Das Netzwerk des afrikanischen Terrors
9. März 2015Boko Haram steht seit Jahren zum ersten Mal unter massivem Druck: Die Nachbarländer Niger und Tschad haben mit einer Militäroffensive gegen die Terroristengruppe begonnen. Soldaten aus beiden Ländern haben die Dschihadisten-Terrormiliz nach dreieinhalb Monaten aus der nigerianischen Stadt Damasak vertrieben. Vor gut zwei Wochen eroberte bereits die nigerianische Armee die umkämpfte Stadt Baga zurück. Am vergangenen Sonntag schwor Boko-Haram-Führer Abubakar Shekau in einer Audiobotschaft nun angeblich dem Anführer der Terrormiliz "Islamischer Staat" die Treue.
"Es gilt jetzt, Stärke zu zeigen und ein Signal an die eigenen Gefolgsleute zu senden", sagt der Afrika-Analyst Marc Engelhardt. Er hat in seinem jüngsten Buch die Geldquellen afrikanischer Terrororganisationen aufgezeigt und beleuchtet darin auch ihre Verbindungen untereinander. "Dadurch, dass man sich die derzeit stärkste Terrororganisation zum Vorbild nimmt und man mit ihr zusammen arbeiten will, hofft man natürlich auch, dass diese Stärke auf Boko Haram abfärbt."
Boko Haram sucht nach Unterstützern und wendet sich erstmals von Al-Kaida ab, in dessen Überzeugung sich die Gruppe bisher verortete. "Der Treueschwur zum Islamischen Staat ist symbolisch", sagt auch Manji Cheto, Vizepräsidentin bei Teneo Intelligenz, einem Londoner Think Tank, der sich auf politische Risiko-Analysen spezialisiert hat. Der Schwur sei auch Ausdruck davon, wie verzweifelt die Gruppe sei, wie schwach und verletzbar sie sich fühle. "Sie hat in den vergangenen Monaten an Stärke eingebüßt und jetzt sehen wir, wie sich der Ton ändert: Es geht nicht mehr nur darum, Schrecken in Nigeria zu verbreiten, sondern darum, neue Mitglieder zu rekrutieren."
Was könnte Boko Haram eine Kooperation mit dem IS bringen?
Wie eine Zusammenarbeit von Boko Haram und IS konkret aussehen könnte, bleibt Spekulation. Boko Haram und der IS teilen die gleiche Ideologie: Beide Terrororganisationen kämpfen gegen westliche Werte. Sie wollen die Sharia durchsetzen und in ihrer Heimat einen islamischen Gottesstaat errichten. Dafür haben sie ganze Regionen unter ihre Kontrolle gebracht. Von einem Zusammenschluss könnte insbesondere Boko Haram profitieren: Der IS betreibt Ausbildungscamps in Libyen an der Grenze zum Niger. "Experten, seien es Bombenbauer oder Leute, die sich mit Geld auskennen, könnten von hier schnell nach Nigeria reisen, denn die Grenzen sind schlecht kontrolliert", sagt Marc Engelhardt. Ein koordiniertes, gemeinsames Vorgehen beider Gruppen würde besonders für den Niger eine konkrete Bedrohung darstellen. Der Sahelstaat ist quasi eingekesselt von libyschen IS-Kämpfern im Norden und Boko Haram im Süden. Beide Gruppen haben bereits Ziele im Niger angegriffen. "Gäbe es eine Kooperation der beiden Gruppen, dann könnte Niger tatsächlich das Opfer werden", sagt Engelhardt. "Wenn Boko Haram in Nigeria zu stark unter Druck gerät, könnten sie Niger als Rückzugsort nutzen."
Im Dunstkreis der Terroristen
Boko Haram unterhält auch Verbindungen zu anderen islamistischen Gruppen in Afrika: Verflechtungen mit der islamistischen Organisation Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM), die in Mali und Mauretanien aktiv ist, gelten als sicher. So hatte zum Beispiel eine Splittergruppe von Boko Haram 2012 mit AQIM im Norden von Mali gekämpft. Als die Franzosen einmarschierten und die Rebellen zurückdrängten, zogen sich die Kämpfer von Boko Haram nach Nigeria zurück.
Auch zu Al-Shabaab soll es Verbindungen geben: Die Terror-Miliz will in Somalia einen islamischen Gottesstaat errichten und verübt immer wieder Anschläge in Somalia und den Nachbarländern. Ein Ex-Kämpfer der Al-Shabaab erzählt im Interview mit der DW im Dezember 2014 von engen Verbindungen zwischen den verschiedenen Terrorgruppen: "Viele wichtige Leute von Boko Haram aus Nigeria sind hier in Trainingscamps in Somalia ausgebildet worden. Für Al-Shabaab sind immer wieder Kämpfer in den Jemen gereist und umgekehrt. Es gibt viele solcher Verbindungen." Solche Kontakte zwischen den Gruppen seien persönlicher Natur, sagt Engelhardt. Wenn sich beispielsweise ein Kämpfer aus Somalia und ein Kämpfer aus Nigeria in einem Terrorcamp im Jemen begegneten, dann würden so Kontakte und Verbindungen entstehen. Später könne es sein, dass die Islamisten in Camps nach Nigeria oder Somalia reisen, aber dabei handele es sich eben nicht um organisierte Kooperationen. Klar sei nur, dass beide Gruppen untereinander mit Waffen handelten. Aber einen konkreten Beweis für eine institutionalisierte, organisierte Kooperation gebe es nicht.
Eine Antwort des Islamischen Staates (IS), ob sie die Gefolgschaft annehmen und Boko Haram damit in die internationale Djihadisten-Community befördern, steht noch aus.