Menschen mit einer narzisstischen Störung sind schwierige Beziehungspartner. Bei allem Verständnis für die geschundene Seele hinter dem aufgeblähten Ego: Wer sich nicht selbst verlieren will, geht besser schnell!
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"Schatz, ruh dich aus, ich gehe heute einkaufen." Ein Satz, den Sarah von ihrem Partner nie gehört hat. Nicht bevor sie mit dem gemeinsamen Sohn schwanger war, nicht währenddessen und schon gar, als der Kleine dann geboren war. Die Welt ihres Mannes, so erzählt es die 39-Jährige, dreht sich genau um einen Menschen: ihn selbst.
Vor einigen Monaten hat Sarah die Beziehung beendet. Eine Beziehung, von der sie heute sagt, dass sie selbst wahrscheinlich jeder Freundin schon viel früher geraten hätte: "Geh! Der Typ zerstört dich." Seit der Trennung ist Sarah in einer Therapie. Die Therapeutin hat sie in ihrer Vermutung bestärkt: Fünf Jahre lang hat sie mit einem Narzissten zusammen gelebt.
"Narzissten zeichnen sich durch Empathielosigkeit aus", sagt Bärbel Wardetzki. Sie ist Psychotherapeutin und Autorin einiger Bücher zum Thema Narzissmus. Narzisstische Menschen hören selten richtig zu, erzählen am liebsten von sich selbst und besitzen in Konfliktsituationen nur eine sehr geringe Frustrationstoleranz, sagt die Expertin.
Das war es auch, was Sarah als erstes auffiel. "Er hat bei ganz normalen Meinungsverschiedenheiten vollkommen überreagiert und Dinge gesagt wie 'wenn du das jetzt nicht auf sich beruhen lässt, dann ist es aus mit uns'. Ich fand das sehr merkwürdig und unangemessen." Wenn sie ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht extrem deutlich verbalisierte, dann seien die schnell unter den Tisch gefallen. Von sich aus hat er nicht danach gefragt, sagt Sarah.
Sein Selbstbewusstsein, sein eigener Wille und seine Fähigkeit, ihr etwas entgegen zu setzen - das hat Sarah anfangs so an ihm fasziniert. Er imponierte ihr. Bewunderung ist das Lebenselixier der Narzissten. Wehe dem, der sie ihnen versagt! "Sie können übermäßig aggressiv reagieren, wenn jemand etwas tut, was nicht ihren Vorstellungen entspricht", sagt Wardetzki. Narzissten würden entweder bewundert oder wirkten einschüchternd. Statt zu loben und wertzuschätzen werten sie andere ab.
Trotz dieser für Narzissten typischen Verhaltensweisen ist der Begriff nicht leicht zu definieren, sagt Wardetzki. Der Übergang von positivem zu krankhaftem Narzissmus sei fließend. "Menschen, die sagen 'ich finde mich gut' haben einfach ein positives Selbstwertgefühl. Sie kennen auch Selbstzweifel, sind aber immer wieder in der Lage, sich innerlich zu regulieren und sich selbst zu trösten und zu unterstützen. Sie wissen um ihre Fähigkeiten und auch um ihre Grenzen."
Großes Ego, nichts dahinter
Krankhafter Narzissmus speist sich hingegen aus einem schwer gestörten Selbstwertgefühl, so die Psychotherapeutin. Die tiefen Selbstzweifel müssen "durch den Aufbau eines übergroßen Selbst kompensiert werden."
Wie so häufig werden die entscheidenden Weichen in der Kindheit gestellt. Bei Narzissten handelt es sich um "emotional verwahrloste Kinder", wie Wardetzki sagt. Diese Verwahrlosung habe zwei Gesichter. "Entweder werden diese Kinder enorm überhöht und verwöhnt", erklärt die Psychotherapeutin. Laut Wardetzki sei dies ein beliebtes Erziehungsmittel unsere Zeit. Manch ein Kind könne nicht einen simplen Strich auf ein Blatt Papier zeichnen, ohne dass sich die Eltern vor Begeisterung überschlagen.
Die andere Seite der Medaille sei die permanente Entwertung des Nachwuchses. "Diese Kinder haben immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein und nicht wirklich geliebt zu werden."
Das Ergebnis ist dasselbe: Wer ständig auf einen Thron gehoben oder aber andauernd zum Verlierer degradiert wird, fühlt sich nicht gesehen und angemessen gespiegelt. Ein Kind, das auf diese Weise aufwächst, entwickelt kein gesundes Selbstwertgefühl. Kein "es ist gut - so wie ich bin".
