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Politik

Orthodoxes Osterfest im Bann des Coronavirus

Miodrag Soric
17. April 2020

Am Sonntag feiern die orthodoxen Kirchen Ostern. Wie weit die Einschränkungen wegen der Corona-Krise gehen sollen, darüber gehen auch innerhalb der Kirchen die Meinungen auseinander. Ein Hintergrund von Miodrag Soric.

Symbolbild Kerzen
Bild: picture-alliance/NurPhoto/N. Economou

In einigen Ländern Ost- und Südosteuropas werden Gotteshäuser geschlossen bleiben, in anderen nicht. Zum Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus hat zum Beispiel Serbiens Präsident Aleksandar Vucic die bereits bestehende Ausgangssperre in seinem Land bis kommenden Dienstag 5 Uhr verlängert. Er entschied damit gegen den Willen der Synode der serbisch-orthodoxen Kirche. Sie hatte den Präsidenten gebeten, das Ausgehverbot am Ostersonntag (19.4.) von 5 bis 10 Uhr aufzuheben. So sollte Gläubigen die Möglichkeit gegeben werden, an der Oster-Liturgie teilzunehmen.

Doch die Regierung blieb unnachgiebig. Wie im benachbarten Nord-Mazedonien, in Montenegro und Griechenland werden somit auch in Serbien keine öffentlich zugänglichen Oster-Gottesdienste stattfinden. Es wird befürchtet, dass sich in vollen Kirchen das Coronavirus weiter ausbreitet. Die Behörden in Belgrad verweisen auch darauf, dass bereits ein serbisch-orthodoxer Bischof an COVID-19 gestorben sei.

Verrat an Christus?

Anders als das Belgrader Patriarchat verhalten sich die Glaubensbrüder in Russland. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill hat bereits Ende März die Gläubigen aufgefordert, nicht mehr in die Kirche zu gehen. In einer Predigt verwies er auf das Beispiel der Heiligen Maria von Ägypten, die im 4. Jahrhundert in der Wüste östlich des Flusses Jordan lebte. Viele Jahre verbrachte sie dort als Einsiedlerin, ging nicht in die Kirche, um die Kommunion zu empfangen und wurde schließlich doch aufgrund ihres Lebenswandels heiliggesprochen. "Ihr verratet Christus nicht, wenn Ihr nicht in die Kirche geht, Ihr verratet Christus jedoch, wenn wegen Euch jemand krank wird", sagte der Vorsitzende des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Hilarion, Anfang April. Die Kirchen bleiben über die Osterfeiertage für größere Menschenansammlungen geschlossen. In Russland und in der Ukraine sollen bereits mehrere Priester und Mönche an den Folgen der Erkrankung durch das Coronavirus gestorben sein.

Orthodoxe Christen bei der Feier des "Heiligen Feuers" in der Grabeskirche in Jerusalem (Ostern 2019)Bild: picture alliance/dpa/I. Yefimovich

Auch in Rumänien bleiben die Kirchen geschlossen - die Osterliturgie feiern die Geistlichen wegen der bestehenden Ausgangssperre ohne Gläubige. Das im Gottesdient entzündete Osterlicht soll von Geistlichen und Freiwilligen - stets mit Maske und Handschuhen - von Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung auf Anfrage der Gläubigen verteilt werden. Die Polizei soll für Ordnung und Einhaltung der Schutzbestimmungen sorgen. Darauf haben sich Innenministerium und Patriarchat in einem Sonderprotokoll geeinigt. Diskutiert wurde auch, ob das traditionelle Osterbrot an bestimmten Punkten außerhalb der Kirchen ausgegeben werden darf. Rumäniens Präsident Klaus Johannis hatte sich wegen der hohen Ansteckungsgefahr dagegen ausgesprochen. Laut letzter Änderung des Protokolls soll nun auch das Osterbrot von Haus zu Haus verteilt werden.

