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Das Schicksal der Arbeitsmigranten

Gero Schließ
2. Juli 2017

Einen ungewöhnlichen Blick auf das Reizthema Arbeitsmigration wirft eine Ausstellung in Berlin. Shahidul Alam aus Bangladesch zeigt mit seinen Fotos, wie unterschiedlich Lebenswege sein können.

Deutschland | Austellung The best years of my life von Shahidul Alam
Bild: S. Alam

Menschen hinter Gittern. Kinder, Frauen, nur wenige Männer. Sie sind ein bisschen bunter gekleidet als wir. Die meisten schauen müde und traurig drein - auch der kleine Junge ganz vorne, der sich mit beiden Händen an einem der Gitterstäbe festhält.

Blumen für die Heimkehrer

Aus diesem Foto lassen sich ganz unterschiedliche Situationen herauslesen: Sind es Menschen im Gefängnis oder Insassen eines Flüchtlings-Lagers? Doch dann entdeckt man in der zweiten Reihe eine strahlende Frau, daneben einen riesigen Blumenstrauß. Eine winzige Zeile am oberen Bildrand bringt die Lösung: "Warten auf die Liebsten" steht da. Es sind Familien, die am Flughafen Dhaka auf heimkehrende Angehörige warten. Ehemänner, Väter, Mütter, die als Arbeitsmigranten für einen Kurzurlaub nach Bangladesch zurückkehren.

Wo ist sie, die verlorene Jugend? Ein Arbeitsmigrant aus BangladeschBild: S. Alam

Der bengalische Blogger und Fotograf Shahidul Alam erzählt in der Ausstellung "Die besten Jahre meines Lebens" von  Arbeitsmigranten aus Bangladesch, die in Malaysia leben und arbeiten. Mit seiner Kamera hat er sie ein Jahr lang begleitet. Alam hat einen genauen Blick für seine Protagonisten. Da ist Sahanaz, die versonnen auf ihr Smartphone schaut - eine der wenigen Frauen unter den Arbeitsemigranten, sagt Alam. "Sie sagte: 'Ich verließ meinen Sohn, als der ein Jahr war. Er blieb bei meiner Schwester. Jetzt ist er 11. Er nennt meine Schwester Mutter. Und mich nennt er Tante.'" Man kann nur erahnen, wie hoch der Preis ist, den diese junge Mutter zahlen muss, um ihre Familie zu ernähren.

Jedes Jahr verlassen um die 500.000 Bangladeschis ihre Heimat, um weit weg von zu Hause Geld zu verdienen. Längst ist die Wirtschaft des südasiatischen Landes auf ihre Überweisungen angewiesen. Das weiß auch Shahidul Alam. In Bangladesh ist er ein bekannter und gefürchteter Aktivist. Doch in der Berliner Ausstellung klagt er nicht an, sondern hält einfach ganz unterschiedliche Lebenswege fest. Da ist der dreijährige Sohn, zusammengekauert auf seinem Lager; er hat noch nie seinen Vater gesehen. Auch Abhängigkeiten und gebrochene Versprechen werden in Fotos von ärmlichen Behausungen oder Baustellen (siehe Artikelbild) thematisiert, Versprechen, die sogenannte Arbeitsvermittler machen. Obwohl die Regierung ihnen die Lizenzen entziehen könnte, tut sie nichts, berichtet Alam.

Erfolgreich: Heute ist Shaheen Sardar Generalmanager in seiner FirmaBild: S. Alam

Aber er erzählt in seinen Fotos auch von Erfolgen und menschlicher Wertschätzung. Da sieht man Dato, der als mittelloser Mann nach Malaysia kam und jetzt erfolgreicher Unternehmer ist. Gemeinsam mit seiner Ehefrau sitzt er in einem luxuriösen Wohnzimmer. Oder Bashirol, der mit seinem Chef, dem Besitzer eines Metallbetriebs, ganz gelöst zusammensteht. Die Männer halten sich gegenseitig im Arm, sind offensichtlich guter Dinge.

Das vielleicht stärkste Foto zeigt das Porträt eines ernst blickenden Manns. Ihm mache das entbehrungsreiche Leben nichts aus, lesen wir auf einer Tafel. Aber am Ende ist ihm schmerzlich bewusst geworden, dass er darüber seine Jugend verloren hat.

Migranten als Menschen zeigen

Ihm gehe es darum, das Leben der Migranten "von seiner ganz menschlichen Seite zu zeigen", fernab aller klischeehaften Typisierung, sagt Alam. Und er gibt auch uns damit zu denken. Denn Alams Arbeitsmigranten sind "unsere" Flüchtlinge. Jeder mag sich prüfen, wie genau er da hinschaut.

Shahidul Alam: Das Leben von seiner menschlichen Seite zeigenBild: Rahnuma Ahmed

Mit seinem nächsten Projekt will sich Shahidul Alam ganz direkt in eine Diskussion in Deutschland einschalten. Ähnlich wie in Dhaka will er auch hier in einer Moschee ausstellen - in der vor wenigen Wochen eröffneten liberalen Moschee der Frauenrechtlerin Seyran Ates, der ersten Moschee, in der Frauen und Männer gleichberechtigt in einem Raum beten. Alam ist bewusst, dass die liberale Moschee massiver Kritik und Anfeindungen ausgesetzt ist. Doch das kennt er auch aus seiner Heimat. Moscheen müssten sich der Welt öffnen, sagt er mit verschmitztem Gesichtsausdruck. Das gelte für Bangladesch genauso wie für Deutschland.  

Die Ausstellung "The best years of my life" wurde bis zum 30. Juni im Auswärtigen Amt in Berlin gezeigt, zeitgleich zu einer internationalen Konferenz über Migration. Zuvor war sie beim Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn zu sehen. Geplant ist, sie künftig auch Schulen zur Verfügung zu stellen. Parallel zur Ausstellung ist ein gleichnamiges Buch von Shahidul Alam erschienen.

 

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