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Politik

Das Wunder von Gambia

Adrian Kriesch
3. Dezember 2016

Kaum ein Gambier hätte es für möglich gehalten: Nach 22 Jahren im Amt wurde Präsident Jammeh abgewählt - und akzeptierte seine Niederlage. DW-Korrespondent Adrian Kriesch über Feierlaune und Hoffnungen in Gambia.

Anhänger des neu gewählten gambischen Präsidenten Barrow jubeln
Bild: Reuters/T. Gouegnon

Nur wenige Minuten nach der Verkündung des Wahlergebnisses füllen sich die Straßen Gambias. Gewonnen hat der vor einem halben Jahr noch weitgehend unbekannte Oppositionskandidat Adama Barrow. Die Menschen tanzen, hängen sich aus Autofenstern, schreien "Freedom!".

Freiheit - darauf hofft auch Maimuna Darboe. Ihr Mann sitzt seit Monaten im Gefängnis. "Ich hoffe, dass er sehr bald frei sein wird", sagt sie lächelnd vor ihrem Haus in Serekunda, an dem sich aus Solidarität hunderte feiernde Oppositionelle treffen. "Denn seine Haftstrafe war politisch motiviert, er hat kein Verbrechen begangen."

Maimuna Darboe hofft auf ein "neues Gambia", in dem die Menschenrechte gelten Bild: DW/A. Kriesch

Ousainou Darboe ist Chef der Oppositionspartei United Democratic Party und war bereits mehrfach erfolglos in Wahlen gegen den langjährigen gambischen Präsidenten Yahya Jammeh angetreten. Am 16. April ging er auf die Straße und demonstrierte gegen den Tod eines Parteifreundes in Gewahrsam. Die Sicherheitskräfte lösten den friedlichen Protest gewaltsam auf, weil er nicht angemeldet war. Darboe und 29 weitere Teilnehmer wurden zu je drei Jahren Haft verurteilt.

Klima der Angst

Seit Jahren sprechen Menschenrechtsorganisationen von einem Klima der Angst in Gambia. Seit sich Jammeh vor 22 Jahren an die Macht putschte, nutzt der Präsident willkürliche Verhaftungen, Folter und Entführungen, um Journalisten und die Zivilgesellschaft zur Selbstzensur zu zwingen. Nach Darboes Verhaftung sprach die Organisation Amnesty International von einer Abwärtsspirale der Menschenrechte in Gambia.

Sabrina Mahtani von Amnesty International beobachtete die Menschenrechtssituation in Gambia während der WahlBild: DW/A. Kriesch

"Heute ist wirklich ein großartiger Tag", sagt Sabrina Mahtani von Amnesty International nach der Wahl. "Aber es ist auch eine herausfordernde Zeit. Es gab hier in der Vergangenheit so viele Menschenrechtsverletzungen, wie den Fall des Anwalts Darboe." Die neue Regierung habe nun die wichtige Aufgabe, die Vorfälle der letzten 22 Jahre aufzuarbeiten.

Vom Autokraten zum Demokraten

Die größte Überraschung für die Gambier war wohl, dass Präsident Jammeh seine Niederlage so schnell eingestand. "Der Amtsinhaber ist seit 22 Jahren an der Macht - und ist großzügig genug, seine Wahlniederlage zu akzeptieren, noch bevor ich sie offiziell verkünde", lobte Wahlleiter Alieu Momar Njie.

Bei einer Ansprache im staatlichen Fernsehen gratulierte Jammeh charmant seinem Nachfolger und freut sich nun darauf, wieder als Farmer zu arbeiten. Plötzlich wirkte er wie ein lupenreiner Demokrat - der Autokrat, der Homosexuellen eigenhändig die Kehle durchschneiden will, angeblich Aids heilen kann, kritische Diplomaten ausweisen lässt und den Internationalen Strafgerichtshof verlassen will.

"Mehr Jobs, damit nicht mehr so viele Leute verschwinden"

Für den neuen Präsidenten und ehemaligen Immobilienunternehmer Adama Barrow wird es die größte Herausforderung sein, die Wirtschaft auf Kurs zu bringen - und den jungen Leuten im Land eine Perspektive zu bieten. Landwirtschaft und Tourismus sind die wichtigsten Einkommenszweige im Land - es gibt kaum Industrie.

Momodou Lamin Trawally fordert mehr Jobs für die gambische JugendBild: DW/A. Kriesch

"Wir wollen, dass sich Präsident Barrow auf die Jugend konzentriert", sagt Momodou Lamin Trawally. Der 21-Jährige hat das erste Mal in seinem Leben gewählt und sich nach der Verkündung des Ergebnisses den Feiern auf den Straßen angeschlossen. "Die Anzahl der Jugendlichen, die nach Europa migrieren, ist sehr hoch. Er muss mehr Jobs hier schaffen, damit nicht mehr so viele Leute von hier verschwinden." Mehr als 10.000 Gambier kamen allein dieses Jahr übers Mittelmeer nach Italien. In Deutschland haben nach Schätzungen fast 15.000 Gambier Asyl beantragt. Das ganze Land hat weniger als zwei Millionen Einwohner.

Maimuna Darboe, die Ehefrau des inhaftierten Anwalts, blickt seit langer Zeit endlich wieder optimistisch in die Zukunft. "Es wird ein neues Gambia geben, wo das Recht respektiert wird", sagt sie. "Mit Menschenrechten und dem Recht auf Meinungsäußerung. Und jeder, der angeklagt wird, wird als unschuldig behandelt, bis das Gegenteil bewiesen werden kann." Und sie kann hoffen: Im Gespräch mit der DW hatte der neue Präsident Barrow vor den Wahlen angekündigt, als eine seiner ersten Amtshandlungen die politischen Gefangenen freizulassen.