Selten waren die Rollen vor einem Revierderby so deutlich verteilt: Während Borussia Dortmund als Favorit in die Partie geht, kämpft der FC Schalke 04 darum, nicht noch tiefer in den Abstiegsstrudel gerissen zu werden.
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Wie sollte es auch anders sein in dieser Saison? Auch vor dem 154. Pflichtspielderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 geht es bei den Königsblauen um interne Probleme. Eigentlich sind diese Begegnungen ein Feiertag für beide Seiten, auf dem die volle Konzentration aller Beteiligten liegt. Beim S04 ist in der aktuellen Spielzeit aber alles anders. "Es ist nicht umsonst, dass wir zu dieser Maßnahme greifen mussten. Ich finde das schade, aber wir konnten nicht anders", sagte TrainerHuub Stevens.
Der Niederländer sprach von der abermaligen Degradierung Nabil Bentalebs in das U23-Team. Erneut leistete sich der Mittelfeldspieler Undiszipliniertheiten, die Stevens dazu veranlassten, Bentaleb zum zweiten Mal in dieser Saison aus dem Profi-Kader zu verbannen. Über die genauen Ursachen wollte der Coach allerdings nicht sprechen. Nur so viel: "Es geht immer noch um Mannschaftssport."
Es ist Stevens' nach eigenem Bekunden letztes Revierderby in seiner langen Karriere. Und die Vorzeichen könnten wohl nicht ungünstiger sein als vor diesem Aufeinandertreffen. Sage und schreibe 42 Punkte trennen die beiden Nachbarn, die sich in herzlicher Ablehnung seit Jahrzehnten gegenüber stehen.
Stevens will nichts verraten
"Das Derby ist immer wichtig. Aber: Die spielen um die Meisterschaft, wir um etwas anderes", sagt Stevens. "Beide haben den gleichen Druck, die anderen aber einen sehr positiven." Die Abstiegsangst ist in Gelsenkirchen weiterhin allgegenwärtig. Vor allem, weil es selbst Schalkes Jahrhunderttrainer scheinbar nicht gelingt, aus dieser konzeptlos zusammengestellten Mannschaft eine Einheit zu formen.
"Ich weiß woran es liegt. Aber ich kann nicht alles ehrlich sagen", so Stevens. "Vielleicht erzähle ich das in Zukunft mal. Ich weiß es noch nicht." Vier Niederlagen nach sechs Pflichtspielen sind eine niederschmetternde Bilanz für Stevens und sein Team. "Dass die Stimmung in der Kabine nicht locker ist, ist doch klar", sagt Stevens.
Heile Dortmunder Welt
Die Dortmunder Welt sieht dagegen diametral anders aus. Der BVB kann voller Selbstbewusstsein in die Partie gehen. "Wir wollen dieses Derby natürlich gewinnen. Das ist ein wichtiges Spiel für uns", sagt Trainer Lucien Favre. Auch Sportdirektor Michael Zorc gibt sich zuversichtlich: "Wir müssen zunächst unsere Hausaufgaben erledigen. In einer Saison das Derby zweimal zu gewinnen, wäre gut."
Im Titelrennen mit dem FC Bayern bleibt der BVB auf Tuchfühlung mit dem Rekordmeister. Den Münchenern gelang es bislang nicht, sich von der Borussia entscheidend abzusetzen. Und vor dem Revierderby dürften wohl nur die größten Optimisten unter den Schalker Anhängern darauf hoffen, dass sich das ausgerechnet nach diesem Spiel ändert.
Respekt und Rivalität
"Ich versuche die Mannschaft so hinzukriegen, dass sie Erfolg haben kann", sagt Stevens. "Ich sehe mehrere Spiele, die aussichtslos sind und in denen dann doch etwas geschieht." Der Coach versucht, Hoffnung zu vermitteln, wo vielleicht gar keine ist. Denn überzeugt von seinen eigenen Ausführungen wirkt Stevens nicht. Zu oft hat ihn seine Mannschaft in der kurzen (Amts-) Zeit bereits enttäuscht. "Ich hoffe, alle wissen, was gefragt ist. Aber Sicherheit hat man nicht", sagt der Fußballlehrer. Ein Vertrauensvorschuss für seine Spieler hört sich sicherlich anders an.
