

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Eisiger Beobachtungsplatz

Der Beobachtungsort für die Spuren der Inflation könnte kaum unwirtlicher sein: Das Teleskop BICEP steht mitten in der Antarktis und starrt von dort in die Tiefen des Alls. "Nirgends auf der Erde ist man dem Himmel näher als am Südpol. Dort ist es sehr trocken und perfekt klar - der ideale Ort, um das Nachglühen des Urknalls zu beobachten", erklärt Kovac. Der Name des Teleskops bedeutet Bizeps - und die Astronomen lassen mit diesem Teleskop in der Tat die Muskeln spielen.

Nie zuvor haben Forscher Informationen aus so früher Zeit der kosmischen Geschichte empfangen. Bisher galten die ersten 400.000 Jahre des Kosmos als unbeobachtbar - denn damals war der Kosmos ein undurchdringlicher Nebel. Erst danach klarte es im Weltall auf. Doch beim rasanten Ausdehnen des Kosmos während der Inflationsphase sind Gravitationswellen entstanden, kleine Riffel in Raum und Zeit, die den Weltraum kurzzeitig etwas erbeben lassen. Das zumindest folgt aus der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein. Die Gravitationswellen haben dazu geführt, dass die Flecken im Nachglühen etwas verwirbelt sind.

Jagd nach dem Nobelpreis

Jahrelang haben die Forscher nach diesen schwachen Wirbeln gesucht. Sie zu finden ist etwa so schwierig wie eine Zeitung durch eine Milchglasscheibe zu lesen. Doch nun endlich wähnen sich die Forscher am Ziel ihrer Träume. Die etwas ungewöhnliche Veröffentlichung, nicht in einer Fachzeitschrift, sondern auf einer Pressekonferenz, zeigt, dass die Forscher es sehr eilig hatten. Womöglich fürchteten sie, Konkurrenten kämen ihnen zuvor. Auch vermeintlich stets nüchterne Wissenschaftler sind nicht frei von Eitelkeiten. Lohn dieser Entdeckung könnte eines Tages der Physik-Nobelpreis sein, sofern sich die Behauptungen der Südpol-Forscher bestätigen.

Viel Theorie - noch mehr Rätsel

"Diese Entdeckung hilft uns, ganz grundlegenden Fragen nachzugehen: Warum existieren wir? Wie hat das Universum begonnen?", freut sich Avi Loeb, renommierter Theoretiker an der Harvard-Universität. Aber die Astronomen stecken weiter im Dilemma: Sie haben eine wunderbare mathematische Theorie, die Aufbau und Entwicklung des Weltalls beschreibt. Doch diese Theorie erklärt nicht einmal fünf Prozent des Kosmos. Dagegen sollen 95 Prozent des Weltalls aus Dunkler Materie und Dunkler Energie bestehen, wobei die Forscher nicht den Hauch einer Ahnung haben, was physikalisch dahinter steckt.

Wissenschaftler vergessen oft, was Tatsache ist und was Theorie. Die Allgemeine Relativitätstheorie gibt es seit fast 100 Jahren - sie gilt mittlerweile als Tatsache. Doch der direkte Nachweis der Gravitationswellen mit Hilfe von Messinstrumenten auf der Erde steht noch immer aus. Auch dass das Universum - wie stets behauptet - 13,8 Milliarden Jahre alt ist, ist keine echte Messung. Dieser Wert ergibt sich, wenn man Beobachtungsdaten der Hintergrundstrahlung mit Hilfe der derzeit populärsten Theorie auswertet. Eine andere Theorie könnte zu einem ganz anderen Ergebnis kommen.

Grandioser Irrweg wie einst in der Antike?

In der Geschichte der Wissenschaft gibt es etliche Beispiele, wie sich vermeintlich bestens funktionierende Modelle doch noch als völlig falsch herausgestellt haben. Anderthalb Jahrtausende waren die Astronomen überzeugt, dass die Erde im Zentrum der Welt stünde und Sonne, Mond, Planeten und Sterne um uns herum kreisen.

Das in der Antike entwickelte mathematische Modell dazu war höchst elegant - aber mit der Natur hatte es bekanntlich nichts zu tun. Manche Kosmologen fürchten, man sei heute wieder an einem ähnlichen Punkt. Das großartige Modell des Urknalls mag mit dem Hinweis auf die Inflation eine weitere Stütze bekommen haben - doch die Forscher sind noch lange nicht am Ziel. Die ganz großen Fragen nach dem Warum, Woher und Wohin sind noch lange nicht beantwortet.

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