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Der hochgiftige Kampfstoff VX

24. Februar 2017

Kim Jong Nam, der Halbbruder des nordkoreanischen Diktators, wurde mit einem ungewöhnlichen Kampfstoff ermordet: VX kann Menschen innerhalb von Minuten töten. Die Substanz ist international geächtet.

Munster - Vernichtung von chemischen Waffen GEKA
Bild: Nigel Treblin/Getty Images

Ermittler: Das Giftgas VX hat Kim Jong Nam getötet

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VX ist der giftigste bekannte chemische Kampfstoff. 0,4 Milligramm davon reichen aus, um einen 100-kg-Mann zu töten, wenn er das Gift verschluckt. Auch eine Aufnahme über die Haut ist tödlich: 8,6 Milligramm sind bereits zuviel.

Die Substanz hält sich in der Umwelt viel länger als andere Nervengase. Das ist auch einer der Gründe, warum VX in der Vergangenheit selten bei militärischen Konflikten eingesetzt wurde: Es ist selbst für Soldaten zu gefährlich zu handhaben und kann auch Wochen nach einer Schlacht noch Menschen töten.

Entdeckt bei Suche nach Pflanzenschutzmitteln

In den 1950er Jahren fand der Chemiker Ranajit Gosh das Organophosphat VX, als er in einem Labor der britischen Imperial Chemical Industries an Pestiziden forschte.

Abfallprodukte der ehemaligen VX-Bestände der US-Armee stehen für die Verbrennung bereit Bild: AP

Der Stoff VG - eine nah verwandte Substanz - wurde damals als Pestizid für kurze Zeit unter dem Namen Amiton vermarktet. Aber sehr schnell stellte sich heraus, dass dieser Stoff viel zu gefährlich für die Landwirtschaft war.

Später führten militärische Forschungslabore die Arbeit mit VX fort. Die USA begannen in den 1960er Jahren eine Massenproduktion und auch die Sowjetunion stellte einen ähnlichen Kampfstoff her: VR, auch bekannt als "russisches VX".

Nach dem Ende des kalten Krieges wurden alle Kampfstoffe der V-Gruppe durch die Chemiewaffen-Konvention von 1997 verboten. Die Unterzeichnerstaaten vernichteten in den folgenden Jahren ihre Bestände. Nordkorea hat die Konvention allerdings nicht unterzeichnet.

Vorfälle: Irak, Japan, Malaysia

Trotz internationaler Ächtung gab es in der Geschichte mehrere Fälle, in denen VX als Waffe eingesetzt wurde. Der wahrscheinlich grausamste Fall war ein Giftgasangriff der Truppen des Diktators Saddam Hussein gegen kurdische Zivilisten in der Stadt Halabja im Nordirak im Jahr 1988. Etwa 5000 Menschen - vor allem Frauen, Kinder und ältere Männer - starben bei dem Kriegsverbrechen.

Trauer um die Liebsten von Halabja. Irakische Truppen hatten die kurdische Stadt mit Giftgas angegriffenBild: Reuters

Ermittler konnten nicht eindeutig klären, ob und wie viel VX bei dem Luftangriff benutzt worden war. Vermutlich hatten die Truppen einen regelrechten Giftgas-Cocktail über der Stadt abgeworfen. Darin enthalten waren mit Sicherheit Sarin, Tabun und Senfgas.

Nach der Besetzung des Iraks fanden US-Soldaten zwar keine Produktionsanlagen für VX, aber eine Ermittlungskommission der Vereinten Nationen fand VX-Spuren auf Fragmenten verschossener Granaten.

Möglicherweise waren die Granaten als Zweikomponenten-Kampfstoffe eingesetzt worden: Eine Bombe enthält dann zwei Container mit unterschiedlichen Kampfstoffen. Erst wenn sich die Chemikalien bei der Explosion vermischen und miteinander reagieren, entsteht VX.

Giftgastäter Shoko Asahara, Gründer der Aum-SekteBild: AP

Sicher ist indes, dass Shoko Asahara, der Anführer der japanischen Weltuntergangssekte Aum Shinrikyo, in den frühen 1990er Jahren VX synthetisiert und damit einen Menschen umgebracht hat. In einem weiteren Vorfall hat er zwei Menschen mit VX verletzt. Später, im Jahr 1995, begann er einen Anschlag auf die U-Bahn in Tokio. Dabei setzte er allerdings Sarin ein, tötete dadurch 13 Reisende und verletzte mehr als tausend.

Der letzte bekannte VX-Fall ist die Ermordung von Kim Jong-Nam, dem Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-Un am 13. Februar 2017 am Flughafen von Kuala Lumpur in Malaysia.

Wie wirkt das Gift?

VX ist eine ölige Flüssigkeit. Sie gelangt leicht über die Haut in den Körper. Noch viel gefährlicher ist das Gift, wenn es eingeatmet wird. Dazu muss das VX zunächst in eine Aerosolform überführt werden, etwa bei einem Einsatz auf dem Schlachtfeld. 

Egal, ob über die Lunge oder über die Haut: Die Substanz dringt schnell in den Körper ein. Einmal drin, blockiert die Verbindung ein Enzym namens Acetylcholinesterase. Dieses hat eine wichtige Funktion im Nervensystem: Es baut den Neurotransmitter Acetylcholin ab.

Hat der Mensch eine VX-Vergiftung, sind die Nerven kontinuierlich gereizt: Die Nase fängt an zu laufen, das Opfer sieht schlecht, die Augen schmerzen, das Atmen fällt schwer, der Speichelfluss nimmt zu. Das Opfer erleidet Muskelkrämpfe, schwitzt stark und verliert das Bewusstsein, dann setzt die Atemmuskulatur aus, das Opfer erstickt.

Wird die Vergiftung früh genug erkannt, können Patienten mit einer Kombination der Medikamente Atropin, Pralidoxim und Diazepam behandelt werden. Die ersten beiden Substanzen lindern die Giftwirkung des VX. Das dritte Medikament entspannt die Muskeln.

Übrigens: Für geschulte Chemiker ist die Herstellung von VX mit regulären Laborausstattungen kein Ding der Unmöglichkeit.

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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