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Gesellschaft

Exportschlager Technisches Hilfswerk

30. September 2017

Das THW ist zur Stelle, wenn die Erde bebt oder Hochwasser Städte überschwemmt. Innerhalb von Stunden fliegen Freiwillige in Krisengebiete. Ihr jüngster Einsatz: Die Entwaffnung der FARC-Rebellen.

Einsatz des THW im Nordirak
Bild: THW/F. Gottschalk

Er kostete rund 300.000 Menschen das Leben und trieb mehr als sieben Millionen in die Flucht: Nach rund 50 Jahren könnte der blutige Konflikt in Kolumbien nun der Geschichte angehören. Am Montag meldeten die Vereinten Nationen, dass die Entwaffnung der FARC-Rebellen offiziell abgeschlossen sei. Die Regierung und die größte und älteste Guerilla-Organisation des Landes hatten sich bereits 2016 auf ein Friedensabkommen verständigt; die FARC versprach ihre Waffen an die Vereinten Nationen abzugeben. Eine tragende Rolle in diesem Prozess: das Technische Hilfswerk (THW).

Seit Januar dieses Jahres waren über 56 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter des THW jeweils für mehrere Wochen in dem südamerikanischen Land und unterstützten die Mission. Die Entwaffnung der Guerilla war komplex. "Es darf keiner wissen, welche Waffe mit welchem FARC-Rebellen in Verbindung gebracht werden kann, und was damit gemacht wurde - sonst wird eine Amnestie schwierig", sagt Klaus Buchmüller, Referatsleiter Ausland im Technischen Hilfswerk, der DW.

Unter den Augen der Weltöffentlichkeit: Ein THW-Mitarbeiter zerstört Waffen der FARC-Rebellen Bild: THW

Die Waffen mussten registriert und die Daten verschlüsselt übermittelt werden - eine Aufgabe, die das THW ganz kurzfristig von den Vereinten Nationen übertragen bekommen hatte. Die kolumbianische Regierung hatte sich kurz vor dem Start außer Stande gesehen, es selbst zu machen. "Wir haben Laptops neu aufgespielt und Servertechnik eingebaut und innerhalb von drei Monaten das digitale Funknetz in Kolumbien aufgebaut", sagt Buchmüller, der selber auch bei der Mission dabei war. Aber auch die Zerstörung der Waffen selbst wurde durch das THW unterstützt. Mit Diamanttrennschneidern und Plasmaschneidegeräten machte das Hilfswerk fast 9.000 Waffen und über 20.000 Kartuschen unbrauchbar.

In mehr als 130 Ländern aktiv 

1950 als Zivilschutzorganisation der Bundesregierung gegründet, dürfte das THW heute den meisten Deutschen vor allem vom Katastrophenschutz bekannt sein. Immer dann, wenn nach einer Flut Straßen und Plätze überschwemmt sind, rücken die meist ehrenamtlichen Helfer an und versuchen mit Sandsäcken und Pumpen die Wassermassen einzudämmen. Was viele nicht wissen: Auch im Ausland ist die Hilfe der Organisation gefragt. In mehr als 130 Ländern war das THW seit seiner Gründung unterwegs, zum Beispiel nach Erdrutschen in Peru oder der Nuklearkatastrophe in Japan. Manchmal sind sie auch dafür da, andere Helfer auszustatten, wie etwa 1994 in Ruanda. Einige Organisationen waren nach dem Massaker zwischen den Hutus und Tutsis ohne Ausrüstung in das Krisengebiet geflogen. "Manche waren mit Badelatschen angereist", erzählt Buchmüller. Das THW bereitete vor Ort das verseuchte Trinkwasser auf - und stattete zudem Hilfskräfte anderer Organisationen mit angemessenem Schuhen und Schlafsäcken aus. Auch bei der Ebola-Epidemie in Sierra Leone war das THW dabei. 

Klaus Buchmüller, THW: Schlankere FriedensmissionenBild: THW

Trotz der vielen Auslandsprojekte: Der jüngste Einsatz in Kolumbien ist etwas Besonderes. Denn erstmals unterstützte das THW die Vereinten Nationen im Rahmen einer Friedensmission. "Es gibt langjährige Bemühen der UN, den 'schwerfälligen Tanker' Friedensmission etwas schlanker zu machen, daher will man zivile Organisationen mehr einbinden", sagt Buchmüller. Denn viele Aufgaben in den UN-Missionen können nicht militärisch oder polizeilich erledigt werden. Organisationen wie das THW seien wesentlich besser geeignet, weil sie mit weniger Personalaufwand mehr leisten könnten.

Engagement als "Lebensanker" 

Das staatliche Hilfswerk setzt vor allem auf Ehrenamtliche und ist mit dieser Struktur weltweit einmalig. Neben den 1300 hauptamtlichen Mitarbeitern sind es vor allem die rund 80.000 freiwilligen Helfer, die das THW unterstützen - vom Schreiner bis zum IT-Profi. Schon Kinder ab sechs Jahren können beim THW mitmachen. "Es ist für viele eine Art Lebensanker", so Buchmüller. "Viele bleiben ihr Leben lang. Nachwuchssorgen haben wir deshalb nicht, aber wir müssen - vor allem seit Ende der Wehrpflicht - schon etwas tun."

Für die Organisation sei es von Vorteil, dass sie vor allem mit Ehrenamtlichen zusammenarbeitet. Denn so seien die Helfer immer auf dem neuesten Stand der Technik, sagt Buchmüller. Zudem sei die Akzeptanz unter der örtlichen Bevölkerung deutlich höher. Allerdings bräuchten die Freiwilligen auch tolerante Arbeitgeber. Denn je nach Einsatz haben die Freiwilligen nur sechs Stunden Zeit zwischen dem Anruf des THW und dem Abflug der Maschine ins Einsatzland. Ein entsprechendes Gesetz schützt die Arbeitnehmer, sie müssen von der Arbeit freigestellt werden.

In Tunesien soll jetzt eine THW-ähnliche Organisation aufgebaut werden - mit Hilfe von über 100 THW-FahrzeugenBild: THW/C. Saponaro

Kopien erwünscht 

Bald könnte es in mehreren Ländern Nachahmer geben. In Tunesien, Jordanien und im Nordirak werden derzeit ähnliche Strukturen geschaffen. Das THW berät die Länder zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und bildet vor Ort Trainer aus. Für Tunesien stellt es auch über 100 Fahrzeuge bereit. Für die Staaten ergeben sich dadurch viele Vorteile, so Buchmüller. Zum einen sei es deutlich kostengünstiger und flexibler, mit ehrenamtlichen Helfern auf Katastrophen reagieren zu können. Außerdem könne das Engagement von Freiwilligen einen Staat auch stabilisieren. "Wer als Bürger für seinen Staat arbeitet, wird sich kaum gegen ihn wenden. Das ist auch politisches Kalkül, was dahinter steckt", sagt Buchmüller.

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