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Das Sakrileg des Megasellers

Oliver Samson14. April 2005

Soviel Jesus wurde selten gelesen: Dan Browns Religions-Thriller "Sakrileg" entpuppt sich als eines der erfolgreichsten Bücher aller Zeiten. Nun beschäftigt sich auch die Kirche damit - widerwillig.

Mit modernem Handy und altem Glauben: Kardinal BertoneBild: AP

Es soll ja Leute geben, die die Bibel langweilig finden. Und Kirchen- und Kunstgeschichte sowieso. Wenn man das ganze aber mit Sex, Verschwörungstheorien und einer Thriller-Handlung versieht, trifft man anscheinend genau das, was selbst Lesefaule wollen. 25 Millionen Exemplare wurden inzwischen von Dan Browns "Sakrileg" (im Original: "The Da Vinci Code") verkauft. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen: Eine Verfilmung mit Tom Hanks, Audrey Tatou und Jean Reno soll 2006 in die Kinos kommen.

In dem Roman geht es um den Heiligen Gral und wenig heilige Geheimgesellschaften: Das letzte Abendmahl sei, laut Brown, eigentlich das Hochzeitsmahl Jesus' mit Maria Magdalena und Jesus nicht der Erlöser, sondern Prophet gewesen. Und auch nicht am Kreuz gestorben, sondern viel später irgendwo in Südfrankreich. Dieses Geheimwissen werde bis heute von den Tempelrittern und dem Opus Dei-Orden verwahrt und wer das alles genau wissen will, für den wird es schnell gefährlich - wie für die beiden Roman-Helden.

Dan BrownBild: AP

So weit, so krude. Das Problem: Dan Brown selbst hatte behauptet, dass "die Kunst, die Architektur, die geheimen Rituale und Logen" alles "historische Fakten" seien - und viele Fans nehmen nun für bare Münze, was Historiker und Theologen als altbekannten Humbug bezeichnen.

"Beschämende Lügen"

Die katholische Kirche hat das Buch seit dessen Erscheinen 2003 tapfer ignoriert. Mitte März platzte dem Genueser Kardinal Tarcisio Bertone nach wiederholten Nachfragen seiner Schäfchen aber dann doch der Kragen: "Lest und kauft dieses Buch nicht", sagte Tarcisio, viele Jahre zweiter Mann in der mächtigen vatikanischen Glaubenskongregation, im Sender Radio Vatikan. Es sei "beschämend" und erzähle "gegenstandslose Lügen". Der Kardinal beraumte in Genua gar ein Seminar ein, um die Fakten von den Fiktionen zu scheiden - der angemietete Konferenzsaal platzte dabei aus allen Nähten. Das Risiko sei groß, "dass viele Leute glauben, dass diese Märchen wahr sind."

"Sonst gar kein Buch"

"Das Buch ist überall", tobte der Kardinal weiter. Da gibt ihm sogar Browns deutscher Verleger recht: "Momentan ist schon ein extremer Hype um Brown", sagt Marco Schneider, Lektor der deutschen Ausgabe beim Lübbe-Verlag. "Da Vinci Code" ist inzwischen eines der erfolgreichsten Bücher aller Zeiten. In Deutschland steht es zusammen mit Browns nächstem Roman "Diabolus" in sämtlichen Bestseller-Listen auf den ersten beiden Plätzen. "Wir erreichen damit ganz neue Lesergruppen", sagt Schneider. "Da sind viele Leute dabei, die ansonsten überhaupt kein anderes Buch zuhause haben".

Und ganz sicher erreicht Brown Menschen, die sonst mit Jesus oder der Kirchen- und Kunstgeschichte wenig zu tun haben. An den Schauplätzen des Buches, vor allem in Rom, Paris und Schottland, hat sich eine neue Gattung von Touristen herausgebildet, die nicht mit dem Kunstreiseführer, sondern mit dem Thriller unter dem Arm herumlaufen und sich den Geheimnissen des Christentums auf der Spur wähnen. Tourismus-Unternehmer bieten an den entsprechenden Stätten mit wachsendem Erfolg "Da-Vinci-Code-Touren" an.

"Um Gottes Willen"

Ob das Buch auch von Theologen gelesen wird? "Um Gottes Willen", sagt Professor Rainer Kampling vom Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität Berlin. Er lese zwar auch gern mal einen Krimi, aber "für schlechtes Essen und schlechte Bücher" sei ihm das Leben zu kurz. Mit Theologie oder gar ernsthafter Beschäftigung mit dem Glauben habe der Rummel um das Buch nichts zu tun. Für Kampling ist es höchstens als Kulturphänomen interessant: "In einer für viele zunehmend undurchschaubaren Welt erleben wir ein erstaunliches Revival der Verschwörungstheorien." Was Brown schreibt ist für ihn natürlich Kokolores: "Erstaunlich ist für mich nur, wie hemmungslos da abgekupfert wird", sagt Kampling. Zum Beispiel bei antikatholischer Propaganda des 19. Jahrhunderts, wie Kardinal Bertone meint, oder bei Umberto Ecos "Das Foucaultsche Pendel", das Theologe Kampling nennt.

Aber wie soll man weiter mit dem Buch umgehen? Man sollte diesem "Eco für Hauptschüler nicht kirchliche Weihen geben, indem man sich darüber aufregt", sagt Kampling. Lektor Marco Schneider kann die Aufregung sowieso nicht nachvollziehen, "weil auf dem Buch doch groß Roman draufsteht." Und selbst Radio Vatikan lenkte ein: Der Kardinal habe nicht für den Vatikan gesprochen, sondern nur seine eigene Meinung kundgetan. Von einem Boykott-Aufruf von Seiten des Vatikans könne keine Rede sein.