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Das Ziel ist erreichbar

Interview mit Tamsin Walker (DW)14. Oktober 2015

Zum Thema "Beseitigung der Armut" sagte Erik Solheim, der Vorsitzende des OECD-Entwicklungsausschusses, einmal, die Welt solle sich Nike‘s Werbespruch ausleihen, und „es einfach tun“ ("Just do it“).

Marathonläufer
Bild: Fotolia/ruigsantos
Erik Solheim denkt positiv und glaubt, die Welt könne es schaffen, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.Bild: imago/imagebroker
Erik Solheim meint, Indien könne bis 2030 der Beseitigung von Armut sehr nahe kommen.Bild: R. Gacad/AFP/Getty Images

Ziel eins ist die Beseitigung von Armut in jeder Form und überall. Kann das wirklich erreicht werden?

Es ist definitiv ein ehrgeiziges Ziel, aber es ist machbar, und zwar zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit machbar. Kein Herrscher oder Machthaber hat dies in der Vergangenheit getan, sie haben sogar noch nicht einmal darüber nachgedacht.
Zum allerersten Mal haben wir die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Es geht nur um eine einzige Sache, und zwar um den politischen Willen auf höchster Ebene – bei den Obamas, Merkels, den Xi Jinpings – wenn der da ist, dann kann man auch die gesamte Menschheit mobilisieren.

Warum sind wir, als erste Generation überhaupt, fähig dazu, dieses Ziel zu erreichen?

Weil wir wissen, welche Strategien funktionieren. Eine große Anzahl von Ländern in Europa und Asien haben es geschafft, absolute Armut zu beseitigen. Mit einer Kombination aus starkem Staat und dynamischer Marktwirtschaft, wobei im Allgemeinen auch ein Schwerpunkt auf Bildung gesetzt wurde. Also kennen wir die Strategien und wir haben all die wirtschaftlichen Mittel, die wir dazu brauchen. Die Welt ist überflutet mit Geld, es geht nur darum das Geld auch richtig einzusetzen: für eine nachhaltige Entwicklung und für die sehr Armen.

Sie sagen, wir müssen die Hauptakteure ins Boot holen, um dies zu verwirklichen. Zeigen die Ihrer Ansicht nach ausreichend Engagement?

Ich denke, alle großen Führer dieser Welt haben sich diesem Ziel verschrieben, werden jedoch manchmal von diesen langfristigen Zielen durch Krisen im Ausland oder durch innerstaatliche Probleme abgelenkt. Aber Führung kommt nicht nur von oben. Sie kann auch von unten kommen, durch zivile Organisationen und durch Führungskräfte aus der Wirtschaft, die auch führen können, indem sie Druck auf Politiker ausüben, damit sich etwas bewegt.

Wenn wir 15 Jahre in die Zukunft schauen würden: Denken Sie, wir sähen eine Welt, in der extreme Armut erfolgreich beseitigt wurde?

Leider würden wir immer noch Personen finden, die extrem arm sind. Aber im Großen und Ganzen können wir dieses Ziel bis 2030 erreichen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass China bis dahin soweit ist, und das ist schon mal eine sehr große Zahl. Indien wird dem nahe kommen, am schwersten wird sicherlich die Umsetzung dieses Zieles in Afrika.

Was ist Ihre Botschaft an die Schwarzseher dieser Welt?

Ich sage ihnen: Ihr liegt falsch. Ihr erzeugt Pessimismus. Menschen können viel eher mobilisiert werden, wenn sie sehen, dass etwas machbar ist, und es gibt keinen wirklichen Grund für Pessimismus. Wir haben extreme Armut in den letzten beiden Jahrzehnten halbiert, und Nationen wie Äthiopien und Malawi, die immer noch arm sind, haben die Kindersterblichkeit in den letzten 20 Jahren um 70 Prozent senken können. Das ist sehr beeindruckend.

Wenn man ein Schwarzseher ist, der sagt: "wir können das nicht", wird man sich bestätigt sehen. Man muss die Menschen an der Basis überzeugen, dass es machbar ist. Auch die Privatwirtschaft spielt dabei eine große Rolle.
Afrika hat sehr wenig industriell erzeugte Güter, das muss sich ändern. Wirtschaftliches Wachstum ist ein essenzieller Bestandteil von Entwicklung – Deutschland, die USA und China haben sich durch wirtschaftliches Wachstum entwickelt – aber wir können uns nicht alleine darauf verlassen. Wir brauchen auch konkrete Strategien, die auf diejenigen gerichtet sind, die zurückgefallen sind.

Wie könnten diese konkreten Strategien aussehen?

Das vielleicht wichtigste sind Bargeld-basierte Maßnahmen, die sich in Lateinamerika als äußerst hilfreich erwiesen haben. Sie bringen das Geld direkt zu den sehr Armen, die ja am besten wissen, wie es zu nutzen ist.
Wir sollten über ähnliche Maßnahmen für Afrika nachdenken. Die Vergabe von Mikrokrediten war in Bangladesch und in vielen anderen Nationen ausgesprochen erfolgreich. Außerdem brauchen wir zielgerichtete Strategien für die Landwirtschaft, da die meisten sehr armen Menschen eher im landwirtschaftlichen als im industriellen Sektor tätig sind.

Erik Solheim war sowohl Umweltminister als auch Minister für Internationale Entwicklung in Norwegen. Seit 2013 ist er Vorsitzender des OECD-Entwicklungsausschusses. Er ist mehrfacher Preisträger, unter anderem wurde ihm der Preis “Champion of the Earth” des Umweltprogramms der Vereinten Nationen verliehen.