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Politik

Die Kandidaten-Rallye startet

15. November 2018

In Lübeck beginnt das Schaulaufen der Bewerber um den CDU-Vorsitz. Wer Angela Merkel folgen will, muss zunächst bei acht Regionalkonferenzen Eindruck machen. Ob es bei den drei prominenten Kandidaten bleibt, ist offen.

Deutschland Merz, Spahn und Kramp Karrenbauer beim ersten gemeinsamen Auftritt in Berlin
Bild: picture-alliance/Eventpress Rekdal

Am Anfang entscheidet das Los. Wenn Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn (im Bild von links) an diesem Donnerstagabend in die Kandidaten-Rallye für die Nachfolge von CDU-Chefin Angela Merkel starten, muss in Lübeck erst einmal geklärt werden, in welcher Reihenfolge sie reden sollen. Acht Mal binnen 16 Tagen stellen sie sich drei Stunden lang der Basis. Von den bis zu 20 Bewerberinnen und Bewerbern, die zwischenzeitlich gehandelt wurden oder sich ins Gespräch gebracht hatten, bleiben diese drei Prominentesten als Kandidaten übrig. Einige andere kämpfen aber noch.

Drei Kandidaten, das gab es noch nie in der über 70-jährigen Geschichte der CDU. Der Partei der Bundeskanzler Konrad Adenauer (1949-1963) und Helmut Kohl (1982-1998) sind interne Revolutionen eher fremd. Meist wird eine Person von den Spitzengremien benannt und dann von den Parteitagen brav-begeistert gewählt. Und nun ein Dreikampf beim Parteitag in Hamburg und acht vorbereitende Regionalkonferenzen mit der Basis.

Abgang nach der Hessen-Wahl: Merkel kündigte an nicht länger CDU-Chefin bleiben zu wollenBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Zu diesem Format in Hallen mittlerer Größe greift die Partei des öfteren, wenn Entscheidungen schwierig werden. Die Dreier-Konkurrenz ist für den Bonner Politikwissenschaftler Andreas Püttmann "eine Sternstunde und ein Richtungskampf". Dabei sei die zwischenzeitlich große Zahl der Bewerber auch ein "Krisensignal" für die Stimmung in der Partei gewesen.

Wahl am 7. Dezember

Kanzlerin Merkel, die seit dem Jahr 2000 die CDU anführt, hatte nach dem für die Partei enttäuschenden Ergebnis der Hessen-Wahl angekündigt, beim Bundesparteitag am 7. Dezember in Hamburg nicht erneut für die Parteispitze anzutreten. Binnen zwölf Stunden erklärten daraufhin Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer (56), Bundesgesundheitsminister Spahn (38) und Seiten-Wiedereinsteiger Merz (63), vor 20 Jahren einer der Unions-Hoffnungsträger und dann angesichts von Merkel aus der Politik ausgestiegen, ihre Bereitschaft zur Kandidatur. 

Andreas Püttmann, PolitikwissenschaftlerBild: Christliches Medienmagazin pro

Püttmann hält im Gespräch mit der Deutschen Welle nichts von der Zuspitzung "liberale Frau gegen konservative Männer" – so leicht dürfe man es sich nicht machen. "Kramp-Karrenbauer hat sich sehr prägnant gegen die Homo-Ehe ausgesprochen. Man kann sie ideologisch als eine 'Promenadenmischung' bezeichnen", sagt er. "Merz ist scharf anti-rechts, er hat die AfD als offen nationalsozialistisch bezeichnet - so weit ist noch kein anderer gegangen. Und er ist ein ausgeprägter Pro-Europäer. Und Spahn, der homosexuell ist, fordert immerhin Liberalität für seine eigene Lebensform ein." Püttmann verweist auf die Ausrichtung der CDU-Basis: Nicht einmal jeder fünfte Unionsanhänger wolle, dass die CDU nach rechts rückt. Dafür wirbt, gerade beim bleibenden Streitthema Flüchtlinge, am ehesten Spahn. 

