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Politik

"Das wird ein Dauerrennen sein"

Helena Kaschel
23. Juni 2017

Eine Webseite internationaler Rundfunkanstalten soll Nutzern dabei helfen, Internetzensur zu umgehen. Warum die Deutsche Welle sich an dem Projekt beteiligt, erklärt DW-Distributionsdirektor Guido Baumhauer im Interview.

Türkei Erdogan auf Bildschirm
Auch die türkische Regierung soll Internetseiten wie Twitter, Facebook und Wikipedia blockiert haben (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/O. Kose

DW: Herr Baumhauer, seit Jahren wird der freie Zugang zum Internet weltweit immer weiter eingeschränkt - ein Problem, das auch die Deutsche Welle kennt. Zensur-Spitzenreiter sind dem "Freedom on the Net Report 2016" zufolge China, Syrien und der Iran. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass zunehmend soziale Netzwerke und Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram zensiert werden. Welche Auswirkungen hat das auf den Kampf gegen Zensur?

Guido Baumhauer: Das Grundprinzip ändert sich erst einmal nicht. Wir müssen immer überlegen, wie wir unsere Inhalte zu den Menschen bekommen und wie Menschen miteinander kommunizieren können. Da gibt es ein gegenseitiges Aufrüsten. Je nachdem, wie das Internet in einem Land technisch aufgesetzt ist, ist es relativ leicht, Inhalte zu blocken. Gleichzeitig sieht man aber auch, dass in vielen Gesellschaften, beispielsweise im Iran, die junge Generation sehr fit darin ist, Zensur zu umgehen. Das gilt auch für die neuen Blockaden der Messenger-Dienste. Für uns als Deutsche Welle ist klar: Wir akzeptieren das nicht und werden alles dafür tun, dass die Leute unsere Inhalte bekommen - egal auf welchem Weg.

Auf der Webseite Bypass Censorship werden Tools zum Download angeboten, mit denen man Zensur auf unterschiedliche Weise umgehen kann. Einige lassen den Nutzer anonym ins Netz gehen, andere ermöglichen den Zugang zu gesperrten Webseiten. Wie genau funktioniert das?

Grundsätzlich gibt es im Netz viele Tools, die Nutzern die Möglichkeit bieten, im Internet nicht als derjenige unterwegs zu sein, der man ist - und dadurch Zugang zu bestimmten Inhalten zu bekommen. Das kennt der eine oder andere, der schon mal gerne online einen Film schaut, der in den USA angelaufen ist, in Deutschland aber noch nicht, und sich eine Software herunterlädt, die ihn als einen amerikanischen Nutzer erscheinen lässt und ihm Zugang zu amerikanischen Diensten gibt, die in Deutschland blockiert werden. Bei vielen dieser Tools weiß man aber häufig nicht, was mit den Daten passiert, die die Software über die Nutzer sammelt.

Der Bericht der US-amerikanischen NGO Freedom House zeigt: Internetzensur ist ein globales Problem

Wir haben überlegt, welche Tools die Zensurumgehung ermöglichen, ohne gleichzeitig das halbe digitale Leben der Nutzer abzugreifen, und haben drei Hauptelemente ausgewählt: TOR, eine klassische Software, mit der man auf blockierte Seiten zugreifen und anonym surfen kann, Psiphon, das wir zum Beispiel für unser Farsi- und Amharisch-Angebot nutzen - beides Märkte, wo Internetzensur Alltag ist -, und Orbot, das anderen mobilen Apps die Möglichkeit gibt, den Zugang zu nutzen.

Tools wie das TOR-Netzwerk sind ja schon länger bekannt. Heißt das, die Webseite richtet sich eher an Nutzer, die noch keine Erfahrung mit Themen wie Verschlüsselung haben?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt viele Nutzer, die sich schon sehr gut auskennen und nicht darauf angewiesen sind, dass wir ihnen Informationen zur Verfügung stellen. Es gibt aber auch viele Menschen, die gerne Zugang zu blockierten Internetseiten hätten und erst mal recht hilflos starten. Wir versuchen ihnen den Weg zu zeigen, wie das geht. Außerdem bietet die Webseite immer die aktuellste Version der Tools zum Download an. Gerade in dieser schnellen Welt, in der heute eine neue Blockade entsteht, morgen ein neues Blockade-Umgehungstool und übermorgen auch dieses Tool wieder geblockt wird, ist das wichtig.

Besteht nicht die Gefahr, dass die komplette Webseite gesperrt wird?

Ja, natürlich. Das wird ein Dauerrennen sein. Auch diese Seite wird gesperrt werden und auch diese Seite wird Wege finden, um wieder an die Nutzer zu kommen. Sollte die Webseite für bestimmte Nutzer gesperrt sein, bieten wir ihnen an, ihnen die Tools per E-Mail zur Verfügung zu stellen. Es geht einfach darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, und bypasscensorship.org ist nur eine von vielen. Aber wenn wir darüber auch nur eine Handvoll neuer Nutzer erreichen, ist es das schon wert. Für den Zugang zur freien Meinungsäußerung sollte man jeden Weg gehen.

Möchte das Knowhow des deutschen Auslandssenders an möglichst viele Menschen weitergeben: Guido BaumhauerBild: DW

Bypass Censorship klingt wie ein Projekt, das auch Aktivisten oder Hacker hätten starten können. Warum haben Rundfunkanstalten die Initiative ergriffen?

Ich glaube, das muss man gar nicht so voneinander trennen. Wir haben ein großes Interesse daran, uns mit allem, was wir können, für den Zugang zur freien Information einzusetzen. An dieser Stelle macht es keinen Unterschied, ob man Aktivist, Hacker oder internationaler Broadcaster ist. Wir haben verdammt gute Leute, die tagtäglich eine neue Nische, eine neue Lücke finden, wie wir in Märkte hineinkommen, die uns nicht hineinlassen wollen. Und alles, was wir da an Knowhow haben, geben wir sehr gerne weiter an unsere Nutzer und an Menschen, die es vielleicht morgen werden.

Bypass Censorship wird unterstützt von der Deutschen Welle, der BBC, der Broadcasting Board of Governors (BBG), von France Médias Monde und vom Open Technology Fund. Guido Baumhauer ist Direktor Distribution und Technik bei der Deutschen Welle.

Das Gespräch führte Helena Kaschel

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