Die Türkei in Afrika
7. Januar 2013 Erste Station: Gabun. Hier begann Recep Tayyip Erdogan am Sonntag (06.01.2013) seine Reise in drei afrikanische Staaten. Das Land am Golf von Guinea ist eines der rohstoffreichsten Länder in Afrika und gilt gemessen am Bruttoinlandsprodukt als eines der reichsten Länder des Kontinents. Niger dagegen zählt nach dem Human-Development-Index der Vereinten Nationen von 2011 zu den ärmsten Ländern der Welt, spielt aber als Rohstoffexporteur eine wichtige Rolle, vor durch den Uran-Abbau. Senegal gehört zu den politisch und ökonomisch stabileren Ländern Westafrikas, mit vergleichsweise gut funktionierender Verwaltungsstruktur. Trotzdem blieb das Land beim Wirtschaftswachstum hinter anderen Staaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zurück. Und auf dem Human-Development-Index liegt Senegal unter den letzten 40 Ländern. Hier soll die Afrika-Reise Erdogans und seiner Wirtschaftsdelegation nach sechs Tagen enden.
Asiatisch-Europäischer Tiger
Auf leisen Pfoten, aber nicht minder zielstrebig, hat sich die Türkei den afrikanischen Markt erschlossen. Das erste Signal für die diplomatische Offensive begann schon 1998 mit der Formulierung einer neuen Afrikapolitik der Türkei. Dem offiziellen "Afrika-Jahr" 2005 folgte der erste Staatsbesuch eines türkischen Ministerpräsidenten in Südafrika und Äthiopien. Außerdem bekam die Türkei einen Beobachterstatus bei der Afrikanischen Union (AU). Gero Erdmann, Afrika-Experte vom Leibnitz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA), verortet die Hinwendung Ankaras zu Afrika sogar schon früher, nämlich mit der "notwendig gewordenen Neuorientierung der türkischen Politik nach dem Ende des Kalten Krieges".
Inzwischen unterhält die Türkei 17 Botschaften in Subsahara-Afrika. Weitere Botschaften auf dem afrikanischen Kontinent sollen folgen. Dazu kommen laut Erdmann in vielen Ländern türkische Privatschulen. Außerdem gibt es Ausbildungsangebote für afrikanische Imame durch die staatliche türkische Behörde für religiöse Angelegenheiten, Diyanet.
Afrika ist heute in Ankara Chefsache. Außenminister Ahmet Davutoglu kümmert sich persönlich um die Afrikapolitik seines Landes. War er es doch, der in den 90er Jahren, damals an der Universität tätig, ein entsprechendes Strategiepapier ausarbeitete, erklärt Dr. Gülistan Gürbey, Privatdozentin am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Das Konzept der "strategischen Tiefe" stelle laut Gürbey eine Rückbesinnung auf die osmanische Vergangenheit und eine religiös-kulturelle, muslimische Identität dar. "Darauf aufbauend hat sich der geopolitische Bereich der Außenpolitik sehr stark ausgeweitet, die Türkei versteht sich heute als ein zentrales Land inmitten von mehreren Kontinenten", so die Dozentin.
Nicht nur wirtschaftliches Interesse
Das neue Interesse an Afrika spiegelt sich in der Handelsstatistik wieder: Mit der Afrika-Offensive der AKP-Regierung hat sich das türkisch-afrikanische Handelsvolumen von 2002 bis 2011 – wenn auch von einem geringen Niveau - verfünffacht. Ziele türkischer Investoren sind vor allem Infrastruktur- und Bauprojekte wie zum Beispiel in Äthiopien und dem Sudan, oder Textilgewerbe und Lebensmittelverarbeitung wie in Südafrika. Anders als viele Konkurrenten verfolgt die Türkei noch vor einer Ressourcenpolitik zunächst strategische Interessen, weiß Gero Erdmann von GIGA. "Die Türkei will in Afrika vor allem Stimmen für sich in der UNO sammeln, denn sie möchte wieder einen Sitz im nichtständigen Sicherheitsrat haben", so Erdmann. Noch nachrangig sei das wirtschaftliche Interesse, das sich derzeit weniger an Rohstoffen und Energieressourcen orientiere, sondern Absatzmärkte für türkische Produkte suche.
In der Praxis äußert sich die Strategie, die Unterstützung afrikanischer Staaten in internationalen Gremien zu gewinnen, in einer äußerst sichtbaren Entwicklungspolitik, etwa während der Dürre in Somalia.
Hegemonialstreben oder friedlicher Partner?
In der Türkei selbst wie auch in Teilen Europas trifft die neue Orientierung der türkischen Regierung auf Afrika (wie auch auf Nahost) auf Kritik. Liberale Politiker und Wissenschaftler stoßen sich an einer vermeintlich pro-arabischen, islamistischen Orientierung und befürchten neo-osmanische Absichten. Andere Beobachter bemängeln, dass eben jenes Land, das im Zuge seiner Bewerbung als EU-Mitglied von den Partnern wegen Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung der Religionsfreiheit und Nichtachtung der Rechtsstaatlichkeit kritisiert wird, nun in Afrika als Menschenrechtsverteidiger auftrete, wie auf der Istanbuler Afrika-Konferenz 2011 geschehen.
GIGA-Wissenschaftler Erdmann dagegen betont, das Fehlen einer gemeinsamen Kolonialgeschichte mache die Türkei, die als friedliche Vermittlungsmacht und nicht als Akteur in einem neuen Wettlauf um afrikanische Ressourcen auftritt, zu einem attraktiven Partner in Afrika.