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KonflikteFinnland

Datenkabel durchtrennt: Sabotage-Fehlalarm in Finnland

3. Dezember 2024

Der jüngste Verdacht hat sich offenbar in Luft aufgelöst, doch in Nordeuropa sorgt man sich um kritische Infrastruktur. Denn seit Russlands Ukraine-Invasion nimmt mutmaßliche Sabotage im Norden zu. Eine Chronologie.

Ein Arbeiter auf einer großen Kabelrolle
Installation eines Glasfaserkabels in Finnlands Hauptstadt HelsinkiBild: Vesa Moilanen/Lehtikuva/düa/picture alliance

Ein großer Internet-Ausfall in Südfinnland hat noch größere Befürchtungen geweckt: Ist ein schwedisch-finnisches Datenkabel gleichzeitig an zwei Stellen absichtlich durchtrennt worden - oder handelte es sich lediglich um ein Versehen?

Der schwedische Zivilschutzminister Carl-Oskar Bohlin hatte kurz nach dem Zwischenfall am Dienstagmorgen den Verdacht auf Sabotage gelenkt. Wenig später beschwichtigte die finnische Verkehrs- und Kommunikationsbehörde Traficom, es habe sich anscheinend um einen "normalen Unfall" bei Bauarbeiten gehandelt. Bei beiden Beschädigungen sieht die finnische Polizei laut eigenem Bekunden "keinen Verdacht auf eine Straftat". Die Schäden wurden laut Traficom bereits behoben.

November 2024: Schäden an zwei Datenkabeln in der Ostsee

Die Nerven liegen wohl auch deshalb blank, weil der jüngste mutmaßliche Sabotage-Vorfall gerade erst zwei Wochen zurückliegt: In der Nacht vom 17. auf den 18. November wurden gleich zwei Datenkabel in der Ostsee durchtrennt - "BCS East-West Interlink" zwischen Schweden und Litauen sowie "C-Lion1" zwischen Finnland und Deutschland. Auch dieser Fall betraf also Finnland und Schweden, die wegen ihres kürzlichen NATO-Beitritts russische Vergeltungsaktionen befürchten konnten. Regierungsvertreter wie der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sprachen frühzeitig von Sabotage.

Die chinesische Yi Peng 3 steht unter Sabotage-Verdacht - und liegt seit dem Vorfall in dänischen Gewässern im Kattegat vor AnkerBild: Mikkel Berg Pedersen/Ritzau Scanpix/picture alliance

Im Visier der Ermittler ist der chinesische Frachter Yi Peng 3, der Berichten zufolge zum fraglichen Zeitpunkt in der Nähe beider Tatorte verdächtige Manöver ausgeführt haben soll: Auf seinem Weg vom russischen Hafen Ust Luga durch die Ostsee sei das bei zivilen Schiffen vorgeschriebene Positionsdaten-System AIS ausgeschaltet und der Anker auf den Meeresgrund abgelassen worden. Dänische und deutsche Marineboote bewachen momentan den Frachter; China hat auf offiziellen Kanälen eine vollumfängliche Zusammenarbeit bei den Ermittlungen angekündigt. Die durchtrennten Kabel sind inzwischen repariert worden.

Oktober 2023: Schäden an Balticconnector-Gaspipeline und Datenkabeln

Auch ein gutes Jahr zuvor geriet ein chinesisches Schiff unter Verdacht, Infrastruktur zwischen Finnland und Estland beschädigt zu haben. Die NewNew Polar Bear fuhr unter der Flagge der Sonderverwaltungszone Hongkong, die seit einigen Jahren verstärkt ins übrige China eingegliedert wird. Das Containerschiff war unterwegs von der russischen Enklave Kaliningrad ins ebenfalls russische Sankt Petersburg. Auch in diesem Fall kam ein Anker zum Einsatz, ausgerechnet an der Stelle, wo die Route des Schiffs die Gaspipeline Balticconnector und zwei parallel verlegte Datenkabel kreuzte. In der Nacht zum 8. Oktober meldeten Sensoren an der für das Baltikum wie für Finnland wichtigen Pipeline ein Gasleck.

Die finnische Polizei barg später den Anker und entdeckte Schleifspuren auf dem Grund der Ostsee. Chinesische Behörden sprachen später von einem Unfall infolge eines Sturms. Ein Abschlussbericht der finnischen und estnischen Ermittler steht noch aus. Im April wurde die Pipeline wieder in Betrieb genommen; die Reparaturkosten beliefen sich auf rund 35 Millionen Euro.

September 2022: Explosionen an Nord Stream-Gaspipelines

Bei der Zerstörung der Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland handelt es sich um einen dreifachen Sonderfall: Hier wurden nicht rein mechanische Beschädigungen, sondern Sprengstoff nachgewiesen. Ein Ende der Pipeline liegt zudem nicht in einem NATO-Mitgliedsland, sondern in Russland. Und drittens führen Spuren in die Ukraine, die jedoch jegliche Verwicklung abstreitet.

Infolge der Pipeline-Explosionen gelangten in kurzer Zeit große Mengen klimaschädlicher Gase in die Atmosphäre. Die Suche nach den Schuldigen dauert auch gut zwei Jahre nach der Aktion noch an.Bild: Swedish Coast Guard/AP/dpa/picture alliance

Am 26. September 2022 waren Sprengsätze an drei der vier Röhren detoniert. Die 2011 in Betrieb genommene Doppel-Pipeline Nord Stream 1 wurde dabei an jeweils einer Stelle zerstört, eine der nie in Betrieb genommenen Nord Stream 2-Röhren sogar an zwei Stellen. Die vierte Röhre blieb intakt. Die deutschen Ermittler haben nach eigenen Angaben inzwischen zwei Beschuldigte identifiziert. Im August war bekannt geworden, dass eine geplante Festnahme in Polen geplatzt war, weil sich der gesuchte Ukrainer zuvor in sein Heimatland abgesetzt hatte.

Januar 2022: Datenkabel zum norwegischen Archipel Spitzbergen beschädigt

Am 7. Januar 2022 fiel eines der beiden leistungsstarken Glasfaserkabel aus, die für den Datenaustausch der größten norwegischen Satellitenanlage unentbehrlich sind: Die Forschungsstation steht auf Spitzbergen, weit jenseits des Polarkreises. Journalisten des norwegischen Rundfunks NRK werteten Positionsdaten eines russischen Fischtrawlers aus, der kurz zuvor mehr als 140 Mal an der betreffenden Stelle hin und her gefahren war. Angesichts der kurz nach dem Vorfall begonnenen russischen Invasion in der Ukraine betrachten viele den Vorfall als einen möglichen Akt hybrider Kriegführung.

Spitzbergen ist für Russland selbst von Interesse - unter der Stadt Barentsburg schürften russische und norwegische Arbeiter jahrzehntelang nach Kohle.Bild: Jonathan Nackstrand/AFP/Getty Images

Russland werden zahlreiche Aktionen zur Land und zur See zu Last gelegt. So sollen vermeintliche Forschungsschiffe Windparks in Nord- und Ostsee ausspioniert haben, mutmaßlich um Schwachstellen für mögliche Sabotageakte auszuspionieren. Die Sorge in NATO-Staaten vor hybriden Angriffen auf kritische Infrastruktur ist groß. Auf jeden Fall groß genug, um bei einem Internet-Ausfall argwöhnisch zu werden.

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