Sollten die Dortmunder tatsächlich am Samstag als Sieger das Feld verlassen und nach dem letzten Spieltag auch noch die Meisterschale in der Hand halten, kann sich der BVB einer Sache sicher sein: "Wenn sie am Ende stärker sind als Bayern, dann werde ich gratulieren", verspricht Stevens. Bei aller Rivalität, so viel Respekt muss dann doch sein beim Schalker Interimscoach.
Mutter aller Derbys: Schalke 04 gegen Borussia Dortmund
Bereits 100 Mal gab es das Bundesliga-Derby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund. Der Ruhrgebietsklassiker produziert immer wieder denkwürdige Momente.
Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance
Gemeine Fußangel
Das Ruhrpott-Derby hat schon viele kuriose Momente geliefert - im 100. Bundesliga-Duell kommt einer dazu: Nach seinem Tor zum 1:1 wird Marius Bülter von der Teleskopstange der Kamera rüde zu Fall gebracht. "Ich war auch überrascht, dass das Ding da steht", sagt der Schalker Stürmer. "Ich habe es noch gut gelöst und gut abgefangen." Endergebnis: 2:2, Bülter unverletzt, Kamera-Angel kaputt…
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
Nebelderby
Im November 1966 pfeift Schiedsrichter Gerd Henning das Revierderby in Dortmund trotz dichten Nebels an. "Ich bin immer, wenn der Ball in den Nebel geschossen wurde, hinterhergelaufen", sagt der Pfeifenmann später. "Das war anstrengend, aber okay." Der BVB hat den besseren Durchblick und gewinnt 6:2. Drei Treffer steuert Lothar Emmerich bei, bis heute Derby-Rekord in einem Spiel.
Bild: Imago/Horstmüller
Hundebiss
Das Derby in Dortmund im September 1969 sorgt für eine der kuriosesten Szenen der Bundesliga-Geschichte: Ein Hund des Sicherheitsdienstes beißt den Schalker Spieler Friedel Rausch in den Allerwertesten. Der Dortmunder Timo Konietzka sagt später zu Rausch: "Ich werde für immer der mit dem ersten Bundesliga-Tor sein. Und du bist für immer der mit dem Hund."
Bild: picture-alliance/dpa
Kopfball des Keepers
Jens Lehmann (4.v.l.) gelingt im Dezember 1997 in Dortmund ein Last-Minute-Tor der besonderen Art. In der Schlussminute gleicht der nach vorne geeilte Torwart der Schalker per Kopf zum 2:2 aus. Lehmann gehört zu den Spielern, die Derbys für beide Klubs gespielt haben: elf für Schalke, neun für Dortmund. Rekord für Wechsler zwischen den Erzrivalen.
Bild: ullstein bild - Firo
Feindbild Möller
Beim Duell im September 2000 in Dortmund entlädt sich der Zorn der BVB-Fans auf Andreas Möller. Auf Bannern und mit Sprechchören beschimpfen sie den Mittelfeldstar, der vor der Saison zum Erzrivalen gewechselt ist, als Verräter. Möller bleibt cool und macht ein Riesenspiel. Schalke gewinnt 4:0 - und am Ende singen die Gästefans: "Ohne Möller habt ihr keine Chance."
Bild: picture-alliance/S. Simon
Elfmeterkiller
Frank Rost ist der Mann des Derbys im Januar 2004 in Dortmund. Der Schalker Torwart pariert gleich zwei Strafstöße, erst einen Foulelfmeter von Jan Koller, dann einen Handelfmeter von Torsten Frings. Rost bereitet damit den Boden für den 1:0-Sieg der Gäste, den Ebbe Sand mit seinem Tor kurz vor Schluss sicherstellt.
Bild: picture-alliance /dpa/F.-P. Tschauner
Längste Serie
Auch das Derby im Dezember 2004 in Dortmund wird durch einen einzigen Schalker Treffer entschieden, diesmal durch Ailton (r.). Zum zwölften Mal in Folge bleiben die Königsblauen damit in Bundesliga-Duellen gegen den BVB ungeschlagen - bis heute die längste Derby-Erfolgsserie.