Dynamik beim Schaulaufen

In Umfragen liegt AKK, wie die bisherige Generalsekretärin mit dem langen Namen gerne genannt wird, derzeit knapp vor Merz. Laut Emnid würden 32 Prozent Kramp-Karrenbauer favorisieren, auf Merz entfielen 30 Prozent. Mit neun Prozent scheint Spahn abgeschlagen. Aber Püttmann sieht noch längst keine Vorentscheidung: In der CDU seien die Funktionäre "immer etwas konservativer als die Wähler und auch als die jetzige Parteispitze". Deshalb habe Merz durchaus Chancen. Und dann verweist Püttmann auf das nun anstehende Schaulaufen der Kandidaten: "Die Dynamiken auch durch die Regionalkonferenzen, bei denen ja auch die Delegierten vertreten sein werden, lassen das Bild als völlig offen erscheinen."

Die CDU-Parteizentrale in Berlin - gebaut wie ein Schiff. Derzeit etwas unruhiger.Bild: imago

Wer will und wer kann

So herrscht nun also Wahlkampf in der CDU. Der Reihe nach tauchen die drei in Talkshows und Zeitungsinterviews auf. Eine Konkurrenz gibt es auch im Büchermarkt: Anfang Oktober erschien aus der Feder von Journalistinnen der Titel "Ich kann, ich will und ich werde: Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU und die Macht", vier Wochen später folgte von einem männlichen Journalisten "Jens Spahn - Die Biografie".

Bei acht Treffen – sechs in West-, zwei in Ostdeutschland - sollen sich die drei der Basis und ihren Fragen stellen. Nach dem Losentscheid können sich die Kandidaten jeweils zehn Minuten lang vorstellen, es folgen moderierte Fragen aus dem Publikum. In Lübeck sind das 900 Parteimitglieder. Langjährige Beobachter gehen davon aus, dass die Basis kein Spektakel will, sondern tatsächlich die Klärung offener Fragen anstrebt. Das hätten Regionalkonferenzen früherer Jahre gezeigt.

Näher an Merkel: Annegret Kramp-KarrenbauerBild: imago/S. Zeitz

Bleibt abzuwarten, ob der Wettkampf schärfer wird. Manches spricht dafür. Jens Spahn warf seiner Konkurrentin bereits vor, ihn mit ihrer Haltung zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare persönlich zu verletzen. Wenn "unsere Ehe in einem Atemzug mit Inzest oder Polygamie genannt wird, trifft mich das persönlich", so Spahn in einem Interview. Vor sechs Monaten fragte ihn die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", warum er Kramp-Karrenbauer verteidigt habe, "als die behauptete: die Ehe für alle sei das Einfallstor für Vielehe und Verwandtenehe". Dem Blatt mit tendenziell gefärbter Leserschaft sagte der 38-Jährige: "Ich habe Annegrets Recht verteidigt, anderer Meinung zu sein. Ich fand die Häme und den Hass, den sie über sich ergehen lassen musste, deplatziert und respektlos." 

Ein Einzelkämpfer

Und was ist mit den anderen Bewerbern, die zum Teil seit September eine Kandidatur angekündigt hatten? Haben Sie alle die Segel gestrichen angesichts der großen Namen? Die meisten schon, wie beispielsweise der Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen. Aber einzelne kämpfen noch.

Jan-Philipp Knoop, 26-jähriger Student aus Berlin, sucht derzeit einen Kreis oder Bezirksverband, der ihn offiziell vorschlägt und ihm damit den Weg zur Wahl beim Parteitag ebnet. "Meine Bewerbung steht noch", sagt er der Deutschen Welle. Derzeit führe er Gespräche mit mehreren Kreisverbänden in verschiedenen Teilen der Republik, ob sie ihn nominierten. Und er behalte sich auch juristische Schritte vor. Das Verfahren der Regionalkonferenzen sei erst vor zehn Tagen angekündigt worden – binnen solch kurzer Zeit habe ein unabhängiger Kandidat, der nicht aus dem Establishment komme, kaum die Chance, eine offizielle Nominierung zu erreichen.