Sarah sagt über die Mutter ihres Ex-Partners, sie sei "eiskalt, ohne Emotionen". Der Sohn wurde früh abgegeben und wuchs bei seiner Tante auf. "Seine Tante war keine gute Person, er ist mit vielen Schlägen groß geworden." Seinen Vater habe er nie kennengelernt.
Ein Narzisst für mich?
Sarah beschreibt sich selbst als eine "Kümmer-Natur", die immer helfen und die Dinge für andere regeln möchte. Der Mann sei ihr Projekt gewesen. Jemand, dem sie über die schlimmen Erfahrungen der Kindheit hinweg helfen und zeigen wollte, was wirkliche Liebe ist. "Ich habe mir eingebildet, dass, wenn ich nur lange genug durchhalte, es bei ihm 'klick' macht und er merkt, dass ich die einzig richtige Person für ihn bin."
Der Schuss ging gründlich nach hinten los. Die Weigerung ihres Ex-Partners, sich mit Sarahs Bedürfnissen auseinanderzusetzen, spitzte sich in der Schwangerschaft zu. "Er hatte kein Verständnis, wenn es mir mal nicht gut ging, und er hat auch generell kein Interesse gezeigt. Ich hatte den Eindruck, dass diese Zeit für ihn nur nervig und belastend war."
Die werdende Mutter bittet um mehr Rücksicht - vergeblich. Sie wird laut. Das ist der Moment, in dem er doch hellhörig wird. "Du schreist mich immer an, dann musst du dich auch nicht wundern, wenn ich dich nicht gut behandle." Das sei seine Lieblingsreaktion gewesen. "Weil ich ihm nicht die Anerkennung gegeben habe, die ihm seiner Meinung nach zusteht, hatte er außerdem ständig Affären", erzählt Sarah. Sei mal wieder eine seiner Lügen aufgeflogen, habe er alles abgestritten und seine Partnerin für verrückt erklärt.
Mann oder Frau - wer lügt besser?
06:56
Ein Fass ohne Boden
Der Umgang mit Narzissten ist eine Herausforderung an das eigene Selbstwertgefühl, sagt Bärbel Wardetzki. "Sie schaffen es in kürzester Zeit, dass man sich entwertet und mickrig fühlt, und nicht mehr die Person ist, die man eigentlich ist." Es sei wichtig, Position zu beziehen und sich nicht einschüchtern zu lassen.
Mit der Trennung hat Sarah diese Position bezogen und dem narzisstischen Mann damit seine verlässlichste Quelle der Bewunderung entzogen. Der kann ihre Entscheidung kaum fassen. "Er glaubt nicht, dass ich es ernst meine", sagt Sarah. Nun umarme er sie häufig und erzähle, dass sie und ihre kleine Familie genau das seien, was er braucht. "Ich glaube ihm, dass er das braucht. Aber er braucht noch mehr: Er ist nicht zufrieden mit dem, was er hat."
Menschen mit einer narzisstischen Störung sind wie ein Fass ohne Boden, sagt Wardetzki. "Zuspruch kann innerlich nicht gespeichert werden und es muss immer mehr Bestätigung von außen kommen."
Mehr Anerkennung, mehr Bewunderer, alles für das gestörte Selbstwertgefühl. "Er braucht diese Frauen, die ihn toll finden. Das ändert sich nicht, nur weil er feststellt, dass er jetzt doch seine Familie haben möchte. Das Problem bleibt ja dasselbe." Sarah arbeitet mit ihrer Therapeutin daran, dass es in Zukunft nicht mehr ihr Problem sein wird.
Liebes-Floskeln wissenschaftlich erklärt
Liebe macht blind! Ich kann Dich gut riechen! Ich finde Dich süß! Oder: Ich reagiere allergisch auf Ihn. Was verraten diese Floskeln über Verliebte? Was passiert bei der Liebe eigentlich im Körper?
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Liebe geht durch den Magen
Frisch Verliebte produzieren verstärkt das Hormon Phenylethylamin, das den Appetit zügelt. Beim gemeinsamen Essen wird zudem das "Kuschel- oder Beziehungshormon" Oxytocin ausgeschüttet, das ebenfalls den Appetit hemmt. Anders sieht es in längeren Beziehungen aus: Glückliche Paare wiegen im Schnitt mehr als Singles. Das liegt auch am sinkenden Konkurrenzdruck in glücklichen Partnerschaften.
