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Politik

Deutschlands Rüstungsexporte in der Kritik

Richard A. Fuchs
24. Januar 2018

Ob der türkische Einmarsch in Nordsyrien völkerrechtswidrig ist, dazu will sich Berlin noch nicht äußern. Der deutsche Botschafter in Ankara führt Gespräche, auch, um mehr über den Einsatz deutscher Panzer zu erfahren. 

Türkei Panzer vor syrischer Grenze bei Afrin
Bild: Getty Images/AFP/B. Kilic

Es ist eine Recherche-Mission der ganz besonderen Art, die der deutsche Botschafter in der Türkei an diesem Mittwoch in Ankara hinter sich bringen musste. Botschafter Martin Erdmann traf sich mit dem türkischen Verteidigungsminister Nurettin Canikli. Im Auftrag der Bundesregierung sollte er mehr über den Einmarsch türkischer Streitkräfte in Nordsyrien herausfinden. "Wir wollen wissen", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin, "wie der türkische Einsatz dort ausgestaltet ist." 

Etwa Zeitgleich lieferte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine ganz eigene Begründung für die Militäroffensive gegen die kurdische Miliz YPG. Es gelte, "Terroristen auszurotten", ließ Erdogan wissen und wurde so von der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur zitiert. Die YPG gilt der türkischen Regierung als syrischer Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Die YPG-Führung streitet strukturelle Verbindungen zur PKK vehement ab.

Für Brisanz und vielleicht sogar handfesten diplomatischen Krach dürfte bei dem Treffen des deutschen Botschafters mit dem türkischen Verteidigungsminister der mögliche Einsatz von Leopard-Panzern aus deutscher Produktion geführt haben. Seit dem Wochenende kursieren Bilder, die solche Kampfpanzer im Einsatz der türkischen Armee in Nordsyrien zeigen sollen. In der Folge ist in Deutschland eine Diskussion über ein generelles Verbot von Rüstungsexporten in die Türkei entbrannt.

Ein türkischer Leopard 2A4 am 21.01.2018 in der türkischen Provinz Hatay nahe der syrischen GrenzeBild: picture-alliance/dpa/XinHua

Verschiedene Bundesregierungen seit den 1980er-Jahren hatten den Verkauf von mehr als 750 Kampfpanzern an das NATO-Partnerland genehmigt. Zwischen 2006 und 2011 wurden allein rund 350 der moderneren Leopard-2-Panzer an die türkische Armee geliefert. Zuletzt war öffentlich geworden, dass Außenminister Sigmar Gabriel mit seinem türkischen Amtskollegen wieder über einen neuen Panzerdeal verhandelt haben soll. Die Türkei will seit geraumer Zeit ihre Leopard 2 mit zusätzlichem Minenschutz nachrüsten und braucht für dieses Geschäft eine neue Exportgenehmigung der Bundesregierung. Außenminister Sigmar Gabriel hatte Anfang des Jahres zugesagt, diese Anfrage sorgfältig prüfen zu lassen. Leopard-Panzer werden im Joint-Venture von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall produziert.

Zu laxe Nutzungsbestimmungen für Kampfpanzer-Exporte?

Seit im Norden Syriens allerdings geschossen wird, stellt sich die Frage von Rüstungsexporten an die Türkei gänzlich neu. Noch hält sich die Bundesregierung mit einer Verurteilung der türkischen Militäroffensive zurück. Für eine "völkerrechtliche Bewertung" sei die Lage derzeit zu unübersichtlich, ergänzte die Außenamts-Sprecherin. Berlin fordert stattdessen einen sofortigen Stopp der Kampfhandlungen und den freien Zugang für humanitäre Helfer. Einen Aufruf zur Mäßigung und zur militärischen Zurückhaltung hörte man an diesem Mittwoch in Berlin allerdings nicht. Im Gegenteil, es gebe "legitime Sicherheitsinteressen" des NATO-Partners im Grenzgebiet, so fasste die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer die Position der Bundesregierung zusammen. Die Operation gegen kurdische Einheiten dürfe aber "nicht zu einer Schwächung des gemeinsamen Kampfes gegen die Reste der Terrormiliz IS in Ostsyrien führen", so Demmer weiter.

Sigmar Gabriel empfängt Anfang Januar den türkischen Außenminister Mevlüt ÇavuşoğluBild: Imago/photothek/F. Gaertner

Pikant für die Bundesregierung an der aktuellen Situation ist, dass für die zwischen 2006 und 2011 an die Türkei verkauften Leopard-Kampfpanzer keine Nutzungseinschränkungen ausgehandelt wurden. Von der damaligen rot-grünen Bundesregierung sei mit der Türkei lediglich vereinbart worden, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums heute, dass "diese Panzer nur mit schriftlicher Zustimmung der Bundesregierung an Dritte" verkauft werden können. Weitere Einschränkungen zur Nutzung wurden nicht festgelegt. Frühere Kampfpanzer-Lieferungen verband Deutschland dagegen durchaus mit Auflagen. Danach darf die Türkei die 397 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1 "ausschließlich in Übereinstimmung mit Artikel 5 des Nato-Vertrages", ergänzte der Sprecher des Verteidigungsministeriums einsetzen, also zur Verteidigung gegen einen bewaffneten Angriff.

Ein neues Panzergeschäft - jetzt?

Hat Deutschland hier also bei der Rüstungsexportkontrolle geschlampt? Eine Sprecherin des für Rüstungskontrolle zuständigen Wirtschaftsministeriums wies derlei Kritik zurück. Deutschland verfüge über ein "engmaschiges Kontrollnetz", und eines der "restriktivsten" Rüstungskontroll-Regime weltweit. Die Genehmigungen von Rüstungsexporten für die Türkei seien zudem rückläufig. 2016 lag demnach der Genehmigungswert bei 83,9 Millionen Euro. 2017 seien Geschäfte mit gerade einmal 34 Millionen Euro genehmigt worden. "Seit dem Putsch-Versuch in der Türkei haben wir eine veränderte Lage in der Türkei und die Genehmigungen gehen seither zurück", so die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums weiter. Die Linkspartei und die Grünen fordern einen sofortigen Stopp jeglicher Lieferungen. Diese seien eine "direkte Hilfestellung und Beteiligung an Erdogans Angriffskrieg", sagte die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen. Und selbst Politiker aus den Reihen der Sozialdemokraten raten dem SPD-Außenminister Sigmar Gabriel inzwischen, die jüngste Anfrage der Türkei auszuschlagen. SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sagte dazu im Deutschlandfunk: "Ich glaube, dass wäre zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal."

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