"Ein existentielles Thema"

Anders in Georgien. Dort scheint sich das Patriarchat gegen die Bedenken der Regierung durchzusetzen: Große Kirchen bleiben offen - auch für große Menschenansammlungen. Und das, obwohl sich das Coronavirus im Land immer weiter ausbreitet und auch ein Priester sich damit angesteckt hat. Allerdings soll immer ein Zwei-Meter-Abstand zwischen den einzelnen Gläubigen eingehalten werden. In kleine Kirchen sollen nur Geistliche hineindürfen. 

In Georgien gilt ein Gesetz, demzufolge die Zusammenkunft von mehr als 3 Menschen verboten ist. Regierungschef Giorgi Gakharia war aber dafür, die Kirchen am Ostersonntag offenzulassen. "Wir reden über ein existentielles Thema - für die Regierung und die Kirche", sagte der Regierungschef. Gläubige sollten eigenverantwortlich auf ihre Gesundheit achten. Premier Gakharia kündigte an, er wolle die Ostermesse im Fernsehen verfolgen - "von zu Hause".

Die orthodoxen Christen verteilen das Licht untereinanderBild: picture-alliance/Zuma/A. Karimov

Die Bulgarische Orthodoxe Kirche wird über die Feiertage ebenfalls die Kirchen offen lassen. Sie hat sich dazu durchgerungen, die Gottesdienste vor den Kirchen im Freien abhalten zu lassen. Dort könnten die Menschen eine Zwei-Meter-Distanz einhalten. Einige Bischöfe sollen die Gläubigen aufgerufen haben, über die Feiertage zu Hause zu bleiben.

Praktisch alle orthodoxen Kirchen haben unabhängig voneinander das Ansinnen von Gesundheitsexperten abgelehnt, bei der heiligen Kommunion Einweglöffel zu verwenden. In der Orthodoxie ist es üblich, dass während der Liturgie alle die Kommunion aus einem Kelch und von einem Löffel empfangen. Repräsentativ ist hier die Haltung der griechisch-orthodoxen Synode: "Die Kommunion aus demselben Kelch, dem Kelch des Lebens, kann keine Krankheiten übertragen." Die Kirche glaubt, dass in der Eucharistie mit Hilfe des Heiligen Geistes der Wein und das Brot zu Leib und Blut Christi werden. Viele Mediziner, nicht nur in Griechenland, sehen dies anders. Schließlich wird das Virus durch Tröpfchen übertragen. Geistliche verweisen auf den Alkoholgehalt im Wein. Ob dieser ausreicht, das Virus zu töten, ist umstritten.

Schwere Konsensfindung

Wie die Kirche mit dem Coronavirus umgehen soll, wird nicht nur unter den Geistlichen heftig diskutiert, sondern auch unter Gläubigen. Darauf verweist Thomas Bremer, Professor für Ökumenik, Ostkirchenkunde und Friedensforschung an der Universität Münster. "Es gibt Gläubige, die sagen, man dürfe den Behörden nicht gehorchen und müsse die Gottesdienste stattfinden lassen, und andere, die den Anweisungen der staatlichen Stellen folgen wollen." Das gelte auch für die katholische Kirche, so Professor Bremer gegenüber der DW. Bei einigen orthodoxen Kirchen käme erschwerend hinzu, dass Patriarchen innerhalb ihrer Kirche keineswegs so viel Macht haben, wie etwa der Papst in der römisch-katholischen Kirche. Patriarchen seien oft auch nur der "Erste Bischof", so Professor Bremer. Sie müssten einen Konsens finden innerhalb der Synode. Das erschwere die Entscheidungsfindung.

Prof. Thomas Bremer, Universität MünsterBild: Niina Into

Der serbisch-orthodoxe Bischof Grigorije, der rund 800.000 Gläubigen in Deutschland vorsteht, begrüßte die Vorsichtsmaßnahmen, die die Bundesregierung zum Schutz ihrer Bürger getroffen hat. Die Kirchengemeinden, für die er zuständig ist, bleiben geschlossen. In seiner Osterpredigt will er vom "Opfer" sprechen, das die Gläubigen zu bringen haben, um den Nächsten und sich selbst zu schützen. In den letzten 2000 Jahren habe es immer wieder Perioden gegeben, in denen sich Christen nicht in Kirchen versammeln konnten. Den Glauben hätte dies nicht geschwächt.

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