Bild: picture-alliance/Ulmer/B. Hacke
Spielverderber
Einen ganz bitteren Tag erleben die Schalker im Mai 2007. Am vorletzten Spieltag verspielen sie die mögliche Meisterschaft - ausgerechnet beim Derby in Dortmund. Alexander Frei und Ebi Smolarek (2.v.r.) treffen für den BVB. Die Schalker Christian Pander (l.) und Fabian Ernst (2.v.l.) sind bedient.
Bild: picture-alliance/Ulmer/L. Coch
Aufholjagd
Alles scheint klar beim Derby im September 2008 in Dortmund. Nach einer Stunde führt Schalke mit 3:0 - und kaum jemand hält für möglich, was dann folgt: Nach dem Anschlusstreffer des BVB fliegen innerhalb von fünf Minuten zwei Schalker vom Platz. Dann das 2:3 und schließlich sogar noch der 3:3-Ausgleich: durch ein Elfmetertor von Alexander Frei (Mitte) in der vorletzten Minute.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Scheidemann
Hochrisikospiele
Immer wieder geraten gewaltbereite Anhänger beider Vereine bei den Derbys aneinander. So gibt es im Oktober 2012 in Dortmund und auch ein Jahr später in Gelsenkirchen schwere Krawalle. Beide Vereine drohen damit, künftig Derbys vor leeren Gäste-Kurven zu spielen. So weit kommt es dann jedoch nicht.
Bild: picture alliance/Sven Simon
Batman und Robin
Pierre-Emerick Aubameyang (l.) bringt den BVB beim Duell im Februar 2015 in Dortmund mit 1:0 in Führung. Nach dem Tor verwandelt er sich in Batman, Marco Reus in Robin. Den Torjubel mit Maske haben sich die beiden zwei Tage vor dem Derby ausgedacht. "Wir versuchen immer, ein bisschen Spaß reinzubringen. Das tut gut", erzählt Reus hinterher. Dortmund gewinnt 3:0.
Bild: Lars Baron/Bongarts/Getty Images
Rot für den Schiedsrichter
Schalkes Maskottchen "Erwin" zeigt Schiedrichter Felix Zwayer nach dem Derby im April 2017 in Gelsenkirchen die Rote Karte. Zwayer hat in der Nachspielzeit den Schalkern einen Handelfmeter verwehrt. Schalkes protestierender Trainer Markus Weinzierl (3.v.r.) muss auf die Tribüne. Die Partie endet 1:1. "Erwin" kommt mit einer Ermahnung durch den DFB davon.
Bild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner
Hitziges Duell nach Abpfiff
Das Derby im November 2017 ist eines der spektakulärsten: Nach 4:0-Halbzeitführung fängt der BVB in der Nachspielzeit noch den 4:4-Ausgleich. Dass die Schalker diesen gefühlten Sieg feiern, passt BVB-Urgestein Nuri Sahin (r.) gar nicht. Es kommt zu bösen Worten und einer Rangelei. Obwohl das Spiel schon beendet ist, sehen Sahin und Schalke-Torwart Ralf Fährmann (2.v.r.) noch die Gelbe Karte.
Bild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner
Abstiegskandidatensieg
42 Punkte trennen die beiden Teams vor dem Derby im April 2018 in Dortmund. Der BVB ist noch mit dabei im Titelrennen, Schalke spielt gegen den Abstieg. Doch auf dem Rasen präsentieren sich überraschend die Gäste meisterlich. Nach zwei Roten Karten gegen die Dortmunder Reus und Wolf steht am Ende ein 2:4 (1:2) auf der Ergebnistafel. Und die Schalker feiern in Dortmund.
Bild: Reuters/W. Rattay
Geisterspiele
Wegen der Corona-Pandemie steigt das Derby in Dortmund im Mai 2020 vor leeren Rängen und unter strengem Hygienekonzept. Haaland (l.) jubelt nach seinem Treffer zum 1:0 mit Abstand zu seinen Teamkollegen. Am Ende gewinnt der BVB klar mit 4:0. Auch die beiden folgenden Derbys werden vor (zumindest nahezu) leeren Rängen gespielt. Nun sind die jeweiligen Stadien natürlich wieder ausverkauft.