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Schmetterlinge im Bauch
In der Phase der Verliebtheit wird der Körper auch von den Geschlechtshormonen Testosteron und Östrogen reguliert. Diese Hormone werden hauptsächlich unter Stresseinfluss ausgeschüttet und führen zu einem unruhigen Magendarmtrakt. Die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin beim Anblick des Gegenübers führt im Zusammenspiel mit den Glückshormonen zum Kribbeln im Bauch.
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Sich gut riechen können
Moleküle auf den Zell-Oberflächen entscheiden bei der Erkennung des Immunsystems über Freund oder Feind und lassen dann entsprechende Duftkomponenten entstehen. Der Körpergeruch gelangt über die Riechrezeptoren ans Gehirn, das dann entscheidet: passt oder passt nicht. Zu viel Diversität kann zu autoaggressiven T-Zellen führen, die körpereigenes Gewebe angreifen und Autoimmunerkrankungen auslösen.
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Liebe macht blind
Dopamin ist ein Botenstoff, der im Gehirn das Gefühl von Verliebtheit entstehen lässt und etwaige Fehler des Geliebten ausblendet. Die ausgeschütteten Endorphine vermitteln Glücksgefühle und Zufriedenheit. Wird durch die körperliche Berührung zusätzlich noch das Kuschelhormon Oxytocin aktiviert, entsteht eine dauerhafte Bindung, die über die etwa sechs Wochen andauernde Verliebtheit hinausgeht.
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Da stimmt die Chemie
Bei der Liebe gilt die Devise "je fremder, umso besser". Dabei geht es um Immun-Gene, die bei der Abwehr von Krankheitserregern eine Rolle spielen. Je unterschiedlicher der Genpool von Mutter und Vater ist, desto besser ist der Nachwuchs für möglichst viele Krankheitserreger gewappnet.
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Jemanden süß finden
Küssen, saugen und beißen soll auf scherzhaft-spielerische Art kannibalistische Motive aufgreifen. Das zeige sich auch in den Redensarten: Wir finden jemanden "süß", "lecker" oder "knackig", haben ihn "zum Fressen gern". Süßigkeiten haben zudem für viele seit frühster Kindheit einen Belohnungseffekt. Entsprechend ist der Begriff "süß" auch in anderen Themenbereichen positiv besetzt.
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Gleich und gleich gesellt sich gern
Gerade bei dauerhaften Beziehungen ähnelten sich Partner nachweislich sehr häufig. Soziologisch gesagt das Konzept der "Homogamie", dass Partner nach ähnlichen Kriterien ausgesucht werden, so dass möglichst gleiche Bedingungen (Abstammung, Alter, Bildungsniveau, sozialer Status, finanzielle Lage, Hobbys, politische Neigung, Religion) in die jeweilige Beziehung eingebracht werden.
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Gegensätze ziehen sich an
Männer und Frauen unterscheiden sich auch bei der Partnerwahl. So achten Männer stärker aufs Aussehen. Frauen suchen eher nach Status und Intelligenz. Treffen unterschiedliche Meinungen und Erfahrungen aufeinander, kann das zu ausgewogeneren Sichtweisen und klügeren Handlungen führen. Oftmals passen gegensätzliche Persönlichkeiten gut zueinander, etwa sich gerne führen lassen und gerne führen.
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Alles miteinander teilen
Vor allem müssen Sexualpartner darauf achten, nicht ungewollt Geschlechtskrankheiten oder andere Infektionen mit dem neuen Partner zu teilen. Unklar ist noch, in wie weit sich Partner mit der Zeit auch das Mikrobiom - also die Summe aller Mikroorganismen - auf der Haut teilen. So könnte etwa bei Neurodermitis-Patienten durch die Partner-Mikroben ein entsprechender Hautausschlag gefördert werden.
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Allergisch aufeinander reagieren
Wenn´s überhaupt nicht passt, könnte das an einer Duftstoffallergie liegen. Denn meist reagieren wir nicht auf eine Person allergisch, sondern auf etwas, das der andere an sich trägt. Das können Allergene sein, die von anderen Orten stammen, oder Parfüms, Cremes oder Seifen, die Eugenol oder Limonen enthalten. Gerade bei Allergien wirkt auch die Psyche aufs Immunsystem – positiv oder negativ.
