Jüngst ist "Das Tagebuch der Anne Frank" als Graphic Novel erschienen. Es ist nicht die erste Bildergeschichte über Anne Frank, aber der erste Versuch, ihr Tagebuch in Comic-Form zu erzählen. Kann das gut gehen?
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Anne Frank, Maus und Freedom Hospital: Graphic Novels aus der Realität
Die Schrecken von Holocaust, Krieg und Massakern müssen nicht staubtrocken erzählt werden. Graphic Novels eröffnen neue Perspektiven und Zielgruppen - so wie der neue Comic über das Leben der Anne Frank.
Bild: picture-alliance/dpa/Artie/Jewish Museum New York
Selbstbewusst und herausfordernd
Die aktuelle Graphic Novel über die Erfahrungen der Anne Frank zeigt eine selbstbewusste junge Frau, die den Lesern mit einem herausfordernden Gesichtsausdruck begegnet. Die Trickfilmzeichner Ari Folman und David Polonsky - Oscar-nominiert für "Waltz with Bashir" - kombinierten den Originaltext mit fiktiven Dialogen im Auftrag des Anne Frank Fonds in Basel, der die Rechte am Tagebuch hält.
Bild: S. FISCHER
Streng nach Vorlagen
Bereits 2010 war die Buchvorlage mit "Das Leben von Anne Frank - eine grafische Biografie" künstlerisch umgesetzt worden, in Auftrag gegeben vom Anne Frank Haus in Amsterdam. Der US-Zeichner Ernie Colón hielt sich in seinen Darstellungen weitgehend an die überlieferten Bilddokumente, das Buch ist im Vergleich zur nun veröffentlichten Graphic Novel sehr viel klassischer angelegt - und etwas bieder.
Bild: picture-alliance/dpa
Der Holocaust als Katz- und Mausspiel
Besonders umstritten war die Darstellung des Holocaust als Katz-und-Maus-Spiel in den Comics von Art Spiegelmann. "Maus – Die Geschichte eines Überlebenden" erntete vor allem in Deutschland harsche Kritiken, weil die Darstellung das Grauen des Massenmords nicht abbilden könne und diesen trivialisiere. In den USA erhielt Spiegelmann dagegen den Pulitzer-Preis - den ersten für einen Comic überhaupt.
Bild: picture-alliance/dpa/Artie/Jewish Museum New York
Kindheit unter Franco
Der Spanier Carlos Giménez zeichnete an einer Westernserie mit und lieferte Comics für eine Softporno-Reihe. 1976 zeigte brach sein Sinn für Politisches durch: Im zweibändigen Comic "Paracuellos. Auxilio Social" schilderte Giménez seine Kindheit in der Franco-Diktatur und die politischen Umbrüche in den 1970er Jahren.
Bild: Ediciones de la Torre
Journalistische Reportage
Joe Sacco gilt als Erfinder der Comic-Reportage. Er arbeitet journalistisch, er reist und führt Interviews für seine Recherchen - so wie für die Vorbereitung zu "Gaza", einem Comic über Massaker der israelischen Armee an Palästinensern in den 1950er Jahren. Für Sacco, der auch aus dem Irak und Sarajevo berichtete, ist die Form des Comics eine Möglichkeit, dokumentarisch zu erzählen.
Bild: Edition Moderne
Bundeswehr in Afghanistan
Der Berliner Zeichner Arne Jysch erzählte 2012 in "Wave and Smile" die Geschichte einer Bundeswehreinheit in Afghanistan. Drei Kameraden sterben nach einem Anschlag, die Strategie des titelgebenden Winkens und Lächelns funktioniert nicht. Die Graphic Novel zeigt Soldaten in einem Einsatz, der politisch nicht als Krieg bezeichnet werden darf.
Bild: Carlsen
Im syrischen Untergrund
Opfer von Folter und Krieg finden Zuflucht im "Freedom Hospital", wo ihnen Freiwillige helfen. Der in Paris lebende syrische Zeichner Hamid Sulaiman lässt dort gegensätzliche Charaktere aufeinander treffen, darunter Oppositionelle, eine Reporterin, eine junge Frau, die vor ihrer Familie geflohen ist, einen Muslimbruder und einen Spion. Er zeigt, wie schnell sich die Fronten im Krieg verschieben.
Bild: Jonathan Cape
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Auf den Seiten des Feuilletons liest man in diesen Tagen wieder häufiger eine Frage: Darf man das? Auslöser ist das zu Monatsbeginn erschienene "Tagebuch der Anne Frank" - als Comic. Das Schicksal des jüdischen Mädchens, das 1933 mit seiner Familie aus Frankfurt zunächst nach Amsterdam geflüchtet war, wo es sich nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht versteckte, ehe die Familie nach Auschwitz verschleppt wurde, ist vielfach erzählt worden: Das Buch ist verfilmt und im Theater aufgeführt worden, in Amsterdam können sich Besucher das Haus ansehen, in dessen Hinterhaus sich das Mädchen mit seiner Familie versteckt hielt.
Auch eine grafische Darstellung hat es schon gegeben, 2010 veröffentlichte der Carlsen Verlag "Das Leben von Anne Frank - eine grafische Biografie". Das nun im S. Fischer Verlag zum 70. Jahrestag der Erstveröffentlichung erschienene "Tagebuch der Anne Frank" ist moderner gestaltet, es hält sich weniger strikt an die Bilddokumente aus der damaligen Zeit, zeigt Frank als selbstbewusste junge Frau.
Comics ermöglichen neuen Zugang zu ernsten Themen
Der Ruf des Comics leidet unter dem Nimbus, sich allein an Kinder zu richten. Dabei sind Comics weder eine reine Kinderangelegenheit noch per se stupide Massenware. Auch die Verhandlung politischer Themen in Graphic Novels ist nicht neu, allerdings immer wieder umstritten. Ein bekanntes und lange Zeit sehr kontrovers diskutiertes Werk sind die "Maus"-Comics des Zeichners Art Spiegelman. Er verarbeitete darin die Geschichte seines Vaters, der den Holocaust überlebte, und schuf eine Parabel, in der Juden als Mäuse und die Deutschen als Katzen auftreten. Kritisiert wurde die Wahl des Comics - vor allem in Deutschland - wegen der vermeintlich damit verbundenen Trivialisierung des Schreckens.
Andere verteidigen die Graphic Novel gegen derartige Bewertungen und stellen heraus, dass sie auch ernste Themen transportieren können. Graphic Novels ermöglichen einen neuen, modernen Zugang zu einem Thema und können dazu beitragen, dass sich auch jüngere Zielgruppen für Geschichte interessieren. Somit kann ein popkulturelles Medium durchaus zur Vermittlung komplexer Themen beitragen.