Das Volk gegen Mubarak
31. Januar 2011Die politische Revolte in Ägypten drohte am Wochenende in Anarchie umzuschlagen. Plünderer, Brandstifter und Räuber terrorisieren die Bevölkerung in vielen Landesteilen. Im Zentrum von Kairo versammelten sich am Sonntag (30.01.2011), dem sechsten Tag der Proteste, wieder mehrere zehntausend Menschen mit der Forderung nach einem Regimewechsel. Bei den Unruhen starben bislang 150 Menschen.
Der Hoffnungsträger der ägyptischen Opposition, Mohammed el Baradei, widersetzte sich dem Hausarrest. Er schloss sich den Demonstranten in Kairo an und bekräftigte seinen Führungsanspruch . "Ich habe den Auftrag von den politischen Kräften erhalten, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden", sagte der Friedensnobelpreisträger, der zusammen mit Führern der Muslimbruderschaft auf den Tahrir-Platz gekommen war. Während der Kundgebung versuchten die Streitkräfte, Stärke zu zeigen. Über die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz donnerten mindestens zwei Kampfjets hinweg.
Der seit drei Jahrzehnten regierende Präsidenten Husni Mubarak hat bislang vergeblich versucht, die Massenproteste gegen ihn einzudämmen. Der 82-jährige Staatschef forderte die von ihm am Samstag eingesetzte Regierung auf, die Ordnung im Land wieder herzustellen. Mubarak kündigte "neue Schritte hin zu mehr Demokratie" und eine Verbesserung des Lebensstandards an. Die Polizei, die Plünderern und Banden weitgehend das Feld überlassen hatte, soll laut ägyptischen Staatsmedien an diesem Montag wieder mehr Präsenz zeigen. Aus Gefängnissen waren am Wochenende tausende Insassen mit Hilfe von außen ausgebrochen, darunter Schwerverbrecher und islamistische Extremisten.
Polizei überfordert - Plünderungen gehen weiter
Das Militär löste vielerorts die Polizei ab, die mit den Massenprotesten überfordert und brutal gegen Demonstranten vorgegangen war. In den Großstädten war die Polizei nach Augenzeugenberichten weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Soldaten sicherten Regierungsgebäude ab. Am Sonntag rückte die Armee auch in Teile der Touristenregion Scharm el Scheich am Roten Meer ein.
Die Meldung, dass die Polizei am Montag wieder im Dienst sein soll, bestätigte den Verdacht, dass das Chaos und die Plünderungen der vergangenen zwei Tage vom Regime bewusst verursacht worden war.
Derweil wächst auch unter den Ausländern in Ägypten die Furcht vor dem Chaos. Auf dem internationalen Flughafen von Kairo warteten Tausende auf eine Chance zur schnellen Abreise. Einige Staaten begannen damit, ihre Staatsbürger aus dem Krisenland auszufliegen. Deutschland zunächst nicht: Man beobachte die Entwicklung genau, hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Im Großraum Kairo lebten vor Beginn der Unruhen schätzungsweise 5.000 bis 7.000 Deutsche.
Angesichts der Lage in Ägypten rät das Auswärtige Amt nun von Reisen in das Land ab. Dies gelte insbesondere für Reisen nach Kairo, Suez und Alexandria sowie in die urbanen Zentren im Landesinneren und im Nildelta.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Mubarak auf, den politischen Konflikt in seinem Land ohne Gewalt zu lösen. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte, appellierte die Kanzlerin in einem Telefongespräch zudem an Mubarak, einen Dialog mit der Bevölkerung aufzunehmen und auf deren berechtigte Forderungen einzugehen. Auch zahlreiche andere Staats- und Regierungschefs, unter ihnen US-Präsident Barack Obama, riefen die Führung in Ägypten auf, auf Gewalt zu verzichten. US-Außenministerin Hillary Clinton rief am Sonntag erneut zum "nationalen Dialog" und zur Gewaltlosigkeit in Ägypten auf. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Ban sagte auf dem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union: "Der Wind des Wandels weht. Afrika ist in Bewegung."
Derweil hat die ägyptische Führung in Kairo nach der Internetzensur der vergangenen Tage weiter versucht, die unabhängige Berichterstattung über die Ereignisse zu behindern. Das Büro des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira in Kairo wurde am Sonntag von den Behörden geschlossen.
Autor: Marko Langer (dpa, dapd, rtr)
Redaktion: Michael Wehling