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Das Scheitern eines Friedensplans

Peter Philipp22. Dezember 2003

Die Straßenkarte zum Frieden in Nahost war 2003 ein ständiges Medienthema. Trotz dieser Karte kam der Friedensprozess nicht in Gang. Peter Philipp nennt die Gründe.

Im Nahost-Konflikt ist kein Frieden in Sicht
Ariel SharonBild: AP

Der frisch gewählte Vorsitzende der Israelischen Arbeiterpartei, Amram Mitznah, hatte eine drastische Wende versprochen: Über zwei Jahre bereits dauerte die Intifada an, der palästinensische Aufstand in den besetzten Gebieten, der schon Tausende von Opfern gefordert hatte. Und die Regierung unter Ariel Scharon (Foto) hatte ihr Versprechen nicht eingelöst, dem Land Ruhe und Sicherheit zu bringen. Von Frieden ganz zu schweigen. Die Arbeiterpartei hatte die Koalition mit Scharon verlassen und mit Mitznah einen ausgesprochenen Vertreter eines Friedenskurses gewählt. Bei den Wahlen am 28. Januar aber nützte ihr dies nichts: Nur 68,5 Prozent der Stimmberechtigten gingen zur Wahl und der "Likud" von Scharon gewann doppelt so viele Mandate wie die Arbeiterpartei.

Schlechter Beginn

Dies war ein denkbar schlechter Jahresbeginn. Denn mit Scharon auf israelischer und Jassir Arafat auf palästinensischer Seite - das schien vielen klar - würde es keine Entspannung und Beruhigung geben. Obwohl Scharon ausrief, Israel brauche Einheit und Stabilität. Von solch allgemeiner Skepsis hob sich Schimon Peres deutlich ab, der "große alte Mann" der Arbeiterpartei und Architekt des israelisch-palästinensischen Oslo-Abkommens.

"Jedes Volk wählt seine eigenen Frührer", so Peres. "Wir wählen nicht die Palästinenser und sie wählen nicht die Israelis. Und keiner von uns kann dem Frieden wirklich entkommen - wir haben keine bessere Alternative. Wir müssen uns also zusammensetzen und reden. Und wir müssen die Fehler bedenken, die jeder Seite vorgeworfen werden können. Aber wir können nur die Zukunft korrigieren - und nicht die Vergangenheit".

Roadmap und Quartett

Obwohl seine konservative Koalition nun über eine unerschütterliche Mehrheit verfügte, verkündete Ministerpräsident Scharon, er werde sich um eine friedliche Regelung des Konflikts mit den Palästinensern bemühen. Richtlinie sei dabei die so genannte Roadmap, die Straßenkarte zu einem Frieden, die im Herbst 2002 vom Quartett der USA, UN, EU und Russland ausgearbeitet worden war. Der Plan war nicht gerade sensationell neu, aber er bot Israelis und Palästinensern doch wenigstens einen Leitfaden, wie sie aus der verfahrenen Situation herauskommen könnten.

Auf palästinensischer Seite hatte der weitgehend isolierte PLO-Chef Arafat seinem Teil der Straßenkart zugestimmt und einen Regierungschef berufen - Mahmoud Abbas -, der künftig die Verhandlungen mit Israel führen sollte. Und auf israelischer Seite tönte Premier Scharon plötzlich von "schmerzlichen Konzessionen" für den Fall eines Friedens, von der Gründung eines palästinensischen Staates. Und er sprach zum ersten mal von "besetzten Gebieten".

Jassir ArafatBild: AP

Staunen in den USA

Selbst in den USA staunte man, zögerte aber, zuviel in diese Worte hineinzuinterpretieren. "Ich werde es dem (israelischen) Premierminister überlassen, seine Bemerkung selbst zu interpretieren", sagte US-Außenminister Colin Powell. "Aber ich denke, sie zeigt doch, dass er einsieht, dass - egal wie man es interpretiert - die Besatzung bestimmter Städte oder einer Gegend ein Zustand ist, der auf Dauer nicht aufrecht erhalten werden kann".

Scharon blieb die angedeuteten Vorleistungen für einen Frieden schuldig. So setzte er unbeirrt die Politik der gezielten Tötung radikaler Palästinenserführer fort - und so ließ er weiter an einem Milliardenprojekt arbeiten, das unter seinem Vorgänger Barak entworfen worden war und das die Infiltrationsgefahr aus den Palästinensergebieten nach Israel reduzieren soll: eine ebenso breite wie hohe Sicherheitsanlage, die sich auf der palästinensischen Seite der ehemaligen Demarkationslinie entlang zieht und dabei unter anderem palästinensische Dörfer von ihren Äckern abschneidet oder solche Äcker zerstört. Nicht nur die Palästinenser argwöhnen außerdem, dass Scharon diese Anlage nur bauen lässt, um hiermit die künftige Grenze zu markieren.

Grenzziehung

Im Dezember bestätigte Scharon dies indirekt, als er in einer Rede verkündete, Israel werde einseitige Maßnahmen ergreifen, wenn die Palästinenser nicht binnen sechs Monaten wirkungsvolle Maßnahmen gegen Gewalttäter unternähmen. Diese einseitigen Maßnahmen bedeuten einen teilweisen Rückzug auf eine neue Sicherheitslinie, die wohl identisch sein dürfte mit dem Sicherheitszaun: "Diese Sicherheitslinie wird nicht die dauerhafte Grenze Israels werden", sagte Scharon, "aber solange die Bemühungen um die Roadmap nicht wieder aufgenommen werden, wird die Armee entlang dieser Linie stationiert sein." Damit deutete er die offiziellen israelischen Vorstellungen über die künftige Grenze zumindest an.

Scharon besteht darauf, dass er selbst an der Straßenkarte zum Frieden festhalte, dass aber die Palästinenser ihren Teil nicht erfüllten. Mit dem letzten palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmoud Abbas und dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush hatte Scharon sich im Frühsommer im jordanischen Hafenort Aqaba getroffen - und man hatte dort feierlich versprochen, der Straßenkarte zu folgen. Beide Seiten hielten sich nicht daran: Israel löste zwar einige unbedeutende Siedungsstützpunkte auf, es setzte aber die gezielten Ermordungen radikaler Palästinenser fort. Und deren Gruppen kündigten daraufhin eine begrenzte Waffenruhe auf. Dies, gepaart mit ständigem Machtgerangel zwischen ihm und PLO-Chef Arafat, zwang Mahmoud Abbas schließlich zum Rücktritt.

Bushs frommer Wunsch

George Bush Mahmud Abbas und Ariel Scharon in AkabaBild: AP

Sein Nachfolger wurde nach einigen Schwierigkeiten Ahmed Kureia, der freilich von Scharon als Kreatur Arafats betrachtet wird. Gleichwohl hat Scharon sich inzwischen bereiterklärt, mit Kureia zu sprechen. Dieser will solche Gespräche aber vom Baustopp der Sicherheitsanlage abhängig machen. Und daran ist seit dem Scharon-Ultimatum sicher nicht zu denken.

Außerdem: Je länger sich nichts tut in Nahost, desto weniger KANN sich etwas tun. Denn mit dem herannahenden Wahlkampf in den USA wird Präsident George W. Bush sich kaum vom vorbehaltlosen Freund Scharons zu dessen Kritiker wandeln. Und so bleibt wohl ein frommer Wunsch, was Bush in Aqa verkündet hatte: "Die Reise, die wir unternehmen, ist schwierig, aber es gibt keine Alternative. Kein verantwortungsvoller Führer kann weitere Monate und Jahre der Erniedrigung, des Tötens und des Trauern akzeptieren."

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