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Gesellschaft

Das Prinzenpaar aus Afrika

Carsten Grün
11. November 2016

Der Karneval beginnt. Auch in Ratingen bei Düsseldorf läuft das närrische Treiben in den kommenden Wochen auf Hochtouren - zum ersten Mal unter der Regentschaft eines schwarzen Prinzenpaars. Von Carsten Grün, Ratingen.

Deutschland Rosenmontag in Köln
Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Samuel Awasum kann es immer noch nicht fassen: Er soll in dieser Karnevalssession das Zepter schwingen. "Die Gefühle kommen jetzt noch mal hoch und ich werde mich an diesen Moment mein Leben lang erinnern." Der gebürtige Kameruner und seine Frau Jacinta wurden von der Ratinger Karnevalsgesellschaft zum Prinzenpaar auserkoren. "Es kam für mich komplett unerwartet", sagt der 34-Jährige, für den damit ein Traum wahr wird.

Kleiner Schock und Freude

Samuels Ehefrau war erst einmal etwas geschockt. "Als mein Mann nach Hause kam und mir das sagte, dachte ich sofort, wie wird das für mich?" Jacinta Awasum fragte sich, wie sie das alles mit der Arbeit und der Betreuung ihrer zwei kleinen Kinder in Einklang bringen sollte. "Mein Mann ist es gewohnt, mit Leuten zu reden, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Für mich aber ist das alles neu", sagt die junge Frau, die nach ihrem Wirtschaftsstudium an den Hochschulen Halle und Dortmund bei der Metro AG im benachbarten Düsseldorf arbeitet.

Prinzenpaar Samuel und Jacinta Awasum: "Zeichen der Anerkennung"Bild: DW/C. Grün

Ihr Mann Samuel weiß, sich auf öffentlichem Parkett zu bewegen. Er ist Vorsitzender des städtischen Integrationsrates und wird bei aller Feierei auch ein politischer Prinz sein. Seit Jahren setzt sich Awasum für das Zusammenleben der Kulturen in Ratingen ein. Er sieht die Prinzenkür als einen Teil der Integration. Irgendwann, so glaubt Awasum, sei es nicht mehr exotisch, schwarze Prinzenpaare zu haben.

Er weiß, wie es ist, aufgrund der Hautfarbe angefeindet zu werden. Man könne nicht sagen, dass es in Deutschland keinen Rassismus gibt. Er habe ihn selbst erlebt, sagt Samuel Awasum. "Aber im Laufe der Jahre gehe ich viel selbstbewusster damit um. Es ist schade, dass es so was überhaupt gibt, da es doch eigentlich nur Kleinigkeiten sind, wie zum Beispiel die Hautfarbe, durch die sich die Leute unterscheiden."

Integriert und stadtbekannt

Für Peter Hense, den Vorsitzenden des Ratinger Karnevalsausschusses, ist Awasum eine ideale Besetzung für den Posten des Prinzen. Man habe ihn gefragt, weil man gerade in der heutigen Zeit ein Zeichen setzen wolle. "Sam ist die beste Besetzung. Er ist voll integriert, in der Stadt bekannt", erläutert Hense die Entscheidung der Karnevalisten.

Beim rheinischen Karneval geht es nicht nur ums Schunkeln und Feiern, sondern auch um das soziale Miteinander. Das Prinzenpaar hat einen randvollen Terminplan: Außer Prunksitzung und Rosenmontagsumzug stehen Besuche in Altenheimen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Unternehmen und städtischen Betrieben auf dem Programm. Die Session, wie die Karnevalszeit genannt wird, ist für die beiden Ratinger Regenten lang und anstrengend. Sie dauert diesmal bis Anfang März. Das Klischee des Alkohol trinkenden Prinzenpaares ist aus Sicht des Karnevalisten Hense überholt. Bei all den Auftritten könne man nicht mit Alkoholfahne auftauchen. Es sei auch nicht möglich, bei sechs Terminen pro Tag, jedes Mal etwas zu trinken. "Wer soll das durchhalten?", fragt Hense.

Ratinger Rosenmontagsumzug (2016): "Ein Zeichen setzen"Bild: Fotodesign Hense,Ratingen

Die Begeisterung für Karneval kam für die Awasums schon in den ersten Jahren in Deutschland. "Wir waren beide zum Studium nach Deutschland gekommen. Als wir den Karneval zum ersten Mal miterlebten, feierten wir sofort mit. Wir finden es einfach toll", sagt der frisch gekürte Prinz. "Es ist ein schönes Brauchtum und ein Teil von unserem Leben. Und ich kann es nicht abwarten, dass es losgeht, mit den Menschen zu feiern", freut sich Samuel Awasum auf den 11. November, wenn der Startschuss für die Session fällt. Sowohl er als auch seine Frau haben inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft. Die beiden kleinen Kinder sind in Deutschland geboren.

Samuel Awasums Pläne reichen über den Karneval hinaus. Er ist Mitglied der Bundesvereinigung der Mandatsträger mit afrikanischer Abstammung. Er könne sich auch vorstellen, irgendwann mal für das Bürgermeisteramt zu kandidieren, sagt er. Da können ihm Kontakte aus seiner Prinzenzeit sicher helfen.

"Die Leute finden das toll"

In Bezug auf Karneval gibt sich der Wirtschaftsinformatiker, der bei einem großen Transportunternehmen arbeitet, traditionell. "Wir werden im klassischen Kostüm als Prinzenpaar eingekleidet. Es stand nie zur Debatte, afrikanische Kleidung zu tragen. Es ist deutsches Brauchtum." Allerdings werden ihre Kameruner Wurzeln bei den Festlichkeiten wohl doch durchschlagen. "Unser Temperament ist vielleicht ein bisschen anders." Das Prinzenpaar gehört im frankofonen Kamerun zur englischsprachigen Gruppe, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Samuel stammt aus Bamenda, der viertgrößten Stadt Kameruns. Jacinta Awasum wurde in Limbe im Süden des Landes geboren.

Angst vor einer Zurückweisung haben die künftigen Narren-Oberhäupter der Stadt nicht. "Bislang haben wir noch nichts Negatives erlebt. Einige kommen auch auf uns zu und sagen: 'Hey, toll, dass ihr das macht'." Es gebe sogar Ratinger, die eigentlich nichts mit Karneval am Hut haben und dennoch diesmal mitfeiern wollen - wegen des schwarzen Prinzenpaares. "Hoffentlich bleiben die dabei", sagt Samuel Awasum und blickt auf die Uhr, denn eines haben er und seine Frau ab jetzt nicht mehr: Zeit.

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