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Träne ist nicht gleich Träne
Wir weinen vor Freude, wir weinen vor Traurigkeit. Wir weinen beim Zwiebelschneiden. Salzig schmecken Tränen immer, aber wenn man genau hinsieht, dann unterscheiden sie sich doch. Und wunderschön anzusehen sind sie.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Trauer und Dankbarkeit
Ein bisschen erinnert dieses Bild an eine Landkarte. Oder an eine Luftaufnahme von hoch oben auf die Erde herab. Doch tatsächlich ist dies eine Träne – eine Träne der Trauer und Dankbarkeit. Schätzungen nach produziert jeder Mensch durchschnittlich 80 bis 100 Liter Tränen in seinem Leben. Der eine vielleicht noch etwas mehr, der andere etwas weniger.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Hoffnung
Die amerikanische Fotografin Rose-Lynn Fisher fragte sich 2008, ob eine Träne der Trauer wie eine Träne der Freude aussehen würde. Sie nahm ein paar Tränen, und fotografierte sie auf einer Glasplatte unter dem Lichtmikroskop – und tatsächlich! In bis zu 400-facher Vergrößerung war es offensichtlich: Tränen unterscheiden sich in ihrem Aussehen. Hier ist eine Träne der Hoffnung zu sehen.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Topografie der Tränen
Von da an begann Rose-Lynn, Tränen – hauptsächlich ihre eigenen – einzufangen, sie zu datieren und zu trocknen, zu fotografieren und ihnen Namen zu geben. Über 1000 Bilder habe sie seitdem betrachtet, sagt sie. Die Aufnahmen erzählten so schöne Geschichten, dass daraus ein ganzer Bildband mit verschiedensten Tränenlandschaften entstanden ist: "The Topography of Tears".
Bild: Rose-Lynn Fisher, publ. by Bellevue Literary Press
Schutzauftrag
Ganz nüchtern betrachtet schützt die Tränenflüssigkeit schlichtweg unser Auge, vor Staub und Schmutz zum Beispiel. Ein ausgeklügelter Chemiecocktail sorgt für Sauberkeit. Die Basaltränen bildet unser Auge unentwegt, damit es feucht und gesund bleibt.
Bild: picture-alliance/dpa
Mitgefühl
Tränenflüssigkeit besteht aus drei Schichten: Auf der Hornhaut des Auges liegt die etwas schleimige Muzinschicht. Darüber liegt die mittlere Schicht, die zu 98 Prozent aus Wasser besteht. Die äußerste Lipidschicht ist fetthaltig und stabilisiert den Tränenfilm. Hier ist eine Träne des Mitgefühls aus Rose-Lynns Fotoserie zu sehen.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Reue
Tränen enthalten Wasser, Salze, Proteine, Enzymen und Fett. Doch je nachdem, aus welchen Gründen wir weinen – hier ist eine Träne der Reue abgebildet – unterscheidet sich die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Zwiebeltränen
Neben den Basaltränen gibt es auch Reflextränen. Sie werden von Fremdkörpern oder Umweltreizen hervorgerufen, etwa durch ein Sandkorn oder durch Zwiebelschneiden (hier im Bild). Bei einer frisch aufgeschnittenen Zwiebel reizen schwefelhaltige Aminosäuren das Auge. Reflextränen helfen, Störenfriede wieder auszuspülen. Bei ihnen überwiegt daher der Wasseranteil.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Erschöpft und ausgelaugt
Und dann gibt es noch die emotionalen Tränen. Sie entstehen, wenn starke Gefühle das vegetative Nervensystem stimulieren. Hier sind Tränen der Erschöpfung zu sehen. Solche emotionalen Tränen enthalten bis zu ein Viertel mehr Proteine als Reflextränen, dafür weniger Flüssigkeit.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Am Ende war es egal
Die Träne mit dem Titel "In the end it didn't matter" weinte Rose-Lynn in einem Moment, in dem ihr alles egal war. In dem sie frustriert und unerfüllt war. Sie nahm die Träne und versah die Folie mit einem Datum. Dann geriet sie in Vergessenheit. Als Rose-Lynn die Träne wiederfand und auch ihre Frustration nachgelassen hatte, zeigte sich unter dem Mikroskop eine der schönsten Tränenlandschaften.
Bild: Rose-Lynn Fisher
Wiedergutmachung
Während ihrer Arbeit wurde Rose-Lynn aber noch etwas klar: Träne ist nie gleich Träne. Denn auch Tränen, die durch die gleiche Emotion hervorgerufen wurden, unterscheiden sich. Es gibt viele Variablen, die das resultierende Bild beeinflussen: das Volumen der Tränenflüssigkeit, die Verdampfung oder Strömung, feinste biologische Variationen, die Mikroskop- und Kameraeinstellungen.